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Donnerstag, 19. September 2013

Natürlichkeit als Grundlage

Die Frage nach der Nutzung der Energie stellt uns, so schreibt Robert Spaemann am Beispiel der Kernenergie, vor moralische Fragen ohne Beispiel. Die "Natur" im Ganzen war von der Antike bis zur Gegenwart nicht Gegenstand menschlichen Handelns, sondern Voraussetzung desselben. Das Handeln hatte sich in der traditionellen Ethik zwar nach der Natur zu richten, aber nicht deshalb, weil die Natur verletzlich wäre, sondern weil ein naturwidriges Handeln sich selbst zum Scheitern verurteilt. Der Mensch kann, das war die Überzeugung der Alten, nicht glücklich werden, wenn er sein Glück gegen die Natur zu erreichen sucht.

Bis zum 16. Jhd. betrachtete der Mensch sich selbst als Teil der Natur, und zwar als deren Spitze. Die Lehre von der menschlichen Seele gehört für die ältere philosophische Tradition zur "Physik". Das setzte voraus, daß die Natur ihrerseits nach Analogie menschlichen Lebens und Handelns verstanden wird, Naturprozesse also als zielgerichtete Prozesse. Naturbeherrschung ist deshalb im klassischen Verständnis selbst ein natürliches Verhältnis. 

Es ist eine Form von Symbiose. Natur wird von vornherein unter dem praktischen Gesichtspunkt ihrer Nützlichkeit für den Menschen gesehen. Aber diese Perspektive spricht der Natur nicht das Selbstsein ab. Zum Selbstsein der Natur gehört vielmehr ihre Dienlichkeit für Zwecke des höchsten Naturwesens, des Menschen. 

Die Natur als ganze bleibt in diesem Weltverhältnis stets das Umgreifende. Sie kann den zerstören, der sich gegen sie und ihre Ordnung vergeht. Sie selbst bleibt immer dieselbe. Wir haben ihr So-und-nicht-anders-sein nicht zu verantworten.

Die Frage nach der Nützung der Natur muß also einhergehen nach der Frage nach den Zielen der Natur und der natürlichen Prozesse selbst. Nur diese Eigenzwecke zu nützen kann moralisch gerechtfertigt werden.




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