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Samstag, 12. Oktober 2013

Normiertes Leben

Aus Anlaß einer konkreten Erfahrung mit einer Bestellung eines Buches über Internet: Es wird gerne argumentiert, daß die Computerisierung der Geschäftsfälle eine Erleichterung der Abläufe bringe, und damit das Wirtschaften effizienter machte.

Nun gilt das nur wenn man dazudenkt, daß jedes Computerprogramm ausschließlich mit Normfällen arbeiten kann. Selbst, wenn es diese Normalität ausweitet - es hat seine Grenzen. Effizienz heißt also fast durchweg bereits - Normierung. Was (wie bei dieser konkreten Bestellung passiert) nicht in diese Abläufe, diese Normierungen hineinpaßt, ist ganz einfach nicht mehr machbar. Was jedem persönlichen Verkäufer mit einer kleinen Handbewegung möglich wäre, ist diesen Apparaturen unmöglich. Der Aufwand, sie zu überbrücken und die (sagen wir:) improvisierten Vorgänge rückzuintegrieren wäre zu gewaltig. Die Maschine, zu der der Kauf  - weil die gesamte Versandfirma* - geworden ist, ist nicht in der Lage, dieses einfachste Handeln zu bewältigen.

Wir haben mit dieser Normierung bereits aber nicht nur zu leben gelernt, sondern wir normieren unser Verhalten selbst, um diesen Abläufen gerecht zu werden. Und merken meist gar nicht mehr, in welchem Ausmaß unser alltäglichstes Verhalten bereits nach Ablaufnormen gestaltet ist. Wir befinden uns in gigantischen Regelkreisen, die unser Leben und Rezipieren bestimmen. F. G. Jünger hat darauf hingewiesen, daß diese Regelkreise von der Zentralisierung der Verkehrsabläufe, von der Schaffung der großen Versorgungsnetze ausging: Schiene und Eisenbahn, und bald die Mobilisierung auf den Straßen (die ohne exakte Ablaufregeln undenkbar wäre) haben begonnen, die Zeitabläufe des Lebens vorzugeben  Dann kamen die großen Versorgungsnetze für Elektrizität, Wasser, Kanalnetze ... und heute das Internet.

Alle diese wurden zu Prämissen unseres alltäglichen Lebens. Und sie haben längst ein Eigenleben entwickelt. Solange wir im Großen und Ganzen innerhalb dieser vorgegebenen Takte agieren, bemerken wir es wenig. Wehe aber dem, der aus egal welchen Gründen aus diesem Takt (das Wort Rhythmus soll bewußt vermieden werden, denn Takt ist etwas anderes als Rhythmus) herausfällt. Es wird immer schwieriger, in Fällen wie einfachen Kaufvorgängen unmöglich, in diese Kreise wieder hineinzugelangen. Erst, wenn man sie in vollem Ausmaß wieder aufnehmen kann, sind damit Lebensabläufe wieder durchführbar.


*Solche Unternehmen basieren ja gleichermaßen auf einem Maschinenwerk der Mathematik. Ihre Kalkulation erlaubt solche Interventionen gar nicht, weil eine einzige Handlung außerhalb der Norm enorme Auswirkungen auf die Gesamtrechnung hat. Der Erfolg und damit Bestand solcher Unternehmungen ist nur dann erreichbar, wenn es sich den geringen Gewinnaufschlägen auch entsprechend geringen Aufwand gegenüberstellen kann. Indem sie aber große und vor allem die "unkomplizierten" Umschlagmengen der Märkte und Branchen, in denen sie tätig sind, aufsaugen, ermöglichen sie einem - sagen wir - individualistischen Konkurrenten kein Überleben mehr. Denn individuelle Unternehmen können nur mit "Mischkalkulation" bestehen. Oder werden in einem Ausmaß teuer, das ihre Marktfähigkeit schwer beeinträchtigt. Beispiel USA: Man kann um wenige 10.000 Dollar ein Haus kaufen. Aber einen simplen Schrank nach Maß fertigen und einbauen zu lassen ist nur wirklich Vermögenden möglich, weil extrem teuer. Die Folge ist u. a., daß es gar keine Handwerker mehr gibt, die wenigen Verbliebenen sind nicht mehr bezahlbar.




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