Dieses Blog durchsuchen

Dienstag, 27. Januar 2015

Spannend ist es allemal

Das Interessante am derzeitigen niedrigen Ölpreis ist, daß er niemandem zu nützen scheint. Was immerhin bemerkenswert ist. Außer den Konsumenten, mit Verzögerung allerdings, die etwas (!) weniger für ihr Benzin zahlen (3/4 des Benzinpreises sind ja ohnehin Steuern), um am Sonntag öfter einen Ausflug machen zu können, und etwas den Unternehmen. Das bestätigt die Meinung des VdZ, der nie an eine konzertierte Veranstaltung geglaubt hat, etwa weil es Rußland (das in hohem Maß vom Energieexport abhängt) schädigen würde. Die Leidtragenden - unter Anführungszeichen! - sind hingegen fast alle. Und das macht den Ölpreis an sich noch interessanter, der ja seit 40 Jahren, unter dem Unkenruf einer "endlichen und bald beendeten Ressource" ein Kunstgebilde außergewöhnlicher Dimension ist.

Aber es schadet den USA, weil die so erhoffte Autarkei in der Energieversorgung in hohem Maß vom Fracking abhängt. Doch das Fracking rechnet sich nicht mehr bei einem Ölpreis unter 60 Dollar.

Es schadet Norwegen, das sich um normales Wirtschaften ja überhaupt nicht mehr gekümmert hat, und nur noch auf ein Kunstgebilde besonders "kreativer" Wirtschaft aufgebaut hat, das mit 600, 700 Milliaren (Stand 2013) weltweit auf den Kapitalmärkten rumorendes Geldvermögen baut, die jedes Nachdenken erspart blieben ließ.

Es schadet natürlich auch Rußland, dessen Exporterlöse sich fast halbiert haben, rechnet man diese mit Importen gegen, also am Binnenmarkt durch die notwendigen Importe einen Inflationsschub ausgelöst haben.

Es schadet einer ganzen Reihe von Schwellenländern, wie Brasilien, die auf ihr Erdöl aus Tiefseebohrungen vor der Küste als Zukunftsschatz bauen,  weil Tiefseebohrungen einen Ölpreis von 80, 100, 160 Dollar und mehr brauchen, um sich zu rechnen. Wobei von diesen Kosten für Tiefseebohrungen fast alle Länder betroffen sind.

Wie England, dessen Staatshaushalt sich seit dreißig Jahren nur wegen des Nordseeöls - Tiefseebohrungen - über Wasser hält.

Es schadet jeder Form von Energiewende in Deutschland, die ihre ohnehin hoffnungslos überteuerte Energieproduktion nun noch offensichtlicher unwirtschaftlich ins Ofenrohr schiebt, um sich eine doppelte Energieproduktion zu leisten wie andere sich einen Picasso an die Wand hängen.

Es hilft nicht einmal Arabien, das man noch als größten Profiteur bezeichnen könnte, weil es nun zwar an Wichtigkeit gewinnt - das arabische Öl ist meist besonders günstig zu fördern - aber auch nur an Relevanz gewinnt, solange der Ölpreis hoch ist. Es ist außerdem anzunehmen, daß die arabischen Länder ihr Ölgeld wie einen Lottogewinn in recht spekultaive Werte investiert haben, die fragil sind, weil sie von den Wirtschaftsentwicklungen im Westen abhängen. Der Rest - s.o. Steigt der Ölpreis wieder, ist Arabien nicht geholfen. Dann steigt auch die Zahl der Konkurrenten, und alles ist beim alten.

Hilft es wenigstens China, der mittlerweile zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt? China lebt vom Export. Wird durch Wirtschaftsschwäche in den USA und Europa der Export schwächer, bricht das Kartenhaus China zusammen. Denn die Inlandsnachfrage ist die dramatische Schwäche des Landes, und die Rentenversorgung dazu, denn Millionen und Abermillionen von Chinesen haben Billionen von Dollars im Ausland investiert, um eine Altersversorgung zu haben. Das Land hat ja kein Sozialsystem.

Hilft es wenigstens Afrika? Mitnichten. Der ganze Kontinent hängt von der Weltwirtschaft ab. Wird die schwächer, fällt Afrika wieder einmal endgültig in Sack und Asche.

Woher also diese Dynamik des Ölpreisverfalls kommt weiß gar niemand so richtig. Bricht da gar einfach - im Sinne einer unberechenbaren Reaktion eines hochkomplexen Systems - eine Säule einer grotesken Phantasiewirtschaft, auf der die Welt seit vierzig Jahren baut? Wir werden sehen. Spannend ist es allemal.

Aktueller Nachtrag: Der niedrige Ölpreis ist aber sicher ein Indikator für Nachfrageschwäche, also für eine keinesfalls nur kurzfristige Wirtschaftsschwäche. Die zu kaschieren sich ja alle Welt anschickt, denn wer schlecht spricht - macht leicht auch schlecht, was noch gut werden könnte. Was zumindest die Propaganda ziemlich, ja fanatisch ernst nimmt. Aber rechne man doch 1+1 zusammen: Die EZB wirft locker mal weitere 1,2 Billionen Euro auf den Markt, deren Druckerfarbe noch nicht einmal getrocknet sein wird, haben sich die Staaten schon darauf gestürzt, um ihre Liquidität aufrechtzuhalten, indem sie Geld in die Menge wirft (das komischerweise immer die Größeren erwischen, und vor allem die, die ganz vorne und der Bühne sehr nahe stehen), weil sonst ihr Steuernachschub versiegt, und ihre Schulden überhaupt nicht mehr darstellbar werden, ihre Politik also an Machtlosigkeit eintrocknen könnte. 

Und dann gibt es einen Indikator, den bekanntermaßen nur Insider kennen: Den Kupferpreis. Denn er ist seit vielen Jahrzehnten Indikator für die Wirtschaftslage im Allgemeinen. Und der ist seit Monaten sehr sehr niedrig. Also, werter Leser - warm anziehen! Der Winter geht mit neuen Stürmen weiter!




***