Dieses Blog durchsuchen

Dienstag, 17. Februar 2015

Tod durch Wirklinge

Die ganze Natur, schreibt Jakob von Uexküll an einer Stelle, zerfällt in "Merklinge" und "Wirklinge". Nehme man eine Henne mit ihrem Küken: Die Henne, die nach Finden von Futter das Küken herbeiruft, übernimmt die Rolle des Merklings, während das Küken ganz Wirkling (kraft des "Vertrauens", eine Selbstverständlichkeit) wird.

In gleicher Weise zerfällt jede menschliche Organisation in solche Teilung. Und es ist angeboren, welcher dieser Gruppen man zugehört. Schon deshalb ist nicht jeder Mensch für jede Position geeignet, denn jedem ist etwas dieser beiden "selbstverständlich", und das ist der Boden, auf dem jeder steht, ja: auf welchem NUR er stehen kann. 

Ja, wenn ein Merkling zum Wirkling werden will, wird er das genauso falsch tun, wie umgekehrt, der Wirkling den Merkling vortäuscht, um das Merklingsein zum Wirklingsein umzufälschen. Und das scheint dem VdZ als eine der realsten, folgeträchtigsten und leicht beobachtbaren Konsequenzen: Daß jeder Mensch eine vorhandene Vernunft und Sprechweise auf seine Weise umformt. Sodaß sie wie das eine klingt, dem Worte nach, aber dem anderen gemäß wirkt.

Um das zu illustrieren, holen wir diese Teilung in die konkrete Welt der Gegenwart. Und greifen so manche Wut des Wirklings heraus, sich in Verbindung mit Ereignissen oder Personen zu setzen. Nehmen wir ... das "Selfie", oder den Wahn sich überall mit Postings und Rückmeldungen vermelden zu müssen, oder zu sollen. Das sind eben alles Merkmale des "Wirklings". Der keine andere Möglichkeit hat, sich in den Besitz der Welt zu setzen, als diese Welt in die seine zu holen, ganz konkret. Sein Wesen ist, konkret zu beweisen, daß er in der Welt Spuren hinterläßt. 

Der geistige Zugang des Merklings ist ihm fremd. Dessen Wesen ist ihm Gegenpol, entgegengesetzt. Anders als der Wirkling, braucht der Merkling nicht den Beweis seiner Wirkung auf die Außenwelt, sondern, umgekehrt, ist ihm das Wichtige die Wirkung der Welt auf ihn. Es liegt in seiner Natur, seine Außenwirkung zu unterschätzen, denn seine Außenwelt besteht aus lauter Problemen. 

Während für den Wirkling seine Wirkung bzw. die Folgen aus seinem Tun "Selbstverständlichkeiten" sind, ja alles unter Selbstverständlichkeiten versinkt. Auch und gerade das, was er von der Mitwelt abverlangt. Er kennt "Respekt" nicht, nicht in dessen Wesen. Wenn, wird er zur pragmatischen Wirkung.

Ein Problem für eine Gesellschaft als Ganzes entsteht, wenn die Mischung aus diesen beiden Typen nicht mehr gesund ist. Eines ist dabei tödlich, schreibt Uexküll: Eine Gesellschaft, die nur aus Wirklingen besteht.




***