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Mittwoch, 2. Juli 2014

Ein Schuß ins Knie (2)

Teil 2) Was sich aber noch viel mehr in der Affinität zu Rußland ausdrückt




Denn was sich in dem Propagandakrieg noch offenbart ist etwas ganz anderes. Der Grund, warum Putin und Rußland zunehmend an Glaubwürdigkeit gewinnt liegt nicht an den "Vorkommnissen". Mit Verlaub - die hat jeder nur aus zweiter Hand. Und am meisten die, die "mittendrin" sind. Denn denen fehlt noch wahrscheinlicher als dem externen Betrachter jeder große Rahmen. Wobei die Behauptung hier aufgestellt wird, daß den gesamten Rahmen ... überhaupt niemand kennt. Dazu wurde das Nachdenken über Geopolitik zu lange auf Eis gelegt.

Was sich in der zunehmenden Affinität zu Rußland ausdrückt baut also zwar auf Fakten auf, aber es liegt in einem anderen Umstand: Rußland und Putin vermitteln die Gewißheit, daß es noch eine Politik des Handelns gäbe. Ein Urteil, das die westeuropäische Politik schon lange nich tmehr verdient, die nur noch den Ereignisen hinterherhüpft, als wäre politisches Handeln nur noch das Befolgen von Notwendigkeiten - unfrei.

Aber noch mehr. Es wird klar, wenn man "Argumente" verfolgt, die angeführt werden, und die das Unrechtmäßige an Putins bzw. Rußlands Kurs betreffen. Immerhin, so viele Kommentare und Meldungen, würde doch Putin ständig "Menschenrechte" verletzen. Man beachte doch alleine die "Rechte von Homosexuellen", man beachte die Internetzensur, man beachte generell das was alsl "Demokratie" zu bezeichnen ist - die Freiheit aller von allem, also den Liberalismus. Wo sich aber alles entbindet, alles "von" allem frei wird, bleibt das Nichts. Das, was als Menschenrechte verkündet wird, ist zugleich die Verurteilung zum Nichts, zur Sinnlosigkeit.

Hier zeigt sich eine der Grundaporien des Westens, der "aufgeklärten europäischen Gesellschaften".  Denn der Liberalismus basiert auf einer rationalistischen Selbsttäuschung, er ist in sich irrational, bringen wir es auf den Punkt. Er ist eine Ideologie, nicht weniger als der Marxismus oder Faschismus. Aber wie jede Ideologie gerät er in Konflikt mit der Wirklichkeitserfahrung der Menschen. Liberalismus war (und ist) also ohne entsprechende Verbildung nicht denkbar. Er ist ohne Propaganda nicht denkbar. Für die die "gebildeten Schichten" ganz besonders anfällig sind, nicht nämlich die "armen" Massen, wie - auch das eine Propagandalüge - es gerne heißt. In dieser Feststellung hat jede solide Analyse des Revolutionären (wie jene von Crane Brinton, aber er ist keineswegs damit alleine) sehr recht. Man beachte nur die Realitäten jüngster "Revolutionen". Die einfachen Menschen, sozusagen, sind VIEL WENIGER LEICHT zu täuschen, als die sogenannten Gebildeten.* Deren Bildung meist in nichts sonst besteht als darin, sich in wirklichkeitssfernen Sprachwolken zu halten gelernt zu haben, virtuell ist.

Der (radikale) Liberalismus ist eine utopische Revolution gegen die Wirklichkeit des Lebens selbst und mißbraucht dazu das Wort "Freiheit". Wer wirklich lebt, existentiell lebt - und das sind NICHT die Systemgünstlinge etwa des Westens, die Beamten oder quasi Verbeamteten der dortigen sogenannten freien Märkte, die solches ja längst nicht mehr sind - weiß, daß das Leben auf Urteil und Entscheidung zur Konkretion, aus Verantwortung besteht. Die Welt ist überhaupt nur deshalb Welt, weil sie Festlegung ist. In aller Irrtumsanfälligkeit, in allem Wissen um die Schwachheit und Gebrechlichkeit JEDES Menschen.

Jeder Unternehmer, jeder Mensch dem Freiheit noch ein Anliegen ist, weiß, daß Leben also aus dem Entscheid zum Selbstvollzug besteht. Daß Welt "hinausgeworfen" werden muß, nicht quasi von selber entsteht. Daß also auch Politik und Staat und ZUKUNFT gestaltet werden muß, nicht von selber passiert, weil man sonst ihr Opfer wird.

Europa, die Politik in Europa hat aber keine Visionen mehr. Nur noch Utopien, nur noch "Notwendigkeiten", "Zwangsläufigkeiten". Nur noch Maschinenanalytik. Und nahezu jeder öffentlich gemachte Plan - man denke an die Freihandelszone mit den USA - ist nichts als die Fortschreibung von solchen Zwangsläufigkeiten. Einer Situation, mit der die Menschen aber nicht einverstanden sind. (Hier ist die Rede von Menschen, die noch Wert auf Freiheit legen, und nicht die Eliminierung jeder Form als eine Freiheit mißdeuten, die sie ja gar nicht ist.)

Denn Zukunft heißt Gestalt, weil Welt Gestalt ist. Nicht Bindungsfreiheit, nicht Aufgelöstheit, nicht Erfindung des Augenblicks, je neu vorzunehmen. Sie heißt Fundament in der Gegenwart des Sinns, aus der Vergangenheit, um Zukunft zu HABEN.  

Putin bzw. Rußland zeigt einen anderen Willen. Es zeigt den Willen, Zukunft zu gestalten, ohne sich selbst dabei in eine Willkür der Kräfte, einem Getriebe aufzugeben. Das nicht erkannt zu haben ist das Kernproblem sämtlicher "rechter" Parteien Europas, die nicht zufällig mehr und mehr Anleihen bei Rußland nehmen, weil das "gegen"-Sein einfach nicht reicht. Deshalb haben etwa dieWahlerfolge der FPÖ immer wieder dieselbe Bewegung: sie erreichen einen Plafond, und brechen dann wieder ein. Sie sind nicht zukunftsfähig, weil sie keine Sinndimension haben.

Was aber die Menschen von (höherer) Politik wollen ist nicht einfach nur Vision, und schon gar nicht Utopie, die Vision zu sein ja nur vortäuscht. Und schon gar nicht wollen sie summarisch-technische "Lösungen". Sie wollen eigentlich ihre Art zu leben aufrechthalten, Gegenwart, und dazu, das weiß jeder der es noch mit Wirklichkeit zu tun hat, nicht alles Faktoren durch eine Rundumversicherung gegen alles und jeden zu besitzen meint, braucht es immer aktive Gestaltung. Vision. (Nicht Utopie, die die Lebensart ja verändern will.) Diese Erfahrung wird durch einen Grundantrieb von ALLEM  Seienden genährt.  

Das  nämlich zutiefst weiß, daß es sich aktiv im Dasein HALTEN muß - als Akt, nicht einfach als Funktionsvollzug. Der Mensch, schreibt deshalb Ortega Y Gasset einmal überspitzt, ist in seinem Wesen "utopisch". Man ist nur (und wie gerne würde der VdZ nun einige so erhellende Analysen der Sprache und ihrer Zeitbezüge darlegen, alleine ...) im Bezug zur Zukunft gegenwärtig. (Eine Wahrheit, die ja die Utopie pervertiert.) Und das ist das Wesen der Männlichkeit.

Oh nein, Herrschaften - Männlichkeit hat keineswegs ausgedient, nur weil mit Steuergeldern aufgezuckerte, nie abgenabelte Akademiker- und Politikertrottel das verkünden. 

Und diese Männlichkeit, dieses Menschsein (das in seinem Wesen Männlichkeit ist, so wie alles Seiende bzw. Welt es ist, wenn es auch nur auf dem Boden des Weiblichen zu stehen und zu werden vermag - das Wesen der Welt ist Ehe!) wird durch die Russen und Putin quasi personifiziert. Durch ihr Handeln. Das signalisiert: Wir gestalten! 

NOCH heißt das keineswegs, daß die Menschen Westeuropas deshalb Putin hinterherlaufen. Aber wenn man es hierzulande nicht begreift, und wie sollte das geschehen, wird es so (in dieser nächsten Perversion) enden.

Und davor haben die Politiker des Westens - wer von ihnen ist kein Muttersöhnchen? - schlicht und ergreifend Angst. Ja, sie haben MIR RECHT davor Angst, denn sie wissen nicht, wie dem zu begegnen wäre. Wissen kein Gegenrezept gegen ihre Seinssschwäche. 

Denn das liegt nicht in EZB-Geldern und fiktiven Krediten, mit denen (wie derzeit: der Ukraine) gar nicht geholfen, sondern neuerlich das Ausblühen des Wirklichen nur hinausgeschoben wird. (Und wenn man der Ukraine noch fünfzig Milliarden hintenreinschöbe und bald hineinschieben wird - es wird das Land nur noch weiter destabilisieren, weil auch jedes "geschenkte" Geld eine Volkswirtschaft als Geld-Arbeits-Gefüge destabilisiert ... Wenn wir seit sechs Jahren etwas deutlich sehen können dann das, daß sich volkswirtschaftlich betrachtet Kredit von geschenktem - das heißt auch: künstlich gemachtem - Geld in keiner Weise unterscheidet, beides währungs- und finanztechnisch absolut konvertibel ist**)

Putin ist nahezu der einzige europäische, aktive Politiker, der dies zu wissen scheint. Der zu wissen scheint, daß es darum geht, die Zukunft in die Hand zu nehmen. Auch wenn man einmal irrt. Und um das zu sehen braucht es gerade nicht Propaganda der Medien. Dazu braucht es nur den offenen Blick auf Tatsachen. Und gegen die ist jede Propaganda machtlos. Ja. Propaganda ist einfach nur dumm, wenn sie meint, Tatsachen ignorieren zu können***. Die westliche Propaganda aber war und ist ... dumm.

Oh nein, die Menschen Europas wollen nicht Politiker, die mit Glubschaugen stammeln, daß sie nicht anders könnten, und dabei gar nicht anders wollen. Sie wollen Politiker wie zwar um Notwendigkeiten wissen, aber nicht vergessen, daß Leben heißt, sich selbst zu ergreifen, und in die Zukunft vorzustrecken. Nicht - sich zu verkaufen, um sich irgendwelchen Dynamismen auszuliefern.

Das alles aber äußert sich nur chthonisch, stellvertretend an einem fernen Objekt. Als Kampf der Sinnbilder. Für den Diskurs ist die Propagandadecke im Westen bereits viel zu dicht, zu existentiell, zu bedrohlich, zu aussichtslos, vor allem aber zu irrational (denn der Westen ist zutiefst irrational; er ist eine dämonische Willenskrake). Die Menschen wagen es nicht mehr, sie zu durchstoßen, weshalb ihnen auch das Rüstzeug fehlt, es zu tun - die Sprache, das Denken. Die Revolution frißt ihre eigenen Kinder. Man glaubt der Politik nicht mehr. Man glaubt nur Sinn, nicht Begründungen.

Aber deshalb wird es Europa zerreißen bzw. wurde es deshalb bereits zerrissen. In eine Nomenklatura, in eine Politikerkaste, in eine Bürokraten- und Technikerkaste, in eine Pseudoelite, die an ihrer Illusion festhält - und Politikern, und Menschen, und Wahlvölkern, die ihr Leben in die Hand nehmen. Auch ums Risiko, mal zu irren. Aber wer einfach festhält, irrt prinzipiell. Nur Sinn gibt Halt, Zukunft. Kein "Stabilitätspakt".

Europas Bevölkerung hat zunehmend die Muttersöhnchen (und: endlich) satt, die es seit fünf Jahrzehnten beherrschen. Samt ihren sogenannten "Werten".




*Der VdZ ist deshalb zeitlebens immer viel lieber in schlichte Kneipen gegangen, als sich in "gebildeten Kreisen" aufzuhalten, wie es ihm oft und oft abgenötigt war. Aber es war stets nur anstrengende Zeitverschwendung. Die einfachsten Leute und Arbeiter haben nach wie vor den klarsten Wirklichkeitsbezug und -verstand. Auch wenn sie von allen Seiten entmutigt werden sollen.

**Das wäre mal eine fundamjentale Kritik des Papstes gewesen, der doch dauernd über Wirtschaft und Geld lamentiert und sich im medialen Geklatsche sonnt. Aber was will man - von einem Muttersöhnchen?

***Siehe etwa (denn nur den flüchtigen Internet-Worten des VdZ glaubt ja niemand) Jacques Ellul. In Buch-Ausgabe.






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