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Samstag, 28. September 2013

Brechen der schöpferischen Kraft

Ein lesenswerter Artikel findet sich in einem der jüngsten FORMAT-Magazin-Ausgaben. Der VdZ findet nicht alle Aussagen richtig, aber der Tendenz nach erläutern sie gut Zusammenhänge, und: was derzeit passiert. Alles nichts Neues, gewiß, aber es dokumentiert die europäische Flucht nach vorn, die hektisch Symptome wegschiebt, bis sich das noch kritischer aufgeladene System entlädt. Was sonst? Mit einer Kernaussage, die Wilhelm Hankel und Thomas Bachheimer liefern: Ein per Staatswillen eingegarntes Wirtschaftssystem verliert seine schöpferische Kraft. Es verwaltet sich nur noch selbst.

Zur Einleitung ein Statement von Wilhelm Hankel:

Hankel: Das Gefährliche an der aktuellen Entwicklung ist die innere und die äußere Kapitalflucht aus dem Euro. Was wir heute erleben, ist, dass sich die Bürger vermeintlich absichern, indem sie Immobilien, Realwerte, Aktien und Edelmetalle kaufen oder ins Ausland gehen. Aber gerade diese Sicherung ist totes Kapital, denn die Werte sind bereits da. Mit diesen Ersparnissen kann man keine Innovationen finanzieren. Dazu kommt, dass diese Sicherung auch betriebswirtschaftlich auf sehr wackligen Füßen steht, denn die Immobilienpreise werden nicht ewig steigen. Sie haben leider die Tendenz zyklisch zu fallen. Das gilt auch für Edelmetalle. Europa und hier besonders die reichen Staaten töten den – ein französischer Philosoph sprach vom – 'Elan Vitale' ihrer Volkswirtschaft. Das Sparkapital geht nicht in Innovationen, es erreicht nicht den dynamischen Unternehmer, sondern geht in vorhandene Werte. Diese wiederum werden im Preis hochgetrieben, kommen zyklisch wieder runter und am Ende steht die Vernichtung von Ersparnissen, die sich heute schon abzeichnet. Europa schafft sich eine Zukunft als Industriemuseum.

Und, weil es exemplarisch Zusammenhänge deutlich macht, Thomas Bachheimer:

Bachheimer: Was bei diesem Währungssystem ohnehin absurd ist, womit wir auch zur Exportlüge kommen. Ich kann nur mit einer starken Währung das Fundament schaffen, um in der nächsten Dekade ein gutes Wirtschaftswachstum zu erzeugen. Wenn ich Gummi-Enten erzeuge, ist natürlich klar, dass ich, wenn jeder andere auch Gummi-Enten erzeugt, mit einer schwachen Währung reüssieren kann. Aber ich brauche ein starkes System, um innovativ tätig sein und die Wirtschaftsleistung der nächsten Dekade sichern zu können. Doch das fehlt aktuell.

Was verstehen Sie unter der Exportlüge? Dass Deutschland Exportweltmeister ist, ist – soweit ich weiß – keine Lüge.

Hankel: Der Euro war ein Stück Exportförderung. Denn der Euro hat die deutschen Exporte schlagartig verbilligt.

Bachheimer: Und diese Exportförderung ging zu Lasten der Bürger. Ein Plus für die Exportwirtschaft war immer ein Minus für die deutschen Bürger.

Hankel: Ein Plus für die Exportwirtschaft ist eine Minderung des deutschen Realeinkommens. [...] Der Exportüberschuss über den Import ist immer ein Stück importierte Inflation. Denn sie haben das Einkommen, das im Inland ausgegeben wird, aber die dazu korrespondierenden Güter sind im Ausland. Das heißt es wurde eine Güterlücke in der Inlandsversorgung erzeugt.

Bachheimer: In China hat sich das Problem manifestiert, bevor man die Binnenstruktur errichtet hat – man hat sich zuerst auf den Export konzentriert und das fällt den Chinesen jetzt leise auf den Kopf.


Aber noch einmal: Kann man das so vereinfacht darstellen? Was ist der Netto-Effekt zwischen der importierten Inflation und einer starken Exportwirtschaft und mehr oder gesicherten Arbeitsplätzen und entsprechendem Einkommen? 


Hankel: Vor 200 Jahren gab es den Merkantilismus – die Exporte müssen demnach größer sein als die Importe. Der große Widerstand kam von den ökonomischen Klassikern, wie Adam Smith und David Ricardo. Die ökonomische Klassik sagt, ihr dürft nicht in Geldgrößen, sondern ihr müsst in Gütern denken. Das Volk kauft nicht Geld, es kauft Güter mit Geld. Die Güter sind aber bei einem Exportüberschuss nicht verfügbar, während das Einkommen im Inland ist. Das Ergebnis ist die Preisschere. Wir haben das in Deutschland in den 60er- und 70er-Jahren unter der Überschrift "importierte Inflation" behandelt oder mit Schiller nach der Aufwertungsdebatte unter "Sozialdividende". Wir bekommen alles billiger, wenn die Währung aufwertet.


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