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Montag, 17. Februar 2014

Tod der Elite

Wer die Entwicklung des Schulwesens in den letzten Jahrzehnten betrachtet, stellt in jedem Fall die zunehmende Schwächung der "Selektions"-Mechanismen fest. Mit der Forderung nach Abschaffung von Schulnoten nimmt dies nur eine neue Stufe an. 

Selbst wenn man einschränkt, daß Schulnoten - alleine - nie absolute Kriterien sein können, selbst wenn dieselben Arbeiten zweimal benotet unterschiedliche Ergebnisse bringt, selbst wenn einzelne Schulen und Lehrer dieselbe Einzelleistung unterschiedlich bewerten, so läßt sich weltweit eine hohe Korrelation zwischen schulischen Leistungen, wie sie in Noten ausgedrückt werden, und gemessener Intelligenz nachweisen. Der Bedarf nach individueller Anpassung der Einschätzung des Leistungsvermögens von Kindern und Jugendlichen  ist begrenzt, und Einzelfälle krasser Fehleinschätzung sind nie auszuschließen. Aber nur so lernt ein Mensch - auch in Einbeziehung des Fehlverhaltens anderer - wo sein Platz in einer Gesellschaft ist. Man braucht also allgemeine Selektionsmechanismen. Jeder Versuch, Individualentwicklung davon abzukoppeln, etwa durch Sondergemeinschaften, Sondermilieus, nimmt der Persönlichkeitsentwicklung der Menschen den entscheidenden (!) Faktor der wirklichen Wirklichkeit, drängt seine Erkenntnis in rein ideale Bereiche ab, die nur in Utopien enden können.

In der Abschaffung von Noten aber, bei gleichzeitiger "Objektivierung" von Leistungen durch staatliche Tests ("Zentralmatura") und offiziell geforderter, ja gesetzlich vorgeschriebener Bedeutung von Ausbildungszertifikaten (bei Bundesbehörden usw. längst als "Objektivierung" eingeführt) zeigt sich etwas anderes.* Es zeigt sich das Bestreben der Politik (und politischen Strömungen), die Elitebildung zu manipulieren.

Die Politik schafft sich (unter anderem) damit eine erhöhte Abhängigkeit der Elite von ihr selbst, von ihren Inhalten und inhaltlichen Zielen. Indem sie die soziale Strukturierung steuern und bestimmen will. Die ansonsten immer das Ergebnis wirklicher zwischenmenschlicher und individual-psychologischer Prozesse ist, mit allen Schwächen, Ungerechtigkeiten und Problemen dennoch grosso modo schon aus Eigeninteressse realistische Strukturen hervorbringt. Aber diese Realität ist der Politik nicht recht.**

Wer aber diese wirklichen Prozesse zu manipulieren versucht, schafft unausweichlich eine unwirkliche Elite. Und damit nimmt sich ein Gemeinwesen am sichersten ... seine Problemlösungskraft. Ein Staat stirbt, wenn er keine wirklichkeitstgeprüften Eliten mehr hat, die Politik wird selbst irreal und utopisch (und: tief ungerecht). Gleichzeitig schafft er sich breite soziale Strömungen, die vor allem durch utopisches Denken gekennzeichnet sind - die schließlich zur aggressiven Kraft in Richtung Totalitarismus werden.***



*Mit manch skurrilem Detail: Denn einerseits erfahren diese solcherart "beglaubigten Leistungsträger" natürlich, daß die Zertifikate etwa bei Bewerbungen immer weniger zählen. Woraufhin ein Wettbewerb um noch mehr Zertifikate einsetzt. Der Verfasser dieser Zeilen kennt nicht wenige Frauen, die noch mit 30 Jahren von Ausbildung zu Ausbildung torkeln in der vorgegebenen Meinung, das würde "heute" notwendig sein, die "Anforderungen" würden ständig steigen. Meist nichts als die Abschottung vor dem Urteil der Wirklichkeit, das argumentativ entwirklicht werden soll.

**Wobei sich die Realität - deren Wohl und Wehe von der Wirklichkeit abhängt - natürlich lange noch (ehe das Stadium der Apathie einsetzt - siehe ... Ostblock) alternative Wege sucht, um ihre Urteils- und Selektionskriterien anzuwenden. Das Privatschulwesen zeigt es deutlich.

***Es ist deshalb keineswegs verwunderlich, wenn einerseits die Stellung der Frau (im geschlechtlichen Zueinander) entwirklicht und utopisch überzeichnet wird (im Feminismus), und andersseits diese nun entwirklichten Frauen eine Bedeutung formaler Bildungszertifikate betonen und verlangen - und das ist es zuvorderst, was sich in den teilweise so hohen Frauenanteilen gerade "weicher" (und das heißt: entwissenschaftlichter) Studiengänge (Psychologie, Publizistik, Sozialwissenschaften, längst auch bestimmter Wirtschaftsstudien, oder man denke an die Fachhochschulen!) ausdrückt.




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