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Mittwoch, 8. Oktober 2014

Tanz um den Funken Wahrheit

Was den VdZ mißtrauisch macht ist, daß die Gegenwehr gegen kollektive Schuldzuweisungen für Holocaust und Kriegsschuld (1914 wie 1939) dazu neigt, einen Schuldigen zu verteidigen, der sich von so manchem Mitgemeinten deutlich unterscheidet. Denn was hier anzuklagen wäre - und hier hätte auch tatsächlich so manche Schuldzuweisung ihren tieferen Sinn - wäre eine Auffassung von Staat, die doch tatsächlich abzulehnen ist. Selbst wenn sie nur eines der Gewächse europäischer Staatsentwicklung ist.

Aber der positivistische Staat - aus Hegel und Preußen gemixt - hat keine Verteidigung verdient. Er ist der Totengräber wirklichen Volkstums, das er aus seiner Verwurzeltheit in Sphären pseudologischer, zweitwirklicher Rationalismen drückt, bis es entschwunden ist, weil man danach handelt. Er ist ein Produkt der zentralistischen Propaganda, einer Ebene des Menschen, wo er sein Wahrnehmen und seinen Dialog mit dem Wirklichen durch Worthülsen überlagern läßt, um es salopp zu formulieren. Auf daß er sich selbst entfremdet wird.

Also verteidigt so mancher Gutmeinende, dessen Heimatliebe gar nicht an Abrede gestellt werden soll, ein Deutschland, das in Wahrheit bereits die Selbstentfremdung der deutschen Menschen mit sich selbst war. Und das begann mit Bismarck, dem Kaiserreich der Hohenzollern (und in hinkendem Gleischritt dazu dem österreichischen Kaiserreich), wenn nicht als Folge des 30jährigen Krieges. 

Der Verdacht drängt sich auf, daß dahinter ein Wunsch und verführerischer Traum von Größe steckt, der selbst keineswegs ein wünschenswertes Ziel ist, sondern bestenfalls Folge eines starken Selbstseins der Deutschen ALS jeweilige Teile eines Umfeldes oder als Summe von Teilvölkern, die sich zu Staaten formieren, sein kann. Der aber das Eigensein, und nur dort gäbe es die erwünschte Stärke, überfliegt.

Das erklärt nach Auffassung des VdZ sogar vieles an der deutschen Politik, besonders in der Gegenwart. Die in ihrer Halbherzigkeit egal in welcher Richtung wirkt, als würde man einfach zu keinem Entschluß kommen können, einerseits ein totes Pferd zu reiten, anderseits dieses tote Pferd zu neuem Scheinleben aufzublasen, etwa um "der realen Bedeutung Deutschlands in Europa ihre Gestalt zu verleihen", ohne einen schöpferischen Umgang mit dem Deutschsein überhaupt zu kennen oder zu wagen. So baut man, im Dunkelen herumtappend, unbewußt weiter an einem zentralistischen Deutschland, dessen Schatten an der Wand man aber wieder auszutreten sucht. Und zwar sogar durchaus mit Recht.

Nur dort aber, in für viele neuartiger, aber notwendiger Differenzierung, könnte ein Weg zu einem für alle Seiten überraschenden Konsens auch in der historischen Aufarbeitung zu finden sein. Der sowohl den sogenannten "Nestbeschmutzern" wie den "Verteidigern" den Wind aus den Segeln nimmt, aber diesen berühmten Funken Wahrheit aufgreift, um den beide Seiten herumtanzen, ohne ihn aber zu sehen. Dessen nie artikulierte Stellvertreterfunktion sie hier nicht loswerden, dort aber nicht überwinden - weil er der wahre Kern in den geschichtlichen Ereignissen, der damit in der Gegenwart fortwirkt.

Denn der Irrtum, der Fehler war nicht "der Holocaust" oder "der Nationalsozialismus", sondern diese (preußische, im wahrsten Sinn: moderne) "Idee von Deutschland", die tatsächlich von so vielen politischen Entwicklungen nicht zu trennen ist. Und nur deshalb hielt, weil das wahre Deutschland - das zumindest aus zwei Kulturkreisen und Volkswesen und damit Staaten besteht (Stichwort "Weißwurstäquator") - von einer Ideendecke ins Vergessen abgedrängt und künstlich zu einem "neuen Deutschland" gemacht wurde. Das tatsächlich "neu" war. Und der sich im Nationalsozialismus (was an dieser Stelle schon hinlänglich begründet wurde) als Prototyp des heutigen modernen Staates nur auf die Spitze brachte, in Wahrheit aber nicht aufhörte, auch nicht 1945.

Gelingt es nicht, diesen gewissermaßen "dritten Weg" zu beschreiten, droht Deutschland in den nächsten Jahren neuerlich in bloße dialektische Gegenreaktion zu verfallen, um sich - notwendigerweise! - einen Platz in der Welt zu sichern. Denn das derzeitige Vokabular, das auch in sogenannten rechten Kreisen auftaucht, ist völlig ungeeignet und voller Widersprüche. Damit wenig geeignet, das Mißtrauen, das man dabei unwillkürlich empfindet, zu überwinden.*




*Nicht unähnlich der Reaktion vieler, die gegen den Islam wettern, und mit den neblichten Schlagworten Demokratie und Stellung der Frau als zu verteidigende Werte argumentieren. Und sich damit auf derselben Wesensebene wie der Islamismus bewegen, nur die eine Blüte gegen eine andere austauschen wollen, "weil sie halt recht haben".




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