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Sonntag, 26. Januar 2014

Hauptziel der Bildungspolitik verfehlt

Auf eine interessante Lektüre stieß jüngst der Verfasser dieser Zeilen. In einem ersten Einblick machte er Bekanntschaft mit dem Buch "Bildungspolitik und soziale Ungleichheit in der DDR - Möglichkeiten und Grenzen einer gegenprivilegierenden Bildungspolitik" von Ingrid Miethe. Denn die DDR hat ja tatsächlich in ihren Anfängen versucht das durchzuziehen, was heute westliche Bildungspolitik nachzuhüpfen versucht. Ohne zu sehen, ob sie nicht schon aus der Geschichte lernen könnten; heute wissen ja alle alles besser.

Die marxistische Bildungstheorie und Anthropologie geht von der Prämisse aus, daß das Dasein des Menschen ausschließlich vom Milieu geprägt wird. Also muß man, um eine Gesellschaft der Gleichen zu erreichen, die Milieueinflüsse der traditionellen Herkunft (hier: Eliteschichte) zerstören. Und sei es mit - Gegenprivilegien. Das hießt, daß in der DDR, dem Arbeiter- und Bauernstaat, tatsächlich Kinder aus Bauern- und Arbeiterumfeld in besonderem Maß gefördert wurden, höhere Bildungsgänge zu durchlaufen. Während es den Abkömmlingen herkömmlicher Bildungsstände gegenteilig erging, sie hatten mit zahlreichen Hürden zu kämpfen, oder wurden gar für Nicht-Bildungs-Berufe "ausersehen".* Dasselbe galt für die Erwerbstätigkeit von Frauen. Das System der Kinderkrippen in der DDR dürfte ja von heutigen Politikern als vorbildlich angesehen werden.

Diese "positive Diskriminierung" hatte tatsächlich Effekte. Ab den späten 1960er, frühen 1970er Jahren war der Bildungsstand quasi ausgewechselt. Nun waren es also Kinder ehemaliger Arbeiter und Bauern, die als Ärzte, Lehrer, Forscher, Ingenieure die Elite des Landes bildeten.

Doch was ist dann passiert? Bereits in den späten 1970er, frühen 1980er Jahren hat sich ein interessantes Phänomen herauskristallisiert. Die Kinder dieser neuen Elite waren neuerlich tief von ihrer Herkunft geprägt. Wieder waren es also Bildungsschichten, deren Abkömmlinge die neuen Bildungsschichten stellten. Es stellt sich heraus, daß für den beruflichen Fortgang im besonderen die Verbindungen und Kontakte des Elternhauses von entscheidender Bedeutung waren. Wieder war ein extrem hoher Prozentsatz der Studierenden und Bildungsberufler durch ihr Herkunftsmilieu geprägt.

Das Hauptziel, eine quasi "neutrale" Streuung der Bildungsschichte bzw. deren Herkunft, war schlicht und ergreifend nicht erreichbar. Man hatte nur eines erreicht: Die Elite auszuwechseln. Aber was sich dann bildete, war neuerlich eine Elite, mit denselben soziologischen Erscheinungen und Standesdünkeln wie jene, die man auslöschen wollte.

Mit einem entscheidend veränderten Faktor freilich, der in sämtlichen dazu beobachteten Diskussionen, auch in o. a. Buch, leider kaum einmal Gewicht findet, und das ist selbst bereits Ergebnis des zu Sagenden: Daß nämlich Bildung eben nicht einfach Sache der "Ausbildung" ist, sondern eine Angelegenheit der Gesamtpersönlichkeit. Das heißt, daß diese neuen Bildungsschichten sämtlich das Verhalten der "homini novi" zeigen, das Verhalten und die Wurzellosigkeit von Emporkömmlingen. Das prägt sich zutiefst in der inneren Natur des Geistesleben eines Landes aus! 

Für Emporkömmlinge (diesen Stils) ist Bildung PER SE ein Instrument, ein Werkzeug des gesellschaftlichen Ranges,m ja eine Waffe im Kampf um Anerkennung, um Erreichen dieses bildungsfernen (!) Zieles - des sozialen Aufstiegs, des Kampfes "gegen die, die über mir sind". 

Weshalb auch im Ostblock - der Verfasser, der ja in diesem seit vielen Jahren wohnt, beobachtet das immer wieder - die Bedeutung offizieller, formaler Ausbildungswege und -zertifikate ENORM hoch ist. Noch höher, als ohnehin bereits im Westen. 

Der Siegeszug des mechanistischen Weltbildes ist nicht zuletzt auf diese "Aufweichung" der akademischen Schichten, auf diesen neuen, weil immer vom Charakter, der Persönlichkeit geprägten Denkstil (der ja immer Ausdruck der Person, und damit ihrer Traditionen, ihrer Herkunft, ihrer sozialen Beziehungen etc. ist) zurückzuführen.

Was Volkmar Weiss darin (indirekt) sieht ist nunmehr noch Folgendes: Er sieht einen Abfall der (durchschnittlichen) Intelligenz eines Volkes. Das, wie er zu belegen meint, einen gewissen Prozentsatz hochintelligenter Elite benötigt, sonst kann es seine historischen Aufgaben nicht mehr lösen. Weil er (ein ehemaliger DDR-Wissenschafter) Vertreter der These ist, daß Intelligenz (als Problemlösungskraft) prinzipiell genetisch vererbt wird.**

Das ist der eigentliche Grund, aber auch die Berechtigung, ja Teil staatlicher Bewahrungspflicht aus Willen zum Überleben, warum Bildung (samt einer später entsprechenden Berufsausübung) auch im Westen nach wie vor eine Angelegenheit der familiären Herkunft ist. Was die DDR gemacht hat war also eine selbstverursachte Schwächung der intellektuellen Leistungskraft ihrer Eliten. Denn immer waren die Grenzgänger, die die Grenzen ihres Herkunfsstandes nach oben durchbrachen, eine Minderheit. Aber es gibt keinen Grund, das als gesellschaftlichen Mangel zu definieren.




*Denn Beschäftigung hatte natürlich jeder im Kommunismus. Nur, wie eine Ostdeutsche es dem Verfasser gegenüber einmal ausdrückte: Wir hatten Beschäftigung. Nur keine Arbeit.

**Der Verfasser dieser Zeilen wird an dieser Stelle darauf noch näher eingehen. Vorerst meldet er nur seine Bedenken an, weil sich hinter solchen Aussagen seiner Ansicht nach ein mechanistisches Bild der Genetik verbirgt. Doch stimmt er zu, daß eine gewisse Haltung zur Welt, daß vor allem eine Grundhaltung des "geistigen Aktivitätsniveaus" - und damit Intelligenz, die sich vor allem darauf aufbaut - sehr wohl vererbt wird. Man kann also geistige Menschen (und hier melden sich bereits die Schwierigkeiten mit dem Intelligenz-Begriff, denn Intelligenz als reine Denkaufgabe verstanden, ohne Sittlichkeit, die sie zum Geist hebt, ist schädlich und ein Verderben für ein Volk) nicht oder nur kaum heran-erziehen, man kann aber für folgende Generationen die Sittlichkeit für den Geist vor allem an sich selbst mit viel Klugheit "erziehen". Der Volksmund wußte früher, daß dieser "Aufstieg" die Arbreit von drei Generationen ist. (Als Abbau freilich in einer Generation erledigt wird.) Das heißt auch, daß es dazu die Herkunft, die Familie braucht. Nicht primär "Bildungsstätten". 

Was sogar zur Frage führt, ob die historischen Entwicklungen in Deutschland, die einen gewissen (technizistischen) Volkscharakter hervorgerufen bzw. zur Grundlage haben, nicht auf eine bisher nie bedachte Weise (vielleicht noch bei Eric Voegelin finden sich solche Gedanken, die sich freilich auch aus Dilthey etc. etc. ableiten ließen) mit der Einführung der Schulpflicht in der Art, wie es ab dem 18. Jhd. geschehen ist - als Frucht der Aufklärung mit aufklärerischer Intention, nur möglich in einem zentralistischen Gemeinwesen, zu dem Deutschland (v. a. Preußen und Österreich) wurde - zu tun haben. 

Und warum heutige deutsche Bundesländer mit vormals "reaktionärer" Regierung (und nach wie vor, wenn auch überall schwindendem "reaktionärem" Geistessockel), die sich wie Bayern bis ins tiefe 19. Jhd. gegen diese "Modernität" gewährt haben, nach wie vor die höchsten Werte bei Intelligenzmessungen (eine Datenreihe, vollständig wie kaum eine - durch die Stellungskommissionen) haben. 

Denn man spricht zwar heute von Bildungswesen, vergißt dabei aber, daß dieselbe Institution auch VERbilden könnte. Vergißt, daß wir in der Pädagogik zwei fundamentale Richtungen im Widerstreit haben, deren eine, die hier als traditionell-abendländische bezeichnet werden soll, bereits im völligen Schwinden ist. Zwei völlig unterschiedliche, vor allem aber UNVEREINBARE Anthropologien stehen hier gegeneinander! Die Pädagogik der Gegenwart steht keineswegs in der Tradition des Bildungsbegriffs des Abendlandes, sie interpretiert sie bestenfalls völlig um.

Was im Umkehrschluß nichts anderes heißt als daß wir durch unsere heutigen Schulsysteme als Generalintention die nachkommenden Generationen gezielt verdummen. Dafür spricht der seit Jahrzehnten beobachtbare, auch von der UNO festgestellte (aber ob seiner Brisanz kaum öffentlich gemachte) Niedergang des IQ der europäischen Bevölkerungen, die nicht einfach nur auf Einwanderung aus Ländern mit niedrigerer Durschschnittsintelligenz als hier (wenn auch: auch) zurückzuführen ist.  Der Verfasser kann eine Menge (Fach-)Literatur nennen, wenn der Leser es wünscht, die diese Aussagen belegen.

Wobei nicht über jede einzelne Schule hier er Stab gebrochen werden soll. Die Frage ist aber, wie lange sich einzelne Institute (wie manch wenige kirchliche Internate) gegen ein Zentralsystem, zu der etwa eine Zentralmatura ein wichtiger Schlüssel ist, überhaupt wehren können (und leider längst: ob sie das überhaupt wollen). Es kann auch keine Frage sein, daß die noch einmal aufblühende Kultur im (v. a. süddeutschen) Barock des 17./18. Jhds. fast ausschließlich eine Frucht und Folgewirkung der (damals, im Gegensatz zu heute!) äußerst klugen Pädagogik der Ordensschulen (v. a. der Jesuiten, dann auch der Benediktiner) ist. Die Jesuiten zu vertreiben war ja, was man leicht vergißt, eine Niederlage des abendländischen Kulturkampfs, der sich v. a. seit dem 15./16. Jhd. im Humanismus aus der Renaissance heraus zugespitzt hat.

Es wäre damit auch kein Zufall, daß sich eine Zentralmatura (-abitur) in seit Jahrhunderten zentralistischen Ländern wie Frankreich bereits am längsten vorfindet. Länder, in denen sich damit auch nicht zufällig als Gegengewicht eine weit größere Bedeutung (wie vermutlich auch Autonomie) einzelner Schulinstitute (privater Natur) beobachten läßt - als Brutkästen der Eliten (mit ihrer spezifischen gallikoten Färbung). 

Nicht unerwähnt darf an dieser Stelle aber eine wichtige Facette werden: Daß nämlich der Niedergang der Bildung, der auch von den gegenwärtigen Verantwortlichen bemerkt wird, auf groteske Weise "Haltet den Dieb" ruft - und dabei jene letzten Reste von Bildungskraft meint, die noch existieren! Die aber von der "Reformpädagogik" der Gegenwart zum Generalschuldigen erklärt werden. Um so die letzten Barrieren, die der Volksverdummung entgegenstehen, ebenfalls niederzureißen. Nicht jeder also, der ruft, daß das Bildungssystem versage, meint also "Bildung"! Ja, viele gerade "Gutmeinende" verlangen die Demontage der letzten Reste, verlangen den endgültigen Siegeszug der alles zerstörenden und die Gegenwart so kennzeichnenden Rousseau'schen Ansätze. (R. Spaemann bezeichnet Rousseau völlig richtig als den Prototypen des heutigen Menschen.) Wer etwa den jüngsten Film von Erwin Wagenhofer "Alphabet" hernimmt, sieht dort exakt "Rousseau" als Packungsinhalt. Ohne es zu wissen, fordert der Filmemacher damit genau das, und in Reinform, was Bildung zersetzt und ohnehin bereits Fundament der gegenwärtigen Pädagogik ist, ja der Grund für ihr Versagen ist.

Der Grund ist dabei sehr einfach, und er ist es tatsächlich: Denn das ist die Pädagogik die jene vertreten, die das Entscheidende scheuen: Die Hand an sich selbst, an ihren Geist zu legen. Es ist die Pädagogik der Acedia, der geistigen Trägheit. Weil Geist Fleischlichkeit verlangt, das ist sein Wesen: Form zur Gestalt. Damit aber begänne das Kreuz. Deren täuschendstes Gewand - Vieldenkerei, Vielrednerei, ja ... "Intelligenz" ... als Simulation von Geist ist. Geist ist aber eine Frucht des Kreuzes.

Das geht natürlich von einem anderen Geistbegriff und einer anderen Anthropologie aus, als sie die meisten Genetiker, die den Menschen und damit Intelligenz, Denken als Effekt einer biologischen Zellmaschinerie sehen, heute (wissend oder leider meist unwissend) vertreten. Wie gesagt - demnächst gewiß noch mehr in diesem Theater.

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