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Montag, 2. Dezember 2013

Urform der Wirklichkeit in der Historie

Was sich in der (von Aristoteles erstmals in theoretische Form gebrachten) Dramaturgie ausdrückt, ist nicht einfach eine Technik der Bühne, des Schauspiels, sondern die Grundstruktur der Wirklichkeit. Und diese ist eine der Dreifaltigkeit, die Heinrich Beck in einem Dreischritt beschreibt: Heraustreten (durch Liebe, durch Willen) - Überantworten an die faktischen Weltstrukturen des Gegenüber, des Anderen - Rückkehr dessen, das aus dem Erfahrenen eine neue Synthese bildet, als neue Grundlage eines nächsten Aktes des Heraustretens.

Das vielfach geschmähte "happy end" ist das Gleichnis der Tatsache, daß alles Seiende ins Sein gebettet ist. Weil es aber nur Sein hat, soweit es eben am Sein Anteil hat, muß es in der faktischen Welt gereinigt werden, damit es als Gestalt erkennbar weil reiner sichtbar wird. Was im Drama also ausgeläutert wird und wegfällt, ausgeschieden wird, hatte kein Sein. Aber in dieser Umarmung durch das Sein wird die Wirklichkeit der Welt als das erfaßt, was sie ist: das Sein selbst.

Das macht das Drama zur Grundstruktur der Welt, bildet den Boden seiner Wiedererkennung in jedem Zuschauer. In seinem dreiteiligen Schritt, der sich in der Form des Fünfakters - in dem der dritte und vierte Akt dem ersten Schritt der Entscheidung zugeordnet sind, nur noch erkennbarer herausstellt. Im zweiten Akt bildet sich, im Gegensatz zum ersten, das Antithetische heraus. Während der fünfte die Folgen der Entscheidung für das Seinslose in ihre Katastrophe führt, auf der Grundlage einer Wende, der Peripetie, in der das Sein sich zurückmeldet, die Wirklichkeit der Abfolge der falschen Entscheidung nach dem ersten Akt einbricht. Das Falsche zerfällt nicht, weil seine Teile "falsch" sind, sondern weil es sich nicht zur rechten Ordnung gefunden hat - nur in dieser können die Dinge gegenwärtig sein weil über alles Faktische, Zufällige hinaus bleiben.

Auf dieser Struktur basiert das menschliche Erkennen aus dem Leben in dieser Welt. In allen Komplexitäten, die sich je nach Thematik und Problem in einer entsprechend umgestülpten oder feinsinniger und komplexer gestalteten Dramaturgie herausdestillieren. Weil der dramatische Dichter nur dort ansetzen kann, wo er selbst steht - in seiner Zeit. Die sich oft höchst subtil gegen ihre Erkennbarkeit wehrt. 

So zeigt die Dramenkunst das Wirkliche in der Gestalt der Zeit. Während das Drama selbst, als Ganzes, zum Sinnbild der Wirklichkeit selbst wird, die ein Ganzes ist, in der Vorsehung des Insgesamt göttlicher Vernunft. Wo sich der Sinn jedes Teiles, befreit vom Zufälligen der Geschichte, ZUR Geschichte geläutert erkennbar macht. Das Drama ordnet also (faktische) Weltwirklichkeit zur Wirklichkeit selbst. Abbildhaft.

Es ist die Struktur, die auch der Liturgie der Heiligen Messe zugrundeliegt, ja diese ist die Urform allen irdischen Geschehens, und damit die Urform aller dramatischen Kunst.* Aber in ihr wird das Abbild zum Urbild, wird die Wirklichkeit selbst, das woraus alles Wirklichkeit hat, Gegenwart. An der das weltliche Drama als Drama des Geschöpflichen nur teilhat, abbildhaft, als Analogie.

Ihm entspricht die Sonatenform in der Musik. Der die Fuge gegenübersteht, die das Spiel der reinen Form, des Seins, ausfaltet, das keiner Läuterung bedarf.**

Insofern ist es tatsächlich die Form, die den Inhalt eines Kunstwerkes bestimmt.



*Die Liturgie macht also die Quelle aller weltlichen Form präsent, die aber nicht ontisch in den Menschen eingeht, sondern von ihm Antwort als Abbild fordert. Insofern ist die Liturgie Tanz, ist Tanz die Urform menschlichen Bewegens und Welseins. (Wenn aber daraus folgernd "Tanz" expliziert wird, als Sonderform quasi, so ist dies eine kindische Tautologie. Wer wirkliche Liturgie erlebt, der erlebt sie auch in dem Moment, wo sich ihre Rhythmik erfahrbar macht. Was an vielen Priestern heute so schmerzhaft fehlt ist ihr Sinn für diese Rhythmik, sodaß die Liturgie zerfällt, durch Wortkaskaden und gar Regieanweisungen, Erklärungen aufrecht-, zusammenzuhalten versucht wird. In der abstoßenden Unsitte der "Jazz-Messen" - wie man das in den 1970ern nannte, wie es heute durch die unsäglich häßlichen Gitarrenmessen darzustellen versucht wird - liegt also ein Funke Wahrheit, die aber nicht erkannt, zu etwas tatsächlich Fremden, noch weit mehr sogar als Kulturfremden extrahiert wird. Ja, darin liegt sogar die Wahrheit wie verführerische Gefahr der echten Rockmusik einerseits, die prinzipielle Verfehltheit der elektronisch getakteten Musik anderseits, die den Menschen immer von sich wegführt und spaltet, letztlich in Trance mündet. Sie ist deshalb aus ihrem Wesen heraus nicht kunstfähig, kann höchstens Mittel der Darstellung des zu-läuternden-Faktischen sein, will sie nicht dämonisch sein, weil ihr das Sein fehlt.)

**Die Sonderform der Tragödie, und inwiefern sie nur eine Form des Dramas ist, soll hier nicht besprochen werden.





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