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Mittwoch, 26. Februar 2014

Kraft der Destruktion

In einem Punkt muß man dem Artikel in der Presse rechtgeben - Facebook ist eine politische Waffe. Aber das Fatale daran ist: Sie ist es durch seine destruktive Kraft. Das ist der entscheidende Unterschied zu früheren Formen politischen Wirkens. Denn niemand bestreitet zwar die faktische Präsenz von Facebook. Aber sehr wohl ist seine konstruktive Kraft zu bestreiten. Die "Macht" von Facebook (hier als Synonym verwendet, auch für die sogenannten social media) wird somit nur aus seiner quantitativen Verbgreitung abgeleitet, sie ist sogar ausschließlich der Erfolg einer Marketingstrategie, die es geschafft hat, einen irrationalen Mythos zu implementieren. Er beruht auf der Überzeugung, daß der quantitativen Vertreigung auch reale Macht zugeordnet wäre. Aber was sich hier "Macht" holte, war nicht die Macht des Wirklichen, sondern die, an diese bestimmte Form von Kommunikation ALS KOMMUNIKATION zu glauben. Die wirkliche Wirkebene von Facebook (...) liegt aber ganz woanders, seine Absicht sowieso: Denn sie war bereits aus dem Habitus heraus konstruiert, realer Kommunikation auszuweichen. Und diese Schwäche zu argumentieren - mit "Vorteilen", mit der Behauptung seiner Betätigung ALS - bestimmte - Kommunikation. (Gleicherweise könnte man sagen, daß JEDES Tun eines Menschen Kommunikation wäre; das ist es nämlich. Aber was sagt das aus?)

Und genau diese Absicht verwirklicht Facebook (...) Denn es zerlegt die Kommunikation, das menschliche Miteinander, und hebt es auf eine rein ideelle Ebene, auf die Ebene bloßer Gedanken (und das betrifft AUCH die Bilder u.ä., die man auflädt, denn auch Photographien, zu der jedes hochgeladene Bild wird, funktionieren nur durch vorangehende Übereinkunft, sie beziehen sich immer auf andere Ebenen der Wirklichkeit) - die der Zweitwirklichkeit. Jedes Element der Zwischenmenschlichkeit wird darüber gespiegelt, und darauf reduziert. Denn das ist das Wesen jedes Werkzeugs: daß es aus seiner eigenen Logik heraus zurückwirkt. Und die Mitmenschlichkeit tatsächlich auf diese Ebene der Meinungen herabdrückt, die weil in der Form des Worts zum rationalen Kampf um Wahrheit wird. Der jede Öffnung zur Wirklichkeit hin, die eine Selbstauflösung (und sei es nur für einen Moment) der "Meinung" als verfestigtes Instrument des Wirkens verlangt, zur existentiellen Gefahr wird.

Alles aber auf diesen Plattformen ist eine ideelle Konstruktion. Darauf bildet sich eine zweite Welt, die die erste, die der wirklichen Wirklichkeit, unweigerlich zu überlagern beginnt. Deshalb "funktioniert" Facebook nur deshalb so, wie es funktioniert, weil es auf einer allgemeinen Übereinkunft beruht, diese idealen Bilder für wirklich zu erklären, und der Konstruktion des anderen zu folgen. DAS ist der eigentliche Erfolg von Facebook: diese Überzeugung, diese Meinung verbreitet zu haben. Sodaß sich tatsächlich alle so verhalten, als würde über Facebook (social media) wirkliche Beziehung herstellbar (weil ideell konstruierbar), aufbaubar oder erhaltbar sein. Wenn dies gelingt, so bleibt es aber Zufall, und nur dort möglich, wo der Hunger nach Wirklichkeit denn doch durchbricht.

Deshalb wird auch alles, was "über Facebook (...) gespielt" wird, auf diese Ebene des Ideellen gedrückt. Dann wird Religion zur "Überzeugung", weltanschauliche Haltung zur "Meinung", Gedankenaustausch zum rationalen, logizistischen Kampf. Dem eine eigentümliche sinnliche Erfahrung zugrundeliegt: Die der Manipulierbarkeit alles Begegnenden (!), und die der substantiellen Flüchtigkeit der Welt überhaupt. Sinnlich ist alles, was kommt, ein bloßes Flackern, es hat keine haptische Qualität, ist kein "Ding", sondern eben nur flüchtige Behauptung. Gedankenaustausch über Bildschirm bringt deshalb zwangsläufig auch den Abbau des Respekts vor dem Gegenüber, dieser wird nur noch behauptbar, ideell. Es verliert sich jedes Gefühl für Eigentum (Urheberrechtsstreits wie -verletzungen haben ihre Inhalte und Ursachen in der Art des Mediums selbst), weil die Zubehörigkeit von Äußerung und Mensch sich nahezu auflöst, einerseits, anderseits ein Charakter unterstützt wird, der alles was "in ihm" abläuft auch für "eigen generiert" hält. Auch dies also löst das Zu- und Miteinander der Menschen auf, weil ich die Wichtigkeit des Gegenüber - ja, das Geschenkhafte der Sprache, des Denkens, der Wahrheit - gar nicht mehr erfasse und zuordne.

Nun stellt der Verfasser dieser Zeilen immer wieder etwas Erstaunliches fest: Wie gut sich oft mit Menschen auskommen läßt, solange sie nicht über Meinungen zu streiten beginnen, sich nicht in Ideen verhaken und darüber (gar noch: alleine) identifizieren. (Genau das aber passiert bei diesen Medien.) Denn darüber zerreißen plötzlich die angenehmsten realen Verbindungen. 

Was daran wäre nun das Bessere, das Wahrere? Die gute Verbindung, das "gute Verstehen" über alle Meinungsgrenzen hinaus? Oder die erbitterte Austragung der Meinungsstreits, um so erst nach erzielter Einigung auch zwischenmenschlich in Einheit zu treten?*

Wenn die Zwischenmenschlichkeit aber auf der Ebene der Meinungen abläuft, kann es nur Sieger und Besiegte geben. Gewinner und Verlierer. Das Paradoxe daran ist, daß die Meinungsfreiheit, die zur Grundlage dieser Meinungsbildungsebene erklärt wird, genau in dem Moment nicht mehr möglich wird, wo Meinungen als die eigentlichen Träger menschlichen Handelns gesehen werden. Denn die Meinung ist selbst bereits ein Entschluß zum Wirken, sie setzt Urteil voraus, und bewegt damit zum ... politischen Kampf.

Die eigentliche Ebene des Menschen aber ist nicht seine Meinung. Nicht das Sein ist relativ, sondern unser Denken darüber! Mitmenschlichkeit, Einheit der Menschen, liegt auf der Ebene des Symbols, des geistigen Bildes als Grundbild seines Seines, seiner Gestalt und damit seines Tuns. Ja, dort liegt die eigentliche Wirklichkeit des Menschseins als "jemand", als fleischliche Person.

Weshalb substantielle Mitteilung über das Netz, den Bildschirm nur einen Inhalt haben kann: Den, in die Realität zurückzugehen.



*Darin schon zeigt sich, daß Facebook (social media) überhaupt nur möglich waren und sind, weil sie in einer Anthropologie - einer Sichtweise des Menschen - ihre Basis hatten und haben.




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