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Dienstag, 18. Februar 2014

Stimme der Vernunft

Über das wahre Ausmaß dieser (Zitat von Bundespräsident H. Fischer) "budgetpolitischen Katastrophe" HYPO KÄRNTEN wird man bei den derzeit betretenen Wegen erst in Jahren erkennen können. Wenn die Risiken der 2009 notverstaatlichen Bank abgebaut, d. h. in ihrem Umfang erkennbar (und bezahlt) sind. Bis zu 19 Milliarden Euro sind denkbar, sogar mehr, vermutlich etwas weniger, wenn auch der Wert von Konkursaktiven (Aktiven von Gläubigern, die Kredite der Hypo-Adria-Bank nicht zahlen können oder wollen) dramatisch gering wird. Immerhin geht es hier um rund die Hälfte der Steuereinnahmen ganz Österreichs in einem Jahr.

Die ORF-Sendung IM ZENTRUM, die über dieses Link kurzzeitig abrufbar sein wird, vermittelt einen guten Einblick in die Problemlage. Sehenswert ist diese Sendung aber durch die ausgesprochen klugen, besonnenen Argumente der Wiener Wirtschafts-Universitäts-Dozentin Eva Pichler. 

Denn die sagt, daß der Fall typisch für das Mißtrauen gegenüber marktwirtschaftlichen Prinzipien sei, das in Österreich bereits herrsche. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum der Bund (die Staatsregierung) überhaupt die Landeshaftung Kärntens übernommen hat. Es war nämlich eine Kärntner Angelegenheit, und wenn sich das Land überfordert hatte, so hätten nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten eben auch die Gläubigerketten entsprechend den Fall der Bank zur Haftung herangezogen werden müssen. (Mit) Gezahlt hätte damit auf jeden Fall, wer das Risiko eingegangen war, etwa Anleihen der Bank zu zeichnen, wie Hedge-Fonds, Institutionen, Private, aber natürlich auch das Land Kärnten. Alle diese kommen nun ungeschoren davon, ja Kärnten versucht sogar den damaligen "Verkaufspreis", den es als "Zukunftsfonds" ("Känrten ist ab heute reich!") angelegt hat, für sich zu behalten. Weil der Bund - eine sachlich völlig überforderte Regierung (siehe dazu den Artikel in der NZZ, die den Dilettantismus beim Namen nennt, der sich hier offenbart) eines verfilzten Politsystems - prompt und sofort alles zu zahlen sich bereit erklärt hat, und die Bank nach dilettantischen Verhandlungen übernahm, und dabei "großzügig" auch noch die Miteigentümer (vor allem die Bayrische Hypo-Landesbank) aus der Haftung entließ.

"Die verschleppte Abwicklung der Hypo führt automatisch zu den Schwachpunkten des Systems: Politiker, die sich um unangenehme Entscheidungen drücken, parteipolitische Abhängigkeiten in vielen Behörden und Institutionen sowie Kontrollgremien, die ihren Aufgaben nicht gewachsen sind beziehungsweise diese nicht wahrnehmen wollen. Nun hätte selbst ein weniger verfilztes System als das österreichische, das unverschämt Parteien- und Klientelinteressen über das des Gesamtstaates stellt, das Debakel der Hypo nicht verhindern können. Doch die Gesamtbelastung der Steuerzahler wäre wohl um einiges geringer ausgefallen." (Zitat aus der NZZ)

Das Dilemma der Bank ist sogar erst durch die Landeshaftung ausgelöst worden, schreibt die NZZ völlig richtig. Denn erst diese Haftungen Kärntens, die dessen jährliches Landesbudget um das 12fache (!) überstieg,  hätten die Bankeigentümer und -manager zu derart größenwahnsinnigem Wachstumskurs in die Lage versetzt, mit der sie wie es aussieht groteske Kreditrisken v. a. am Balkan (legendär: ihre Yachtenfinanzierungen) eingegangen war, um so "zu wachsen". Das ging so weit, daß sogar die dortigen Landesbanken Beschwerde einlegten, weil die Hypo-Adria-Bank sich durch geschickte Ausnützung der Basel-Abkommen die Expansion durch Unterfinanzierung (weil durch Landeshaftung sowie landesbesicherte Anleihen) einen gewaltigen Marktvorteil erwarb. Die Kärntner Hypo-Adria-Bank war 2008 aber nicht einmal systemrelevant in Österreich! Dennoch erhielt sie noch einmal 900 Mio aus der Krisen-Bankenförderung. Weil man aber - um diese Marktvorteile aus der Landeshaftung zu lukrieren - die Banken in den Balkanstaaten nie dezentralisiert hatte, also alles aus Klagenfurt abwickelte, begann die Lawine zu rollen. Und TROTZDEM hat man noch einmal in 2009 die Kreditvergaben am Balkan um 15 % ausgeweitet, damit den durch Einlagen in Klagenfurt besicherten Aktivwert von 33 % auf 25 % reduziert. Klägliches Versagen auch der Bankenaufsicht, parteipolitisch gesteuerter Filz wie so gut alles in Österreich. - Lesen Sie den Artikel in der NZZ, die den Fall in seinen sachlich relevanten Vorgängen sehr gut aufrollt. Und dabei das Versagen des Mentalität gewordenen "Günstlings-Systems Österreich" so richtig offenbar macht.

Das Dilemma in Österreich ist prinzipiell, es nennt sich "Schmalspurföderalismus", so Pichler. Denn man teilt in Österreich prinzipiell Dinge, die nicht trennbar sein dürfen: Entscheidungen und Verantwortungen werden auseinandergerissen. Das ist bereits zur Grundhaltung auch der Bevölkerung geworden, wie sie auch in hohem Ausmaß bei ihren Studenten feststellt: Man teilt die Verantwortung (den Zahler) vom Geldausgeber. Der eine zahlt, der andere gibt es aus. Das ist der Grundschaden, der in Österreich so zahllose Desaster verursacht hat, bis hin zur Spitälerfinanzierung.

Man müßte sich vielmehr entscheiden, ob man Föderalismus will - oder nicht. Wenn ja, dann muß auch die Haftung durch jene übernommen werden, die den Schaden verursacht haben. Und das heißt in dem Fall: Kärnten. Dann muß eben das Land in Konkurs gehen. Aber es ist nicht einsehbar, und auch rechtlich überhaupt nicht logisch, daß der Staat einfach immer bezahlt, wo die Landespolitik versagt. Diese Auffassung zieht sich sogar bis auf die Gemeindeebene [und bis zum einzelnen Bürger, man denke nur an die zahlreichen Eingriffe in die Familien, in denen man die Väter zu bloßen Zahlern degradiert hat, während man ihnen jede Entscheidungsmacht gezielt - "Emanzipation" aller Familienmitglieder - aus der Hand genommen hat; Anm.]

Auch wenn dieses Desaster natürlich durch den politischen Ehrgeiz des damaligen Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider direkt eingeleitet wurde, um seine Sozial- und Scheinprosperitätspolitik zu finanzieren (darin hat sich der "Rechte" von den "Linken" in nichts unterschieden, man vergißt ja meist, daß Haider sich selbst als Ziehsohn des seinerzeitigen sozialistischen Landeshauptmanns Wagner bezeichnete) - er hat bestenfalls ins Extrem ausgereizt, was aber alle Bundesländer auch machen und immer gemacht haben. Die alle davon ausgehen, daß für den Fall, daß ihre Hazardspiel schiefgeht, ohnehin der Bund einspringt. Hier geht es um eine gesamtösterreichische Mentalität: jemand anderer hat zu zahlen, was man selber anrichtet, und im schlimmsten Fall die anonyme Größe "Steuerzahler". Hier geht es um ein System von Inkompetenz, höchstwahrscheinlich auch um ein (gesamtösterreichisches, zur Mentalität gewordenes) System von Kumpanei, in dem es sich so manche einfach richten und die Verantwortung auf die "Anderen", auf die Gesamtheit abschieben. Das scheint auch im Fall der Kärntner Hypo-Adria-Bank grausamst zugeschlagen zu haben.

In der Sendung wird so nebenher eben aufgezeigt, daß die Bundesländer Österreichs Haftungen auch für ihre jeweiligen Landes(Hypo)Banken im Ausmaß von 47 Milliarden übernommen haben. Noch 2001 hatte Wien für die damalige Bank Austria Haftungen von 127 Milliarden Euro, selbst nach Bankverkauf an die Girocredit (Italien) sind es immer noch 7 Milliarden. Das volle Ausmaß von föderalistisch motivierten Haftungen - die aber vom Bund zu zahlen wären, würden sie schlagend -  ist derzeit nicht einmal wirklich bezifferbar, man geht von bis zu 80 Milliarden aus. Wie wenig aber die Politik begriffen hat, worum es überhaupt geht, zeigt, daß in diesem Augenblick weitere Sozialleistungen im Füllhorn übers Land geschüttet werden, wie mit der "Zahnspange für alle" auf Staatskosten - deren Kostenhöhe man "Daumen mal pi" geschätzt (!) hat, weil man gar nicht weiß, was da aufs Budget zukommt. Was man mit dem Hinweis abgetan hat, daß wenn man mit den budgetierten 80 Mio nicht auskäme, die Zahnärzte eben billiger werden müßten ... um die Bevölkerung durch weitere Brot und Spiele-Politik zu besänftigen. Während mit dem politisch verursachten Hypo-Adria-Bank-Desaster selbst bei günstigstem Ausgang für 25-30 Jahre das Zehn- und Mehrfache davon jährlich auf die Österreicher an zusätzlicher Steuerlast zukommt, wird hier also einfach weiter verteilt, was gar nicht da ist.

DAS ist Österreich.

Geneigter Leser, alles das ist also - der Ruf nach Vernunft, einer Politik gegenüber, die dieses Wort aus ihrem Wortschatz gestrichen hat.




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