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Sonntag, 21. September 2014

Billiger geht's nicht

Vielleicht sollte man den Gedanken mit etwas anderem Licht neu beleuchten. Und neu über die Ehe nachdenken. Dort nämlich, wo es um die Dauer solcher Lebensgemeinschaften geht. Ist doch eines der Argumente, die die Ehe als unnötigen Ballast darstellen - nach wie vor wird von Jahr zu Jahr noch weniger geheiratet (während die Zahl der Singles Jahr für Jahr steigt) - weil ihr Erfolg, das Zusammenbleiben, auch auf anderem Weg erreicht wird. Dem der puren Liebe, etwa, die leuchtet und strahlt und mit so manchen Ideen nur am Heizen gehalten werden muß.

Man hat vielleicht oft einen Fehler gemacht. Den Erfolg einer Ehe nämlich auf Dauer festzulegen. Zwar ist es richtig, daß sie sich auch in einer Dauer, im unbedingten Zusammenbleiben äußert, aber es heißt nicht, daß sie zwangsläufig darein münden muß. Sie bleibt ja, so sie gültig ist, selbst bei Trennung aufrecht, nur wird ihr praktischer Anspruch weniger konkret erfüllbar. Derselbe praktische Anspruch hat gar nicht selten zu Situationen geführt, wo das Zusammenbleiben mit aller Kraft aufrechtgehalten wurde, auch wenn die eigentliche Gestalt der Ehe gar nicht bestand. Denn um etwa die Verantwortung des Hauptes einer Familie, einer Ehe zu erfüllen, findet sich der Mann nicht selten in einer eigentlich unlösbaren Situation. Nicht weniger gilt vom Ehebruch zu sagen, der als Entgleisung eine Ehe keineswegs auflösen muß, wenn er sie gewiß auch mehr oder weniger schwer beschädigt.

Die Ehe aber auf ein "physisches Zusammenbleiben auf alle Fälle" zu reduzieren heißt, den Hund mit dem Schwanz wedeln zu machen, heißt vielfach sogar, die Ehe selbst ZUGUNSTEN des Bestehens des Zusammenseins aufzugeben. So seltsam das in manchen Ohren klingen kann: Dauer kann zum Fetisch werden, der lieber die Erfüllung einer Ehe umgeht, um nur ihre Dauer nicht zu gefährden.

Denn das, was eine Ehe ausmacht, liegt zwar AUCH in ihrer Dauer, aber nicht nur. Sie ist vielmehr ein mutiger Abmarsch ohne Wiederkehr. Sie ist genau deshalb das ureigenste menschlich-schöpferische Projekt, das die jeweiligen Ehepartner zu einer Erfüllung ihres irdischen Lebens (und damit ihrer Seele) bringen kann, die sie ohne Ehe gar nie erreichen können.

(Weshalb auch andere, ja alle Lebensformen lediglich in einer anderen Form als "Ehe" aufzufassen sind; sind sie das nämlich nicht, sind sie regelrecht wertlos. Das reicht bis zur Bindung Unternehmer-Unternehmen, dem Verhältnis Arbeitgeber-Arbeitnehmer, etc. etc. Die Ehe ist die Grundverfaßtheit der Welt überhaupt, die deshalb in der Krone der Schöpfung, im Menschen, ihre höchste Vollendung IM RAHMEN DER GESCHÖPFLICHKEIT DER WELT findet.)

Und zwar nur und gerade durch den Aspekt der Unauflöslichkeit, der die Leitlinien dieses Projekts vorgibt, und genau nicht heißt, daß beide unter allen, wirklich allen Umständen zusammenbleiben müssen. Denn nicht weniger unablösbare Wesensbestandteile sind Aspekte wie Offenheit für Empfängnis (weil ohne sie von einer Ganzbegegnung und -hingabe gar nicht geredet werden kann), ist vor allem ihre hierarchisch gestufte Verantwortung als Bereich dessen, was in dieses Projekt einzubringen ist. Denn nur dort, und nur dann kann von Ehe gesprochen werden, nur dort ist sie das, was sie überhaupt ist.

Die Ehe und ihr "Erfolg" kann aber nicht an Teilparametern abgemessen werden. Von der bloßen Dauer des trauten Zusammenseins kann sich dies etwa nur bedingt ableiten lassen. Und viele Ehen, die scheinbar so lange Jahre und Jahrzehnte bereits halten, "funktionieren" gar aus recht zweifelhaften Motiven - die Bequemlichkeit, die Angst vor einer radikalen Änderung der Lebenssituation sind dabei nicht die letzten. Nicht selten "funktionieren" Ehen nur deshalb, weil einer der Partner seine eigentliche Aufgabe und Stellung in ihr aufgibt. Denn sonst wäre auch dieses Zusammensein rasch an eine Grenze getrieben, wo sich "der Spaß aufhört", wie man so schön sagt.

Das alles ändert zwar nichts an der Notwendigkeit, um die prinzipielle Unauflöslichkeit der Ehe zu wissen. Aber sie ist nicht das Kriterium, das zu erreichen auch die lose Partnerschaft in der Lage wäre. Zusammenleben tun auch die Nachbarn in einem Mietshaus. Aber was die Ehe will und was sie kann und was sie soll, das ist qualitativ etwas völlig anderes, Höheres, als jede lose Partnerschaft je zu erreichen vermag. Sie ist das Projekt der Vervollkommnung des Menschen im Hineinwurf auf den je andersgeschlechtlichen Partner, auf daß beide zu einem Fleisch werden. 

Das kann auch kein regelmäßiges, per Handschlag vereinbartes Bettvergnügen auch nur annähernd erreichen. Denn eine Vereinbarung dieser Art heißt immer die Beschränkung auf Teilzwecke, und das Wesen einer solchen Zweckvereinbarung besagt, daß sie im letzten eigensüchtigen Zielen dient. Was immer sich solche Partner versprechen, und wie "ehrlich" immer sie es meinen mögen. Wer heiratet merkt, daß sich plötzlich etwas verändert hat, obwohl beide doch scheinbar das gleiche tun wie zuvor. Die diese Schritte aber nicht setzen, bleiben in einer "unteren Kategorie" stehen. Ihre Selbstüberschreitung unterscheidet sich in nichts von der, die ohnehin in jedem Alltag in liebender Bereitschaft, für den anderen sich aufzugeben, erfordert wird. Aber noch so viele scheinbare Früchte, noch so schöne Kinder oder großartige Heimstätten, die ein Außenbild ergeben "wie" es jedes Ehepaar auch (dabei oft sogar schlechter) bietet, können nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie um eine Dimension unter dem stehen, was jeder als Projekt beschließt, der heiratet. Bis zu dem Punkt, der in den allermeisten Fällen kommt, aber beide zwar in oft langer Gewöhnung aneinandergefügt, aber letztlich wieder alleine läßt. Durch nichts als Gewohnheit verbunden, die sich aber ändern kann.

Ehe, die aus ihrem Wesen heraus zum Sakrament drängt (das jede Religion wenigstens zu simulieren versucht, weil es nur in der Taufe dazu erfüllt wird), damit auch ohne Einbruch des Transzendenten unerfüllt bleibt, ist wesentlich etwas anderes. Und dieses Wesen ist auch nicht beschädigt, wenn im Bett eines Ehepaares kaum noch "was läuft". Oder vieles an der Ehe unterfüllt bleibt, was sie noch alles sein und werden könnte. Das man in der Eheschließung beginnt, und an dem man zeitlebens arbeitet. Sie ist von allem Anfang an weit mehr Belastungen ausgesetzt, die eben jede lose Partnerschaft elegant umschifft, die zwar alle positiven Früchte möchte, aber ... kostenlos. Denen aber genau diese Früchte in ihrer Tiefe - die oft gar nur wie Schmerz und Leid aussieht - vorenthalten bleiben, weil ihre ontologische Dimension unerfüllt bleibt.

Was sich mit Ehe und der in ihr fruchtbar werdenden Hingabe - bis zum Tod - erreichen läßt, kann durch eine lose Partnerschaft niemals erreicht werden. Wer heiratet, wer sich zu einer solchen Schicksalseinheit zusammenschweißt, greift damit weit über sie hinaus. Er versucht ein Schloß zu errichten, und selbst wenn es nicht allen gelingt, die Zinnen mit Gold auszubordieren, bleibt die Größe dieses Projekts unerreicht und großartig. Wer heiratet ist nicht mit der Reduktion der Partnerschaft auf eine Zweckgemeinschaft, wo man "ja auch alles hat, was ein Ehepaar hat", sogar Kinder, vergleichbar. Selbst wenn das praktische Zusammenleben an einen Punkt kam, wo es "nicht mehr geht."

Und selbst wenn die existentiellen Folgen für beide Hälften einer solchen in Gestalt unerfüllt bleibenden Ehe ruinös und katastrophal sind. So ist es gerade dieser Teil der Menschen, ja ist es gerade dieses Leiden an sich oder am anderen, auf den und auf das es ankommt. Damit sich Ehe doch noch, wenn auch anders, erfüllt. Ihren Sinn erfüllt.

Das sollten sich Ehepaare öfter vor Augen halten. Und gleich wieder vergessen. Um in jedem Fall an jene Grenze zu kommen, wo sie sich selbst überschreiten müssen, um überhaupt noch zu wachsen. Und das sollten sich auch viele vor Augen halten, die in einer Lebenssituation stehen, die sie kaum verstehen können, weil scheinbar alles in die Hose gegangen ist. Das mag für lose Partnerschaften zutreffen, für die nur solch eine Kosten-Nutzen-Rechnung bleibt. Aber es trifft nicht auf Ehepartner zu. Die ihre Ehe auch dann - wenn auch anders, wenn auch oft nur noch als Kreuz - leben und erfüllen können (und ... müssen), wenn sie getrennt leben. Nach wie vor sind SIE es, die diese Kultur (weil jede Kultur) halten. 

Auch wenn ihnen täglich neu jene Häme begegnen mag, die hier von jenen ausgeht, die dieses Projekt erst gar nicht begonnen haben oder dort von jenen, die zähneknirschend unter einer Situation leben, in der sie dem eigentlichen Wesen der Ehe und Liebe (die als schöpferisches Tun verlangt, dem anderen AUF SEINE WEISE zu begegnen, IN SEINER ART) ausgewichen sind, die sich also lieber dem anderen vorenthielten, weil er sonst durchgedreht wäre, aber dafür ... nicht geschieden sind. Und vielleicht bei jeder Gelegenheit dem Enkel direkt oder indirekt raten, nicht denselben Fehler wie sie zu machen. Denn das, was sie aus der Ehe ziehen, kann man auch billiger haben.








*210914*