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Mittwoch, 6. November 2013

Demokratie muß totalitär werden (2)

 Teil 2) Lieber eine Revolution als eine Veränderung



Die Demokratie - die Macht, die Regierung - beginnt also zunehmend unter Druck zu kommen. Hier der natürliche Widerstandsimpuls (aus der Natur des Menschen heraus, die Selbststand und Freiheit verlangt), dort die vorgeschriebene, zunehmend positivistische Autorität, die keine Zersetzung dulden kann. Ersterer wächst im selben Maß, wie sich letztere erhöht. Bis nur noch totalitärer Gewalteinsatz den Zerfall eines Staates, und damit das Chaos, das Verschwinden der ordnenden Kraft des Rechts, verhindern kann. 

Das aber muß die Elite, der Wohlstandsmittelstand* verhindern. Denn diese haben alles zu verlieren.

Je nach Zivilisation, je nach technischem Stand, wird eine solche Regierung in der Lage sein, natürliche Genossenschaften zu verhindern. Sie muß kontrollieren, und vermag es je nach technischem Stand.** In der Gegenwart vermag sie dies sogar schon bis in die Meinungsbildung selbst, wohin die demokratische Macht ohnehin immer drängt. 

Sie wird aus der Notwendigkeit zur Kontrolle heraus zentralistisch, mit der Notwendigkeit, in immer feinere Verästelungen des alltäglichen Lebens des Volkes vorzudringen, zur Wurzel der Natur gewissermaßen vorzudringen versuchen, um dort bereits zu wirken. Was natürlich nie ganz, wenn auch oft sehr weitgehend gelingt, sodaß in jedem Fall der Widerstand, die Kluft zwischen Führungsfunktionären und Volk, wächst.

Kommt es zu keinem An- und Umstoß von außen, führt dies zu Machtkämpfen in den Führungseliten selbst. Die bald offen, bald verdeckt geführt werden. In denen diese Eliten, bei denen ja zwangsläufig jeder zum anderen in einem Konkurrenzverhältnis steht (und gerade deshalb es zu verbergen sucht), das aber nie das Zerbrechen der Macht der Schichte selbst riskiert, versuchen die Macht an sich zu reißen. Schon alleine, um sich selbst zu sichern. Jede Despotie hat diese Hofkämpfe. 

In denen deshalb auch die Demokratien landen. Sie tarnen sich lediglich - als "Parteienspektrum", als Konkurrenz der Wahlprogramme und Weltanschauungen. Aber diese Differenzen reichen nie tief. Sie enden, wo es um die realen Strukturen und Konstellationen der Macht geht.***




**Das beleuchtet sehr wohl den mit großen staatlichen Anstrengungen vollzogenen Ausbau des Internet, in seiner physischen Form wie in seinem Gebrauch. Die Abhörskandale der letzten Monate sind alles andere als Einzelfälle oder Entgleisungen. Sie sind systemimmanent. Einen "Schutz der Privatsphäre im Internet" zu fordern ist salopp formuliert eine Narretei. Im günstigsten Fall leeres Gewäsch, im ungünstigsten absichtliche Täuschung. Das (Massen-)Internet, das social media-Netz als Kommunikationsgrundlage einer Zivilisation IST die Auflösung der Privatsphäre, IST die Struktur der Zentralisierung, in die wir in rasendem Tempo (neben der "Energiewende") hineinstürzen, und alle mitreißen wollen. 

Hier zeigen sich die wahren geistigen Strukturen der politischen Anliegen ("Klimawandel"), die es ja sind, die ihre konkreten Gestalten und Wege dazu suchen und formen. Da brauchen wir auf nichts mehr warten. Hier zeigt sich, daß die (quasi-religiöse) Idee des Netzes genau diese Öffentlichkeit ist, das Aufgehen des Individuums in eine "cloud", eine Geisteswolke - aus diesen gnostisch-esoterischen Ideen und Bildern heraus wurde es entwickelt. Wir versuchen aber heute so zu tun, als würde man ein Gesellschaft zum Schreien als Grundton erziehen können, um ihr gleichzeitig zuzusagen, daß man ihre Schreie gar nicht hört. Außer, man will es denn doch einmal. Ein unauflöslicher Widerspruch, der deshalb auch praktisch nie lösbar sein wird, weil er dem Wesen des (Massen-)Netzes entgegensteht. 

***Man kann über den bei der letzten Nationalratswahl in Österreich überraschend wenig erfolgreichen austro-kanadischen Milliardär (was immer das heißen mag) Frank Stronach denken wie man will. Man kann ihn mit Recht für einen ungebildeten Dummkopf, ja sogar schwache Persönlichkeit halten, der an seiner Eitelkeit gescheitert ist, und seine politischen Ideen für wirres Zeug. Aber darin unterscheidet er sich ja kaum von den anderen Parteien.

Tatsächlich gescheitert ist er ja nicht nur an der fehlenden Stringenz seines "Programms", dem geistige Durchdringung, Gedankentiefe, solide Durchdachtheit völlig gefehlt hat. "Köpfe" konnte Stronach nicht an sich ziehen, er selbst scheut sie wohl gar, und er hat sie deshalb auch nicht in seinem "Team" gehabt. Das hätte das "Team Stronach" also gar nie leisten können, was ihrem Führer fehlte. Und dem fehlte so ziemlich alles, was man von einem politischen Anführer voraussetzen sollte. Das wäre nur durch eine andere Gallionsfigur wettzumachen gewesen, die aber Stronach nie geduldet hätte. Die Art seines Irrtums ist dabei typisch: genau das, was er als seine Stärken vermeinte, sind seine Schwächen. Nicht zufällig scheint er gerade an seinen Lieblingsideen, die aus diesen Seiten eines verfehlten Selbstbildes stammen dürften, regelmäßig zu scheitern. Solche Charaktere tun ja meist besonders das mit besonderem Ehrgeiz, was sie genau nicht können. 

Stronach mag irgendwie gewußt haben, was er meint - er hat es aber nie darstellen, argumentieren können. Er hat sich aber auf ein Feld begeben, das er nie als Sieger verlassen konnte. Und zudem die Wirkung des Fernsehens, das eben keine persönliche Wirklichkeit transportiert, sondern diese auf eine andere Funktionsebene holt, völlig falsch eingeschätzt. Damit ist über ihn ganz sicher noch längst nicht alles gesagt. Aber das soll hier nicht die Aufgabe sein.

Diese liegt im Feststellen des erstaunlichen Umstands, daß er eine Idee vertrat, mit der er der Macht tatsächlich an die Gurgel gefaßt hätte, zumindest programmatisch. (Dabei hat er sich offenbar nicht einmal überlegt, wie sie praktisch umzusetzen wäre.) Denn in seinem Programm findet sich unter anderem die Forderung nach Abschaffung des Berufspolitikers (als jemanden, der von der Politik finanziell abhängt), samt einer Reduzierung des Nationalrats. Und DIESE, nur scheinbar so nebensächliche Forderung, deren im Grunde banale Korruptionsvermdigung (übrigens einer der definitiven programmatischen Fehler der Wahlkampagne - dies in einer Demokratie, deren Wesen Korruption ist, zu fordern ist unsinnig) weit übersteigende Tragweite Stronach nicht einmal selbst erkannt haben dürfte, hätte die Natur der Politik in Österreich verändert wie sonst nichts.

Es war nicht zufällig eine der ersten Forderungen der Solonischen Reformen in Athen, der keinen Politiker dulden wollte, der sein Ansehen und seinen Wohlstand erst der Politik zu verdanken haben würde. Nur gut situierte, angesehene und einflußreiche Bürger durften deshalb in den Senat gewählt werden, die ihre Tätigkeit unentgeltlich und rein um der Ehre willen vollziehen würden. Denn die Demokratie neigt aus ihrer Natur heraus zur Korruption, die aber keine Gesetzesschärfe (siehe Friedrich II. der Staufer) bekämpfen kann, die aus der Natur der Sache heraus rational, ja auf seltsame Weise "vernünftig" wird, weil im Spannungsfeld Vernunft, Pflicht und Notwendigkeit ethisch meist gar nicht abzugrenzen ist.

Solch ein Politiker wäre nicht von der Politik existentiell abhängig, er hätte nur "Ehre" als Motiv. Die beste, ja die grundlegendste Voraussetzung für einen (auch: demokratischen) Politiker, der damit aus der Wirklichkeit kommen muß, und aus dieser Erfahrung heraus jene Erkenntnisvoraussetzungen hat, um den "Geruch" der Dinge zu wittern, sie also wirklich zu kennen, noch ehe sie sachlich benannt, im Detail diskutiert sind. Denn alle Dinge fassen sich in einem einzigen prinzipiellen Punkt zusammen, den alleine es zu fassen gilt, um jede Verästelung zu erkennen. (Was dann ohnehin reine Fach-Spezialisten viel besser leisten können, denen aber genau solch ein Korrektiv fehlt.) Eine Forderung, die somit fast alles sonst aufwiegt. Schon gar, weil eine Reduktion der Agenden der Politik, die folgen würde weil müßte, ohnehin die sachlich-fachlich-funktionellen Anforderungen reduzieren würde. Gleichzeitig liefert diese existentielle Rückbindung an die Wirklichkeit des Volkes eine weitgehende Gewähr, daß sich die Politik die er vertritt nicht von diesem ablöst, das Volk also repräsentiert - nicht ideologisch "formt".
 
Diese im ganzen politischen Feld Österreichs einzig sichtbare tatsächlich das Land verändernde, weil die Politik an ihrer Wurzel packende Forderung (die dabei nicht einmal revolutionär, also umstürzlerisch ist, sondern sie quasi "von innen her" effizient verändert hätte) hat ihm nicht bekommen. Stronachs Partei schaffte nur knapp den Einzug in den Nationalrat, ganz gegen die vormaligen Wahlergebnisse in den Bundesländern, die doppelt so hohe Stimmanteile versprachen. Mit denen sich Stronach einen Einfluß auf die Regierungsgestaltung verschafft hätte, wie er ihn sich eben erträumt hatte. Er wurde zum einen besiegt durch einen konzertierten Aufruf der RegierungsparteiEN ... die sich an die Bestandsklammerer wandten, und den Pensionisten und Beamten und Staatsgünstlingen (zu denen auch gewisse Neoliberale gehören) Nicht-Veränderung der Strukturen, ein "Waschen-ohne-naß-zu-werden" versprachen. Das gab den Ausschlag, weil er sich aus obigen Gründen selbst als positive Hoffnung erledigt hatte. Er hat selbst die Tragweite seiner Forderung gar nicht verstanden, wie hätte er es den Menschen verständlich machen können? 

Er hat sie höchstens ... gespürt. Und das ist immerhin bemerkenswert.

Aber es bestätigt auch noch eine andere obige Aussage: Veränderungen in der Demokratie können nie von innen heraus kommen. (Stronach kam von außen.) Wer das glaubt, hat sie gar nicht verstanden, und wer es verspricht, lügt.

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(Hinweis: Der Verfasser dieser Zeilen hält sich an die Notwendigkeit des Kommentators und Beobachters, in beobachtete Vorgänge nicht mit Interessen involviert sein zu dürfen, als Lebensprogramm. Er geht auch deshalb schon seit Jahrzehnten nicht zu Wahlen.)




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