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Montag, 12. Januar 2015

Eine Linie: Überwachung - Mißbrauch - Folter (1)

Es gibt kein Argument, das die Folter rechtfertigt, aus der jemand zu einem Geständnis gepreßt werden soll. Auch nicht 9/11, auch nicht die Verhinderung von größeren Untaten. Kein Gut kann (und darf) erreicht werden, indem man etwas Falsches tut. Dies bleibt in sich schlecht, in sich schädigend, und zwar den Täter, kann bestenfalls zur Verhinderung eines größeren Übels dienen. Und dazu gehört nicht die Verhinderung von praesumtiven Terroranschlägen. 

Gaius Mucius Scaevola verbrennt seine Hand
Im übrigen haben die USA durch Folterpraktiken, in denen sie sich über jedes Recht setzten, den Terror zu guten Teilen überhaupt erst verursacht, den Haß auf sich gesteigert, und sich Feinde regelrecht selbst geschaffen. Nicht zum ersten mal, sondern fast als geregelte Praxis einer lächerlichen Außenpolitik, die sie von einer Niederlage zur nächsten, und von einem Todfeind zum nächsten geführt hat. Wer aber ständig das Gegenteil von dem erreicht, was er eigentlich bewirken wollte, beweist seine Unfreiheit. Und das ist in diesem Fall eine besonders nette Konnotation, denn all das behaupten die USA ja aus ihrer Sendung der Freiheit, die sie über die Welt zu bringen hätten. Sie tun genau das Gegenteil, und sie beweisen es - täglich! - an sich selbst. Nur puritanische Verstiegenheit kann das leugnen.

Hier gilt es übrigens auch gleich zu differenzieren, denn die hochnotpeinliche Befragung des Mittelalters bzw. in der Neuzeit hatte nicht das Ziel den der Folter unterworfenen zu einem Geständnis zu zwingen, sondern kam aus der uralten Rechtsauffassung des Gottesurteils, getragen von einer völlig anderen Verfaßtheit der Persönlichkeit: Denn bis in die frühe Neuzeit hinein war den Menschen generell die Wahrheit, die Ehre, die Schönheit, also das Transzendente wichtiger als Schmerz oder Tod. Denn er wußte, daß er nicht nur im Hier und Jetzt, aus dem geschichtslosen Nichts heraus, in ein solches hinein, lebte und wirkte. Wer aber auch unter Schmerz bei der Wahrheit blieb, der bewies, daß er auf Kraftquellen zurückgriff bzw. von einer Kraft erfüllt war, die eben nur die Wahrheit geben konnte. 

Deshalb wurde das Gottesurteil - der Schmerz - oft regelrecht gesucht, ihm wurde höchstes Beweisgewicht zugemessen. Aus dieser Haltung auch begründet sich das Duell, das gleichfalls als Gottesurteil gesehen wurde, als dessen Ausweitung man dann den Krieg, die Schlacht sehen muß. Verlierer unterwarfen sich nicht erst, wenn alles in Grund und Boden gestampft war, sondern wenn diese Überlegenheit zu erkennen war. Das läßt sich in allen Kulturen finden, und wo nicht, sind es keine Kulturen.

Wer die Ehre so hoch stellte, der mochte vieleicht anders denken, aber er war genau deshalb hoch zu respektieren und als Freier zu behandeln. Dessen Wort war auch für ihn bindend, war dem Sakrament sehr sehr nahe. 

Wie sollte aus einem Menschen, der bei Schmerz zu wimmern anfing und bereit war, die Wahrheit zu verleugnen, überhaupt eine gute Tat kommen? Agere sequitur esse. Das Handeln folgt dem Sein. Wen die Erde überwältigt, dessen Kopf gehört nicht dem Himmel.

Eine Sichtweise, eine Praxis, die keineswegs vom Christentum erfunden wurde, oder der Verstiegenheit religiösen Wahns entsprang, sondern die über zahllose Beispiele aus der Antike her hinlänglich bekannt sein sollte: Sich selbst einem Schmerz zu unterziehen, um die Wahrheit seiner Aussage zu demonstrieren, ist nicht nur Fundament des Krieges, oder erst seit der berühmten Tat des Gaius Mucius Scaevola (Linkshand) bekannt. Der seine rechte Hand über einer offenen Flamme verbrennen ließ, ohne sich Schmerz anmerken zu lassen, um zu beweisen, wie sehr er der Wahrheit verpflichtet sei, damit zu einer Handlung verpflichtet sei, die den anderen als Feind sehen MUSZTE. Woraufhin er, hoch geachtet, ALS FEIND frei gelassen wurde. 

Daß die hochnotpeinliche Befragung erst seltener, später immer häufiger in Mißbrauch (aus wachsendem Unverständnis) endete (Doderer, was wenige wissen: auch Historiker, weist sehr dezent und angemessen darauf hin, daß die Folter immer häufiger sehr sexuelle Annotationen hatte), traf sich schließlich nicht nur mit einem völlig anderen Politikverständnis (denn es war die Politik, die die Folter zu mißbrauchen begann), sondern vor allem mit einem völlig anderen Verhältnis zum Körper: Der mit seiner Auflösung ins Spiritualistische, Idealistische der Weltauffassung auch immer weniger Realität erhielt, sodaß alles, was ihn in der Realität verankern könnte - Schmerz - in einer immer niedrigeren Schwelle zum Problem wurde. Menschen, die bereit sind, Schmerz und Tod zu erleiden, sogar um der Wahrheit treu zu bleiben, sind der Gegenwart überhaupt schon unverständlich, ja "unheimlich" geworden. Das können ja gar keine Menschen sein ... so, wie jeder, der nicht dem Land der Weltmission entstammt, der nicht Amerikaner ist, nicht einmal mehr Mensch ist.

Das Wesen der Folter, die oben angedeutete Rahmen der Rolle des Schmerzes prinzipiell verläßt, nicht in der Intensität, sondern in der Haltung und Achtung des Schmerzleidenden, ist nämlich genau das: Sie zerbricht den Menschen, und ihr Ziel ist, dessen Menschein zu zerstören. Der Gefolterte soll nicht mehr in der Lage sein, seine persönliche Integrität aufrecht zu halten. Er soll sein Menschsein aufgeben, um den Schmerz, die Zerstörung zu vermeiden. Denn der, der Böses tut, ist deswegen nicht kein Mensch. Wer Freiheit will weil als grundlegend erkennt, muß auch damit leben, daß sie zur bösen Tat mißbraucht werden kann. Wer Freiheit verhindert, weil er nur gute Taten möchte, verhindert überhaupt Menschsein, und deshalb genau das Gute.

Der Folterer wollte zunehmend den Menschen brechen, das war und wurde ihr Ziel. Nicht Wahrheit, nicht Wiederherstellung einer Ordnung der Ehre. Zerbrechen! Ehrunfähigkeit! Folter ist deshalb eine lediglich graduell höhere Stufe zum Mißbrauch: Sie will, über die initiierte Erlebenskomponente, die ZUSTIMMUNG des Opfers zu dem, was an ihm an Selbstverlust beabsichtigt wird. 

Eine Form des Mordes, durch Zerstörung der Identität, des Selbstes, der Gemeinschaftsfähigkeit. Der VdZ hat vor etlichen Jahren, in seiner Zeit in Berlin 1997, ehemalige DDR-Häftlinge (Bautzen) kennengelernt. Er war tief erschüttert, welche deutlich erkennbare Langzeitschäden "nur" drei Jahre Folterhaft (und das war es, was einen in Bautzen erwartete: die Häftlinge sollten dort gebrochen werden) anrichtete. Aber er war auch tief betroffen von den Parallelen, die er zu Vorkommnissen sah, die mitten unter uns, alltäglich, ablaufen. Übrigens - auch in der Kirche. Und nicht nur am VdZ. Gott wird richten.


 Morgen Teil 2) Bis sich Amerika in Afghanistan 
sogar mit selbst gelieferten Raketen abschießen ließ




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