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Freitag, 25. Oktober 2013

Ursachenkette

Eine interessante Verschiebung war der Grund für das allmähliche Ausdünnen der Macht der Merowinger, bis sie 751 im Übergang der Krone auf die Karolinger endete, schreibt Henri Pirenne.

Der große Reichtum der Merowinger beruhte - auf Zöllen und Wegegeldern. Die durch den blühenden Handel mit dem gesamten Mittelmeerraum über das gesamte 5.-7. Jhd. den königlichen Schatz füllten. Der Einfall der Sarazenen, in dessen Folge der Wirtschaftsraum des westlichen Mittelmeeres zum Erliegen kam, brachte aber den völligen Zusammenbruch dieser Einnahmenquelle. Die Küsten waren damit verloren. Marseille etwa, das noch im 6. Jhd. über 300.000 Einwohner hatte, verödete, die Häfen waren überall leer. (Seine Rolle als Brücke Europas mit der Levante und Asien sollte ab dem 9. Jhd. Venedig einnehmen.) Der zuvor noch selbständige, zahlreiche Stand der Kaufleute verschwand fast völlig.

Damit versiegten die Einahmen, damit konnte das Königshaus seine Macht immer schwerer aufrecht halten.

Erst kam das Buhlen um die Kirche, die mit mehr und mehr Privilegien ausgestattet wurde, was ihr eine enorme Stellung im Staat einbrachte. Aber man mußte sie an der Seite haben, die Macht zu stärken. Damit aber fielen weitere Grundlagen für Einnahmen weg - etwa die Grundsteuern. Wobei die Klöster ohnehin nie die großen Handelsknotenpunkte gewesen waren. Geld überhaupt wurde bald zur seltenen Erscheinung, es wurden kaum noch Münzen geprägt. Die Zahlungen aus Byzanz, das sich damit zuvor einen starken Verbündeten gegen die Langobarden hielt, fallen aus.

In Folge des Zusammenbruchs des Wirtschaftsraums Mittelmeer (er erholte sich erst ab dem 9. Jhd., aber nur im östlichen Teil, eben durch Venedig bzw. Byzanz und Süditalien, die je starke Flotte unterhielten, etwas das den Franken nie gelungen ist) verlagerte sich in ganz Gallien und Germanien der Wirtschaftsschwerpunkt nach Norden, ins Binnen- und Festland - namentlich auf den Boden, auf die bäuerliche Wirtschaft, den (geldlosen) Naturalhandel. Das hieß nun eine Stärkung der Grundbesitzer, und damit der Bauern und vor allem des Adels. Um diesen bei der Stange zu halten, wurden auch ihm nach und nach mehr Konzessionen gemacht, damit aber die Macht des Königshauses, die natürlich auf Geld beruhte, immer weiter geschwächt, bis der König ganz in der Hand des Adels war.

Nachdem das Meer versperrt ist, zerfällt aber die Ordnung in den Städten, an sich Säulen königlicher Macht. Damit fehlen die Patrizier, die Bildungsschicht, aus der die Bischöfe, Geistlichen und Verwaltungsbeamten rekrutiert werden. Und so gerät mit ihnen die Kirche im Süden Galliens in heillose Unordnung. Für Jahrzehnte, ja Jahrhunderte verschwinden Bischofssitze, werden nicht mehr besetzt. Damit fällt die letzte Stütze des Königs.

Ende des 7. Jhds. versucht das Königshaus noch einmal, die Verwaltung durch Beamte (aus niedrigerem Stand) zu zentralisieren - Macht zurückzuholen. Aber ohne Erfolg, es kommt zum Widerstand, bereits unter dem Argument mangelnder Legitimität, dem Widerstandsrecht gegen die "Tyrannei", den das Königshaus 680/83 verlor und teuer bezahle. Sie werden zu bald lächerlichen Schattenkönigen, und die Frage um ihre Herrschaft zur Frage um ihre Fähigkeit dazu. Anarchie bricht aus, das Land wird zerstückelt, das Königshaus kann sich nicht mehr wehren. Die Vormacht des Nordens - Austrasiens - in Gallien beginnt, unterstützt von den dortigen Bischöfen. Mit den schwachen Königen, die dennoch ein bis zuletzt mächtiger mythischer Volksglaube an die göttliche Sendung der Merowinger trägt, brechen erstmals Spannungen zwischen dem antik-romanischen Süden und dem germanischen - anti-antiken, aber immer mächtigeren - Norden auf. 683 übernimmt bereits ein nordgallischer (austrasischer) Hausmeier, der den König regelrecht ignoriert, die faktische Macht über das ganze Frankenreich.

Und auf dieser faktischen Macht wird dann die Entscheidung des Papstes Zacharias Bezug nehmen, als man ihn 751 fragt, wer die Königskrone tragen solle - der "legale" Merowinger, oder der, der die Macht eines Königs habe. Der Papst entscheidet sich für den Karolinger Pipin. Und weil er in Folge der Eroberung des Mittelmeerraumes durch die Araber und einem damit geschwächten Byzanz von den Langobarden bedroht wird, also die Franken als Schutzmacht braucht, bricht der nächste Papst Stefan II. 754 erstmals mit dem Kaiser in Byzanz, unterstellt sich dem Schutz Pipins - dem abendländischen Kaisertum unter Pipins Sohn Karl wird in der Folge der Weg geebnet.

Ohne Mohamed, ohne die Zerstörung der Einheit des Mittelmeerraumes durch die Araber, wäre es nie zu einem abendländischen Kaiser gekommen, und hätte sich keine römisch-germanische Kultur entwickelt.





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