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Montag, 2. Dezember 2013

Königtum ohne Untertanen (2)

Teil 2) Wir stehen vor einer neuen Post-Völkerwanderungszeit




Der König war ab dem 9. Jhd., schon unmittelbar nach (wobei man sagen  müßte: mit; auch Europa trug bereits seinen Geburtsschaden²) Karl dem Großen, zur mythischen, abgehobenen, "landlosen" Gestalt reduziert, seine reale Macht war verschwunden (sofern er nicht selber über Länder verfügte, auf denen er quasi gräfliche Macht ausüben konnte), er konnte sich nirgendwo durchsetzen und mußte, um das Gesamtgefüge des Reichs zu halten, nach und nach und sehr rasch sämtliche Befugnisse (bis hin zur Abgabenhoheit, meist Naturalien, oder zum Münzrecht) an seine Vasallen abgeben. Ja, die Fürstentümer waren sogar durch die Primogenitur, die Erblichkeit in ihrem Bestand weit sicherer, und bildeten bis ins 19. Jhd. eine stabilere Struktur, als es König- und Kaisertum war, das in den Anfängen Europas zum Wahlkönigtum schrumpfte. In dieser Phase Europas aber kamen dem König die Untertanen abhanden, nur noch seine Vasallen, die Fürsten, waren als solche zu bezeichnen, er verköperte nur noch eine real recht schwache Staatsidee, an der freilich auch die Fürsten noch festhielten.

Dem König blieb nur ... die Kirche. Und zwar gar nicht in erster Linie realpolitisch, das ist ebenfalls eine verleumderische Verknappung mancher faktischer Situationen. (Gerade in dieser Zeit wurde mit der Kirche beliebig und brutal gewillfahrt.) Sondern als Hort und Quelle der Idee, die aus der Ekklesia, der Kirche als "Neues Jerusalem", dem Reich Gottes selbst stammt. Und ohne diese Kraft wäre Europa weder entstanden, noch hätte es sich zu dieser (relativen) Höhe entwickelt. Keine Idee der Welt vermag das, keine "Lehre". Dazu braucht es die Inkarnation der Wahrheit selbst, und wo immer sich solche "Kultur" aus einer Idee heraus zu entwickeln versucht, sucht sie instinktiv und sofort - die Anbindung an das Fleisch..

In dieser Zeit also entstand fast notwendig das, was wir heute als "Adel" bezeichnen, eine sehr europaspezifische Standesabgrenzung, die erst im 19. Jhd., im Europa der "Bürger", zu verschwinden begann. Das zentralistische Byzanz, der zentralistische Orient kannten eine Stellung des Adels wie in Europa überhaupt nicht. Die Beamtenschaft, aus der der Adel also eigentlich herauswuchs, hatte sich nie dorthin entwickeln können. Hier gab es bestenfalls "Thronrivalen". Daß sich die Macht des Königs auch in Europa allmählich wieder zu festigen begann, ja bis zum Absolutismus auswuchs, ist nicht zuletzt also eine Folge der Bedrohungen zentralistisch organisierter Völker, wie sie in den Magyaren und Mongolen, vor allem aber in den islamischen Staaten (Türken) bestand. Völker, die entweder keine Bodenwurzeln hatten, oder nie welche fanden.

Damit wird aber auch klar, daß der Adel, der in Europa entstand, mit dem "naturwüchsigen Adel" der Germanenzeit, der wirklich "von unten heraus", aus der Familie, der Stellung des Mannes und Familienvaters (Hausherren) heraus erwachsen war, nichts mehr zu tun hat. Dieser alte Adel überstand die völlige Neuumgießung seiner Bevölkerung nicht, er verschwand, blieb nur noch als Topos in Sagen und Legenden erhalten. Verdrängt von ehedem bodenlosen Beamten**, die nun vor allem eines wollten: Boden, "Häuser", Wurzeln.*** Die Grundstrukturen der späteren europäischen Entwicklungen und Konflikte (und Revolutionen) zeichen sich hier also längst ab. Aber noch mehr: Das metaphysisch-naturrechtlich fundierte Zusammenspiel von Kirche und Königtum.****





²Was soll uns das sagen? Daß es anders besser gegangen wäre? Daß wir ein perfektes irdisches Reich hätten aufrichten können - oder, noch schlimmer: aufrichten könnten? Nein. Sondern es soll auch hier das Einzige gezeigt werden,n was uns Menschen möglich ist: das Relative, immer Zeitbegingte, nie Perfekte, das uns Menschen NUR möglich ist. Europa hatte seine gewaltigen Höhen, keine Frage, im Rahmen des Menschen Möglichen eben. Aber was wir heute als Politik wahrnehmen, insbesonders in der Europapolitik, ist ein verzweifelter (und damit immer totalitärerer) Versuch "des letzten Stadiums" einer Kultur, sich noch einmal mit den ihr eigenen, weltlichen Mitteln "zu retten". Er ist ohne jeden Zweifel zum Scheitern verurteilt. Wie Novalis vor 200 Jahren schrieb: Es gibt nur Christentum UND (dieses) Europa, ODER das programmierte Ende dieser Kultur. Wir haben uns aber wohl schon entschieden.

**Wir haben es deshalb in der Gegenwart, einer Gegenwart der Totalverbeamtung (als Abhängigkeit vom Staat) von Kindheit an, nahezu "notwendigerweise" mit einer "Veradelisierung der Gesellschaft" zu tun. Jeder Einzelne hält sich heute für Elite und Adel. Kraft seines Geldes, der skills, der "Kraft zur Funktion" (als ob es auf diese nämlich ankäme).

***Es ist dieselbe Bewegung, die dem ab der Neuzeit, der Renaissance erstehenden Bürgertum, der Verlagerung von Macht auf Geld - ein abstraktiver Vorgang - zugeschrieben werden kann. Bis ins Detail lassen sich dieselben Vorgänge einer Neubildung eines (Macht-)Standes beobachten. Wenn im 16. Jhd. vielfach reichgewordene Bürger Schlösser und Burgen kauften und renovierten, wenn im 19. Jhd. reiche Fabrikanten (zu Baronen "geadelt") Paläste an der Wiener Ringstraße, neben Bankpalästen und Börsengebäuden, oder an den gleichfalls neu eröffneten Chaussees von Paris und Berlin errichteten, so lag ihnen vor allem daran, Wurzeln vorzuspiegeln und ... ihre Anbindung an das Fleisch, ihre Abstammung davon ... zu schaffen, bis zum Totenkult, in dem sich dies ausdrückt. Als Analogien zum Wesen der Natur. Und nach wie vor erhalten diese neuen Fürsten ihre reale Macht aus den Händen der Bevölkerung, die Lebenslasten nicht tragen kann oder will. 

***Betrachtet man die europäische Entwicklung ab ovo, sieht die gegenwärtige Verschränkung von Umständen, so stellt sich hier bereits die Frage, ob es der Menschheit heute überhaupt noch gelingen kann, ein "Reich" aufzurichten, das nicht von Anfang an ungerecht und falsch ist. Der Verfasser dieser Zeilen tendiert sehr stark, und aus vielerlei Anzeichen, die es ihm belegen, zu der Ansicht, daß sich für Europa (nur noch) zwei Wege abzeichnen: der zum apokalyptischen Zentralismus, mit der Folge einer technizistischen Zivilisation anstelle einer Kultur, und der zum völligen Zerfall auf (womöglich nicht einmal mehr) Familienebene, beides damit gleichbedeutend mit einem Totalverlust der Kultur, also in schlimmstes Barbarentum. Ja, am wahrscheinlichsten ist sogar - eine Mischform, wo eines im anderen besteht, diese Formen einander nämlich gar nicht mehr berühren sondern Parallelwelten wurden. Mit einer gottähnlichen Stellung des Zentralapparats und -herrschers. BEIDES widerspricht aber der Natur und dem Wesen des Menschen. Die flächendeckend kulturbildende Kraft der realen Kirche aber - der einzigen Chance, die Europa hätte - darf bereits in Frage gestellt werden. Die politisch-gesellschaftlichen Kräfte die so eine Reform bewältigen könnten, die Inkarnationen, sind ja bereits verschwunden. Wie im Rom der späten Kaiserzeit. Wenn Europa dieses Jahrhundert überlebt, dann wird es (fast) bei Null beginnen müssen. Und das macht die Situation der Gegenwart mit der Zeit der Völkerwanderung strukturell absolut vergleichbar. Macht aber zugleich klar, daß ein Untergang Europas nicht das Ende der Welt sein muß. Auch das, übrigens, hat man ja seinerzeit meist geglaubt.

Während der hier prognostizierte Zusammenbruch der "alten" Religion, als die die rationalistischen, materialistischen Wissenschaften als (nur noch fehlgehendes) Wahrheitsmedium zu bezeichnen sind (die Wissenschaften haben der Kirche quasi ihre Kleider gestohlen, die sie ihnen einst verlieh), zu einem Einbruch der irrationalen, mystagogischen und gnostisch-magistischen "östlichen Mysterienreligionen" (auch hierin: DECKUNGSGLEICH mit der späten Römerzeit) führt. 




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