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Sonntag, 28. September 2014

Fehlbildung der Zeit: Narzißmus (3)

 Teil 3) Wo das Menschsein erst beginnt
(auch wenn es nie genommen werden kann)





So ist auch der Konformismus erklärbar, der heute so auffällt - während jeder völlig überzeugt ist, er sei individuell, weil sich die Gedankenwege und Erlebnisse möglicherweise unterscheiden. Denn aus besagten Gründen ist das sogenannte "kritische Bewußtsein" nichts als der aus dem Narzißmus heraus erklärbare Versuch, sich "erkennbar" zu unterscheiden, während er in Wirklichkeit den entscheidenden individualisierenden Schritt, der erst bei der Objektivierung seines Ich beginnt, das er vom Erlebten zu trennen vermag, sich erspart, nie gemacht hat und in der Selbsttäuschung gar nicht setzt. Der Mensch bleibt auf dem Stadium des Kindes stehen (und bei entsprechenden Theorien in seinem "Bewußtseins-/Sprachfundus" wird auch das damit "eingebaut". Bleibt "kindisch" (statt "kindlich". Weil ja Kindlichkeit im positiven Sinn etwas völlig anderes, das diskriminierte Ich bereits mit umfassende, ja vom Ich ausgehende, gewissermaßen in der Wahrheit real harmonisierte Selbst bedeutet.)

Die Dinge werden also nicht mehr abstrahiert, nach ihrem solcherart in der Wahrheit objektiven Sein gesehen, sondern bleiben in der Erlebniskomponente stecken. Damit steigt natürlich auch die Chance, daß mit dem Erlebten auch die "Anschauungen" des Menschen wechseln, in jedem Fall bleiben sie inkonsistent, trotz größten Bemühens, weil sie nie in einem einzigen Punkt - dem eigentlichen Ich - verankerbar sind und solcherart "von dort" ausgehen. Was immer diesen Menschen "wahr" erscheint, erscheint ihnen ja auch "als sie selbst". So erfahren sie es ja.

Damit fällt auch die Fähigkeit weg, sich von Details zu lösen, um sie in einen großen Rahmen einzuordnen, und das heißt: zum Einen zu führen. Zu diesem unbestimmbar kleinen Punkt - des "Ich". Selbst die Überspezialisierung, die Meinung, man könnte in Methodik und Logik von Fachbereichen eingekapselt bleiben, erklärt sich so. Samt der (natürlich nur verbal bedeutsamen) Meinung, die eigene Meinung von "Wissenschaftsergebnissen" abhängig zu machen, in der der Mensch nicht einmal begreifen will, wie relativ fachwissenschaftliches "Wissen" ist, das somit zum Fundament dieses narzißtischen Selbst erstarrt, zum existentiellen Dogma wird.

Weil dogmatisiertes "Wissen" - und hier ist nicht nur die Rolle der Wissenschaft selbst gemeint, sondern die Art des realen Umgangs mit dem Papst, mit religiösen Autoritäten, leidet sehr leicht unter demselben, oft recht komplex werdenden Problem, weil Wahrheit zur Äquivokation wird, die Lüge ja nur mit der Wahrheit arbeiten kann um zu funktionieren - zum einzigen Ort der Gewißheit wird, auf der sich ja erst diese Scheinbildung von Persönlichkeit aufrichten ließe.

Erst an dieser Schwelle aber beginnt das, was den Menschen über das Tier hinaushebt. Und das tut es auch dort, wo es nicht erfüllt ist, der Mensch - in diesem Fall - im Narzißmus gefangenbleibt. Weil der Anspruch immer bleibt, und zwar in jedem; ja vieles am Narzißmus läßt sich überhaupt erst aus diesem nie verstummenden, bestenfalls durch Teillähmung, (vielleicht sogar: methodische) Lähmung zum "Verschwinden" zu bringenden Anspruch erklären - der Mensch ist dem Tier entweder überlegen, oder er sinkt unter es herab. Dort, an dieser Schwelle des Ich, das sich dem Erfahrenen gegenübersieht, beginnt der Sinn, die Vernunft, beginnt die Geistigkeit und die Persönlichkeit, beginnt die Wahrnehmung und jedes schöpferische Handeln. Beginnt das, was als "menschliche Leistung" und Verdienstlichkeit bezeichnet wird.

Wie sollte so eine Zeit anders urteilen - als fast zwangsläufig falsch? Es gilt als eines der sichersten Kriterien für ein fortgeschrittenes Zerfallsstadium einer Kultur, wenn seine Urteilsfähigkeit verloren geht. Die Gründe (in enger Verquickung mit einer Fülle von Faktoren) sind evident. Denn zwar können die Menschen "logische" Gebilde hervorbringen - und technische Fähigkeit als Fähigkeit, Abläufe zu optimieren, begleitet ebenfalls ein solches Stadium (das noch dazu wegen seines offensichtlichen "Erfolges" die Täuschung über die Welt selbst perfektioniert). Sie können sie aber nicht einsetzen, um die historisch aktuelle Weltbegegnung zu beurteilen. Gleichzeitig steigen die gnostischen Bewegungen, die alles Heil in das Bewußtsein legen - und auf dieses oben darzustellen versuchte Bewußte Methoden anwenden. Um sich den entscheidenden Schritt zu ersparen. Der natürlich je älter ein Mensch wird, je länger er in diesem "Vor-Ich-"Existenzhabitus verbleibt, immer schwieriger zu überwinden wird.




*280914*