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Sonntag, 20. Oktober 2013

Selbsterlösende Scheinliebe

Das Gutsein als sittlich-persönlicher Akt ist nur dann überhaupt "da", wenn es sich auf ein Wahrsein bezieht, und zwar als Akt. Nur das Wahre gibt dem Guten seinen INhalt, sein "Dasein", und das heißt: sein Sein, seine Wirklichkeit.

Gutsein ohne Akt, ohne Bezug auf ein konkretes Wahres (Ding) ist nicht, hat kein Sein.*

Deshalb ist die Suche des Wahren der erste Schritt zum realen Gutsein, das in der ersten Phase bestenfalls ein Gutseinwollen ist. Der Wahrheitsakt, schreibt Thomas von Aquin, geht dem Liebesakt voraus, er ist ihm vorgereiht. Das Gutsein wächst also im Maß der Teilhabe an der Wahrheit, in jenem Schritt, in dem sich das Objekt dem Geist annähert. Das Gutsein verstanden als die Annäherung des Geistes an das Objekt.

Gutsein ohne Wahrheit, ohne Willen zur Wahrheit, oder unter vermeint möglicher Vernachlässigung der Wahrheit, drängt also aus der Natur des Gutseins heraus zu einem Inhalt. Und das ist es, was wir im Moralismus erfahren, der nämlich diese Konkretion (in einem Akt der Selbstvergewisserung) zu simulieren versucht. Der einen abstrakten "guten Akt" nachzubilden versucht. Und er tut es, indem er "nachahmt"**. Nicht, wie beim "guten Akt" eigentlich, der schöpferisch aus der Wahrheit heraus aktiv ist, indem er das Ding zur Vollkommenheit bringen will, um das Sein (im Seienden, im Objekt gewissermaßen) noch mehr wirklich zu machen. (Sie strebt also nach dem Ewigen.)

Nur insoweit also kann der Satz des Augustinus - "Liebe, und dann tue alles, was Du willst" - richtig interpretiert werden. Nicht, indem man abstrakt liebt, und dann egal was macht, ob richtig ob falsch interessiert niemanden mehr. Nein! Die Liebe, der Wille, der sich nicht auf die "sachliche" Vervollkommung des geliebten Objekts bezieht, die sich nur "als Liebe" spüren will, ist leer, ist keine Liebe, sondern Selbstsucht, und damit auch in seinem vermeintlichen Heiligungsaspekt Selbstheiligung, Selbsterlösung durch Auflösung.

Vervollkommnung aber ist nicht einfach "Unversehrtheit", sondern sie ist die maximale Wirklichkeit (als Gesicht des Seins, gewissermaßen) eines Seienden, und das heißt: seiner Art nach, seinem Wesen nach. Und das heißt beim Menschen: in seinem Hineinsterben, in seinem Selbstopfern, im Schritt in die Insecuritas. Nur von dort her, im Akt der Selbsthinhabe, kann er Sein und Wirklichkeit empfangen. Wer den Menschen vorgaukelt, daß Seinsfülle auch Schmerzlosigkeit bedeutet, führt sie genau von der Vervollkommnung weg, hin zu einer sinnlosen Utopie und Virtualität. Deshalb heißt Liebe nicht, den Menschen ihre Schmerzen wegzunehmen, sondern den Sinn ihrer Schmerzen aufzeigen, auf daß sie ihn ergreifen und erleiden, und damit wirklich vollkommen werden.

Heil werden zu wollen ist nur möglich, wenn ERST der Schritt aus der objektiven Unordnung, die ein Verweigern der Wirklichkeit (bzw. des Seins ist) herausgemacht wird bzw. das gewollt wird.



*Insofern paßt es hervorragend in die heutige Zeit, die eine wirklichkeitslose, virtuelle Zeit der narzißtischen Simulanten ist, wie er in der derzeitigen Papstgestalt Realität geworden ist. Mittlerweile paßt sich offenbar auch die Kirche exakt diesem Irrsinn an, gibt den letzten Widerstand auf, und löst den Liebesbegriff in sentimentale, selbstische Leere hinein auf. Was so viele Menschen heute diesen Papst so "sympathisch" empfinden läßt ist nicht Liebe, sondern die Erleichterung, die (für kurze Zeit) erfahrbar ist, wenn das Gewissen scheinbar (verbal) aufgelöst wird. Die Last kommt später, und sie kommt ohne Zweifel, und sie kommt noch härter - als Reaktion des Seins, das noch ferner ist.

**Indem er das historisch immer relative Konkrete verabsolutiert. Damit läßt sich sehr gut "Gutheit" vorschützen.




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