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Mittwoch, 19. Februar 2014

Filmempfehlung

Einer der besten Filme der letzten Jahre, die der Verfasser dieser Zeilen gesehen hat, ist der aktuelle Film unter der Regie von Ridley Scott, "The Counselor".

[Der Verfasser dieser Zeilen empfiehlt, den Film erst anzuschauen, und die nachstehende Ausdeutung erst hinterher zu lesen.]

Ein Film, der seine Aussage auch formal bis ins Letzte durchzieht. Er zeigt eine Welt, die in ein irrationales, unbekanntes Geheimnis eingegliedert ist, das nur durch den Menschen entstanden ist, und jeden, der sich in einem einzigen Moment der Schwäche, der Verführtheit an ihr beteiligen, von ihr naschen möchte, in einen Abgrund reißt. Tritt man einmal aus der Welt des Guten, weil man meint, einmal mit dem Bösen kokettieren zu können, nur einmal, weil man nur kurzfristig, nur einmal eben seine "guten" Seiten möchte, gibt es durch seltsamen Zufall, in dem alles Böse seine Netze gestrickt hat, bald kein Entrinnen mehr. Und man erkennt sie, die Hölle, irrational, in Verzweiflung weil ohne Aussicht auf Vernunft. 

Großartige, äußerst kluge und tiefsinnige Dialoge, das Werk des Drehbuchautor Cormack MacCarthy, von realistischen, glaubwürdigen, wunderbar gezeichneten Figuren getragen, die entsprechend gut gespielt werden, erzählen aber schon nach wenigen Minuten, daß es hier um einen außergewöhnlichen Film geht. Weil nur aus Wahrheit heraus auch so gespielt werden kann, sodaß das aufbricht, was man als Schauspieler gar nicht machen kann: Ein wahrhaftiges Umfeld, das das nötige Licht wirft. Der Verfasser dieser Zeilen hat ihn sich sofort noch einmal angesehen, was kaum je vorkam, und wie bei einem guten Buch wird dann seine volle Gestalt noch begreifbarer, weil das Licht dann auch in die Rückseiten der Säulen gelangt, wo zuvor noch Schatten war, damit jedes künstlerische Werk auf seine volle Ebene hebt (freilich, manchmal genau dadurch als Blendwerk entlarvt.) Eine Ebene, die dieser Film erreicht, ob bewußt oder unbewußt tut nichts zur Sache, weil Wahrheit sich als Formgefühl in die Welt entfaltet.

Was der Film nie ausspricht ist es, was sich mehr und mehr als sein tragender Grund erweist, den man in der Frage nach der Bedeutung der Dinge - so wie im Leben - selbst zu beantworten beginnt. Er macht es nach und nach greifbar, aber man begreift auch das Unaussprechliche, warum es nie ausgesprochen wird: Als das tief Böse, das alle Grenzen überschreitet. Das Menschen in die Welt tragen, verwoben zu einem Schwarzhintergrund zur "normalen" Welt, deren Grenzen zum Nichts, zur Vernichtung lediglich zarte Jungfernhäutchen sind. Plötzlich werden sogar ganze Länder, ja Erdteile als in diesem Sumpf der Verzweiflung steckend erahnt, aus dem sie keine Ordnung je herausgeholt, in die sie hingegen menschliche Schwäche gestoßen hat. Wer je noch normal lebe möchte, der flieht, weil er vor dem Bösen flieht, das zum realen System geworden jede Luft zum Atmen nimmt.

Wie viel Scott/MacCarthy vom Bösen begriffen haben dürften, zeigt genau die Art, wie sie es zur Sichtbarkeit bringen. Weil es noch einen Rest von Sein (im Seienden) hat, zeigt sich das Böse in der Welt nur in kleinen und kleinsten "Spitzen", die sich fest mit "Normalem", an sich Gutem verbunden haben, sogar Alltäglichkeit als Träger benutzen weil brauchen. Um daraus umso leichter, und dabei so wenig spektakulär, ohne Hinkefuß oder Schwefelgeruch und ganz leise hervorzubrechen. (Obwohl die Hölle - großartige Szene!, ja die Schlüsselszene, so unscheinbar sie wirkt - tatsächlich stinkt, als sich ein Blick in sie auftut.) Die Hölle lächelt, solange sie um ihren Sieg weiß. Ja, nichts lächelt so lieb. Sie zeigt darin ihre Analogie zum Wesen aller Dinge, die im Maß ihres Selbstseins, als Anteil am Sein, Freude haben. Der Film ist durchzogen von einer seltsamen Heiterkeit, die genau eben nicht der Zynismus simplen Moralismus' ist.

Nie aber wird etwas erklärt, so wie sich das Leben aus den Dingen heraus auch nie erklärt sondern nur eine Oberfläche zeigt. Zugleich jede plumpe Geheimniskrämerei vermieden. Alles kommt so natürlich! Aber wir sehen eben nicht die Dinge, wir sehen ihren Sinn. Und so wie im Leben der Sinn, der Hintergrund erst im Nach-Denken erkennbar wird, weil er den Rahmen einfacher Phänomene übersteigt, wird auch die Geschichte der lange suchenden Phantasie erst allmählich klar. Bis einem der Atem stockt, weil man sie begriffen hat, und man schließlich sogar die wahren Träger des Bösen erkennt, obwohl man nach wie vor nur auf sein eigenes Erkennen vertrauen kann, nicht einmal dann wird etwas erklärt, selbst dann muß man selbst deuten. Als man sieht, wer um die volle Tragweite des Geschehens weiß.

"Niemand ist so grausam wie der Feigling. Und Sie werden Feiglinge sehen, wie sie jedes Vorstellungsvermögen übersteigen." - "Das ist etwas mehr Information, als ich haben wollte," antwortet daraufhin der Investor. Alle wollen es nicht wissen, alle wollen nichts wissen, denn aus dem Wissen erwächst erst die Erkenntnis dessen, was passiert, und dann müßte man sich gegen das entscheiden, was man gerne doch verkostet hätte. Das Einzelne steht im Vordergrund, herausgelöst aus dem Insgesamt, dem Hintergrund, der aber alles zusammenhängen und deuten würde. Das Jungfernhäutchen, das die Welt vom Bösen trennt, ist ... Gewißheit um die wahre Natur der Dinge, die sich aus dem Gesamthoriziont ergibt. Deren Kraft niemand entkommt, sobald sie durch Wissen entfesselt ist, das sie aus der Beziehungslosigkeit, sogar der Belanglosigkeit zurückstellt in die Deutung.

Und plötzlich wird der durchsichtige Diamant in seinem Wert erkennbar ... wird zu einer manichäistischen Aussage: Was von der Welt sichtbar ist, ist nur das Böse. Denn die Welt selbst ist böse. Licht ist in ihr nicht enthalten, sie läßt es durch, hält es aber nicht fest. Er wird nur an den Fehlern erkennbar. Die Kriterien des Diamants sind die des Bösen. Dem Manichäismus (vereinfacht: der Leibfeindlichkeit) ist die sichtbare Welt böse - die Welt des Bösen ist manichäistisch abgespalten. Nichts tröstet in dieser Welt, die wie eine Zweitwelt neben der der Liebe und des Nichtwissens besteht, die sich als Ganzes mit der Grenze, die allem Ganzen wesentlich zubehört, nur hält, solange sie ineinander verschränkt und aneinander gesättigt bleibt. Und solange man nicht das Tor der Lüge öffnet. Genau dort beginnt der Film: Da war einmal ein Mann, der log seiner schönen Frau vor, daß er Erfolg, Geld und keine Probleme habe. Und sie glaubte ihm, weil sie das Glück viel zu sehr wollte, um es der Wirklichkeit auszusetzen. Da waren einmal zwei Feiglinge.








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