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Dienstag, 28. Januar 2014

Ein (grotesker) Nachruf

Nun ist er also gestorben. Kurt Krenn, geboren 1936, starb vergangenen Samstag im 78. Lebensjahr. Bemerkenswert die Zurückhaltung der Presse, und das ist wohl das Erfreulichste daran. Er steht vor seinem Schöpfer, und der beurteilt ihn als Mensch. Niemand sonst.

Aber immer noch hat der Verfasser dieser Zeilen den Eindruck, daß die Sache um seine Absetzung 2004 in einem Dunkel der Vermutungen gelandet ist. Die zu allerlei Dolchstoßlegenden Anlaß gibt. Eine davon ist die, daß Krenn immer mutig die Wahrheit verteidigt und verkündet habe, und deshalb sei er dem Bösen zum Opfer gefallen.

Das stimmt nicht. Das ist einfach nicht richtig. Und es macht umso mehr staunen, als der Träger dieser Entscheidung, der Papst (der nun sogar als "Heiliger" erkannt wird, schon vergessen?) höchstpersönlich, damit auf eine Weise in Frage gestellt wird, die gerade die Verkünder dieser Dolchstoßlegenden eigentlich explizit umgekehrt behaupten, weil „papsttreu“ an ihren Fahnen bleckt. Krenn hat, um es anzudeuten, schlicht als Bischof versagt, nicht regiert, und schließlich auf groteske Weise gar nicht mehr regiert.

Selbst an sich so deutliche Wortmeldungen, wie der seinerzeit vom Verfasser dieser Zeilen übersetzte, und vielfach veröffentlichte Artikel "Consvervative bishops - liberal results" können das gar nicht in Worte fassen, worum es da geht.

Krenn wurde NICHT abgesetzt, weil er die Wahrheit verteidigt hat. (Was im übrigen eine Zumutung so vielen anderen Bischöfen und Priestern gegenüber ist, dies so zu behaupten.) Und wenn es noch so viele glauben wollen. Er wurde wegen seiner konkreten Amtsführung abgesetzt, mit (manchmal geradezu grotesken) Details, über die zu schweigen die Diskretion, der Respekt vor der Person eines jeden gebietet. Es gab nicht „keine öffentlich bekanntgewordenen Gründe“, weil es keine gab, sondern weil man darüber aus Anstand schweigt. Aus einem Anstand, mit dem noch nach seiner Absetzung so mancher spielte, wie es ebe zu diesem Charaktertypus gehörte, der sich gerne der Stuation bediente. Was ans Tageslicht kam, über diesen seltsamen „Skandal“ im Priesterseminar, war deshalb nur Symptom, aber nicht einmal wirklich Grund, und nicht einmal wirklich Anlaß.

Aber Krenn war etwas anderes. Und deshalb, genau deshalb tun sich so viele schwer, ihn einzuordnen, irren darin oft so gewaltig, und genau deshalb bedauert nun sogar ein Dieter Chmelar im Kurier die ganze Geschichte, indem er von einem Gespräch mit dem ORF-Moderator Alfons Haider nach dessen Outing als Homosexueller 1997 erzählt. Krenn paßte wie die Faust aufs Auge auf den zweitwirklichen Katholizismus, der sich gerade in den letzten Jahren und Jahrzehnten gebildet hat, und der sich selber sogar gerne „konservativ“ nennt.Und er paßte deshalb wie die Faust aufs Auge auf die Homosexuellen-Charakteristik.

Der sich im Ondulieren von Wortkoteletten sein Tätigkeitsfeld sieht. Weil ihm das wahre, das ontologische Tätigkeitsfeld nämlich fehlt. Krenn ist deshalb auch ohne  "Erneuerungsbewegungen der katholischen Kirche“, die in Wahrheit fast ausnahmslos den vollzogenen Einbruch des Protestantismus in das Katholische bedeuten, nicht zu verstehen. Gerade in dem, was an ihm so „wohltuend“ gelobt wird, in seiner Noncharlance, seiner Leutseligkeit, seiner ... Formlosigkeit ... für die zu loben manche nicht genug kriegen können. Und die darin recht haben. Krenn war keinesfalls ein Freund der Gestalt, der Form, er war ein formloser, rationalistischer Funktionalist, er war ein Mensch der Zweitwirklichkeit, der - fast zufällig! Und als Mensch, der Karriere nicht gerade verachtete, weshalb aus seinem Freundeskreis (und das heißt immer, auch hier, Karriereseilschaft) so manche Figuren herausragen, die sich bei näherem Hinsehen höchst seltsam im Bild des „Verteidigers der Wahrheit“ ausmachen - in eine Situation geriet, die ihm die Möglichkeit zu einem gewaltigen Wortspektakel lieferte. Er bediente geschickt, und mit großer Intelligenz, die aber nicht immer Klugheit, und schon gar nicht „Weisheit“ bedeutet, dieses Kasperltheater. Das Wissen darum, wie man "richtig spricht", macht noch lange keine "Wahrheit" aus.

Es gehört zum Wesensbild solcher Menschen, genau zu wissen, was "katholisch" bedeutet, und es exakt als mögliche Position einnehmen zu können. Verbal. In sich natürlich völlig logisch. Manchmal auch gestisch. Krenn hat nie real mit der Wirklichkeit gerechnet. Krenn hat deshalb auch nie etwas (und nicht einmal, und das ist doch erstaunlich: wissenschaftlich) publiziert, auch das sah nur so aus als hätte er, andere haben es eigentlich getan - das hätte nämlich etwas anderem bedurft ... Krenn hat einfach bekannte Melodien auf der Orgel gespielt, und damit ... "bedient".

Die eigentlichen Opfer von Krenn sind deshalb gar nicht jene, die sich auch in "verzeihenden" Nachrufen als solche darstellen.  Die bleiben was sie sind - widerliche Nichtse, die gerade wieder einmal die Chance haben, sich als Etwasse vorzugaukeln. Die eigentlichen Opfer von Krenn sind ... weitgehend unbekannt. Und nach wie vor weigern sich sämtliche beteiligten Seiten, sie zur Kenntnis zu nehmen. Die eigentlichen Opfer waren die ... Schöpferischen. Die mit der Wirklichkeit auch umzugehen wußten, sie nicht nur verbal vorschützten.

Frage sich doch der Leser dieser Zeilen selbst einmal, warum gerade die hervorragendsten Priester der Diözese, gerade jene mit Menschenkenntnis, mit Sinn für Realität, damals, die gab es, die gibt es, nach ersten Kontakten weitere Nähe zum Bischof oder gar Ämter ... vermieden haben. Gar manche sogar kamen von auswärts, angelockt von den Worten, mit so manchen Versprechungen angezuckert, und gingen, ernüchtert ob der Realität; nicht besehen manche, die sich daraufhin sogar gegen Krenn absicherten, auch wenn sie als "seine Partei" galten, aber darüber nie viel redeten. (Namen sollen in derselben Diskretion, deren sich jene bedienten, verschwiegen bleiben.)

Ämter erhielten ohnehin andere. Diskretion auch hier. Wenn auch nicht ganz klagelos. Letztlich wurde das ja der mediengerchte Anlaß zum Sturz - in dem Krenn sich nur selbst gestürzt hatte.

Viele, die ihn von früher kannten, haben es ja schon während seiner Amtszeit nicht verstanden, daß er angefeindet, und vor allem: daß er als „konservativ“ angefeindet wurde. Von früher her hätten sie das bei ihm gar nie vermutet, ihn nie so eingeschätzt. Und wer ihn da so sah, bei einer Pfarrvisitation etwa, wie er beim fünften Bier unter den Leuten auf den Bierbänken saß, hätte alles sonst sowieso nie vermutet.  Dem wurde er nur irgendwie ... eigentümlich, sagt man so? Das "leutselig", mit dem sie es in der (seltenen, sehr diskreten) Erzählung bedachten, erhielt dann bald so eine eigene Note.

Aber Krenn bot die perfekte Antinomie für die Seinslosigkeit der Linkskatholiken, die in Wahrheit gar keine Katholiken sind. Er spielte exakt auf deren Ebene. Er bot ihnen jene rein verbalen Scheinkonflikte, die sie benötigen, um darin ihre Scheintheorien auszuwickeln und zu präsentieren.

Ist nie jemandem aufgefallen, wie viele ehemalige Protestanten, "Konvertiten", unter seinen "Verteidigern" waren? Weiß so mancher, der Krenn heute wie damals frank und frei zum "Märtyrer der Wahrheit" erklärt hat, wie die eigentümlich zurückhaltende Haltung des vormaligen Präfekten der Glaubenskongregation, nachmaligen Papstes Benedikt XVI., Gallionsfigur der Glaubenstreue, zu Krenn zu begründen wäre (sieht man von manchen kolportierten, aber im Original nicht nachweisbaren Zitaten ab)? (Getratsche diverser seiner Vorzimmerdamen sollen hier außen vor bleiben.)

War das alles, rund um Krenn, wirklich so einfach eine Sache zwischen Wahrheit und Unwahrheit? Zwischen Glaube und Unglaube? Oder läuft der Bruch in der Kirche, den es zweifellos gibt, nicht ganz woanders? Und zwar wirklich: GANZ woanders, wo er bis heute nicht wahrgenommen wird? Ja, was wäre, wenn Bischof Krenn überhaupt der Sache der Wahrheit geschadet hätte, indem er eine Spur legte, die ganz seltsam im Nirgendwo endete, der aber viele nachgelaufen sind?

Wir wissen es nicht endgültig. Gott weiß es. Wir wissen nur manches.

Etwa daß das, was sich da überhaupt in St. Pölten abspielte, war von Anfang mit Sicherheit an ein Theater der Zweitwirklichkeit war. Die eine gerade für die vielen braven Katholiken, die es in der Diözese St. Pölten gab (und gibt), eine seltsame Folge hatte - die Wahrheit mit Unwirklichkeit zu identifizieren. Die Menschen in der Diözese - der Verfasser beruft sich auf eigene Beobachtung und Erfahrung, er war gerade in dieser Zeit sehr viel in vielen Pfarren vor Ort, hat mit vielen Pfarrern gesprochen: Ursprünglich war die überwältigende Mehrheit "für" ihn, aber sie war bald irritiert, und die Stimmung kippte binnen weniger Monate - haben sich schließlich von ihm abgewandt, weil sie (unbewußt) gemerkt haben: da ist eine eigentümliche Leere, eine Kluft zwischen Worten und Taten. Da ist etwas Unwirkliches an ihm. Es geht um die wirkliche Wirklichkeit selbst, nicht um diesen seltsamen Scheinkonflikt, auf den alles gehoben wurde. Krenn handelt wie jemand, der den anderen in die Schizoidität führen will. Wo Wortwelt und Behauptung mit sinnlich wahrgenommener Wirklichkeit nicht übereinstimmen. Chmelar bejubelt GENAU DAS.

Es geht und ging nicht einmal - ja, mancher möge da staunen - um die richtigen „Worte“. Es geht um weit mehr. Denn das Wort ist Fleisch geworden, es ist fleischgewordene Wirklichkeit, nicht schizoider Logizismus, der Gestalten simuliert. Zwischen Wirklichkeit und „expressiver, wörtlicher, logischer Wahrheit“ klaffte bei Krenn ein riesiger Abstand. Sein reales Handeln war deshalb völlig anders, ja geradezu das Gegenteil von dem, als es sein von der Presse gierig aufgesogener Mund verkündet hat, der ja nie etwas anderes als Wortwirklichkeit sucht. Denn Journalismus gibt es heute gar nicht mehr. Nur noch Wortspeiertum, Wortsimulanten, als Riege von Masturbanten. 

Es gab immer wieder Leute, die sich als "Opfer" von Krenn darstellten, die das überhaupt nie waren, für die aber diese Gesamtsituation höchst willkommene "Rechtfertigung", ja die Einordnung in einen Gesamtzusammenhang von "Wichtigkeit" lieferte.

Das alles stößt in einer Situation wie heute, wo Zweitwirklichkeit zum despotischen Ungeheuer wurde und wird, oft an Grenzen des Sagbaren. Da helfen oft keine Worte mehr. Da ist nur … Gewißheit, so wenig die sagbar ist. Gerade Menschen mit klarem Kopf, die der Verfasser dieser Zeilen selten aber doch gefunden hat, haben diese komplexen, schizoiden Situationen erkannt, und sich abgewandt. Still, leise, diskret in den allermeisten Fällen, so wenige es gab. Denn Krenn war natürlich Anziehungspunkt gerade für so manche Scheinfrommen, denen er gern gesehener, gesuchter Lieferant von Gewißheiten in ihren starren Gebäuden des Scheins war.

Oh nein, hier soll nicht jemandem ins Grab nachgespuckt werden. Bischof Krenn möge in Frieden ruhen. Gebet für jemanden heißt ja gerade, ihn aus seiner Position „zu entlassen“, nicht bannen zu „wollen“, was er (irgendwie) war. Hier soll nur auf etwas hingewiesen werden, das jetzt wie damals als Problem noch immer der klaren Rezeption harrt, in der heutigen gemeiniglichen Form von "öffentlichen Meinungen" aber gar nie auftauchen wird, weil es im Wesen ganz anders liegt, auf Medienebene, auf Ebene der Natur eine Bildschirmtextes (etc.) gar nie abgehandelt werden kann. 

Das aber auf eine völlig andere Weise, als so vielfach geglaubt, tatsächlich zu einem Prüfstein der Wahrheit wurde. Wie oft schon hier gesagt: Das Kriterium der Lüge ist nicht die verbal nicht deckungsgleiche Wortlandschaft. Es ist ... Fleisch. WIRKLICH.

Könnte es also nicht sein, daß seinerzeit, die "Sache mit Krenn", so ganz anders war, als sie bis heute in der Öffentlichkeit abgespielt wird? Daß Krenn über etwas gefallen ist, was in der gesamten Diskussion überhaupt nicht vorkam - weil es Kriterien der Wirklichkeit betraf?

Gott kennt alles. Auch alles, was sich hier abgespielt hat. Er ist der gerechte Richter. Weil er das Sein ist. Kurt Krenn möge einen barmherzigen Richter finden. Eine Hoffnung, die uns alle und immer bewegen sollte.




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