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Donnerstag, 2. April 2015

So sicher nicht

Nun geistert eine neue "Studie" durch die Öffentlichkeit. "Experten" haben (wohl im Auftrag des Stifts selber) die Mißbrauchsgeschichte des oberösterreichischen Stifts Kremsmünster untersucht. Und sind dabei zu erschröcklichen Befunden gekommen, meint angeblich auch das Stift selber.

Das einzige aber, womit die Studie aufräumt, ist das abendländische, das aristotelisch-thomistische, das katholische Menschenbild. Schon die Befragtengröße - 40 Opfer, ca. 25 Täter, Verantwortliche, und andere - läßt eine mathematisch relevante Aussage gar nicht zu. So läßt sich keine These bilden, so kann man nur eine bereits vorgefaßte These belegen.

Und vorgefaßte Thesen hat die Studie genug vorzuweisen. Ob sie das zugibt oder nicht, denn die angeblich selbst gestellte Forderung nach Objektivität ist reine Farce. Denn der gesamte explizite oder unausgesprochen vorhandene Hintergrund, vor dem die Pädagogik des Internats dieser jahrzehnte-, jahrhunderlangen Kaderschmiede der österreichischen Elite, ist der übliche Aufgruß aus Rousseau und allem, was die zeitgenössische Pädagogik und Psychologie an Trotteleien aufzubieten hat. Wo dann jedes Kind anfänglich "gut" sei. Oder geht davon auch dieses Stift aus? Dann gehört dort jeder explizit exkommuniziert (denn ipso facto ist er es) und auf die Straße gesetzt. Aus und Punkt. Ein Kind hinzuschicken ist dann erst ein Verbrechen. Nicht, weil Padres versagen können. Weshalb im übrigen ohnehin jedes zweite katholische Internat zugesperrt gehörte, würde es nicht in Mauern stattfinden, die mehr predigen, wahrer predigen, als dieses Gesöcks von Scheinpädagogen, Atheisten, Charakterleichen und Kinderverderbern, das sich dort häufig herumtreibt.

Wo also der Sinn liegen soll, die Pädagogik eines katholischen Internats zu untersuchen, wenn die Untersuchenden einen völlig anderen Wertehorizont haben, als ihn katholischer Geist haben darf und sollte, das wäre tatsächlich eine psychologische Studie wert. Stattdessen scheinen die Stiftsverantwortlichen selbst (denn die haben das ja in Auftrag gegeben) nur nach Argumenten gesucht zu haben, die Vergangenheit des Stifts zu desavouieren. Und voller Subjektivismus und Charisma ein ganz neues Kapitel zu schreiben, halleluja, die Stunde der Guten ist nämlich gekommen. Nun ist sie da, die Zeit der freien Verhältnisse zur Sexualität, die Zeit der Entnazifizierung, die Zeit der "richtigen Autorität", die keine Macht, keine Gewalt braucht, wie sie gute Herzen endlich verwirklichen können.

Denn das Ergebnis ist ja im voraus klar gewesen. Man kannte die Einzelfälle - und es gibt bei sexuellem Mißbrauch, bei pädagogischem Versagen nur Einzelfälle, auch wenn sie häufig sind - und hat nie etwas gemacht. Direkt, gleich, wirksam. DAS ist das Versagen, wo rasches, immer aber persönliches Handeln notwendig wäre und gewesen wäre. Aber dieses Versagen wird nicht geringer, wenn man nun neuerliche persönliche Verantwortung umschifft, indem man den Zeitgeist zum Zeugen ruft, und die ganze Geschichte der Anstalt ins schiefe Licht rückt als Vorwand, "neu anfangen" zu können. Denn nun haben Experten es bestätigt: Es lag am System!

Dahinter steht der Wahn der Zeit, zu meinen, man könnte fehlerlose Dinge herstellen, man könnte fehlerlos erziehen. Also müsse es eine Pädagogik geben, die keine Fehler mache. Aber - das gibt es nicht! Und das ist auch nicht die Urkatastrophe. Das wird sie nur, wenn man dieses Faktum hysterisiert.  Heute wisse man ja, wie es gehe. Denn wenn - vor allem: früher! - Fehler passierten, waren sie so prägend, daß das Leben eines Menschen für immer zerstört wurde.

Nein, das ist es nicht. Das wird es aber schon eher dann, wenn man genau so tut: als würden solche Dinge Prägungen geben, die zum Heil unfähig machten. Neigungen, ja, die werden dadurch geprägt, und können es einem Menschen schwerer machen, zu einer ausgewogenen Persönlichkeit zu reifen. Aber nicht unmöglich. Denn die Freiheit eines Menschen endet nicht dort, wie die mechanistische Psychologie unserer Breiten verkündet, die nicht nur Doderer als "Erkrankung des Geistes" bezeichnet hat. Sondern sie beginnt dort, wo er Neigungen hat, die es zu überwinden gilt.

In einer Zeit, in der zur regelmäßigen Erfahrung im Beichtstuhl wird, daß es doch eigentlich gar keine Sünde gebe, paßt das natürlich. Gott sei ja so barmherzig, hört man dann (nur nicht: zu bestimmten Übeltätern)! Sodaß man ein schlechtes Gewissen darüber hat, überhaupt noch ein schlechtes Gewissen wegen seiner Untaten zu haben. Buße, Sühne hat doch ausgedient!*

Der VdZ hat die Studie gelesen, weitgehend zumindest, denn nach 80 (von 240) Seiten ist ohnehin alles klar. Ersparen Sie ihm Details, sie sind es nicht wert. Die Studie strotzt vor Dummheiten, Psychologisierungen, impliziten Unterstellungen, psychologisierenden Verleumdungen, vor mehr oder weniger oder auch gar nicht versteckten Forderungen nach neuer Weltsicht.** Als Skandalgeschichte konnte er sie aber nicht lesen. Viel eher sah er das beachtliche Ringen um einen Weg, mit dem Faktischen des Menschen, des Kindes, des Jugendlichen unter Wahrung der Verantwortung, aber auch in anbetracht der Fehlerhaftigkeit von Menschen, Erziehern genauso wie Kindern, zurechtzukommen. Eher hat er viel Gutes in diesen Ansätzen erblickt, sicher nicht einen Stein des Anstoßes, wie die Studienautoren beabsichtigten. Und die Früchte von Kremsmünster sprechen ohnehin für sich: Das Stift hat jahrhundertelang Elite, wirkliche Elite herangebildet. Und jenen, die es nicht waren, klar gemacht, daß sie es nicht sind.

Klares, energisches Reagieren, ja, von Mensch zu Mensch, von Person zu Person, ja, das hätte oft gefehlt. Der einzige Satz der Studie, der stimmt, weil er immer und überall und für jeden stimmt: Der Geist des Ordens, die (im übrigen: jedem Vater, ja jeder Führungsperson ans Herz gelegte) Regel des Heiligen Benedikt von Nursia, wurde zu wenig verwirklicht. Ecclesia semper reformanda!

Das fehlt aber heute nicht weniger, und morgen schon gar nicht. 'Sodaß man deshalb ja alles auf Methoden schieben möchte, um sich von der schweren Last der persönlichen Verantwortung zu befreien. So, wie sich von allem zu befreien, was Sein hat, was Gestalt hat, was Kontur hat. Denn das ist es, was heutiger Waschlappensinn als Mühe und Zwang und Nötigung empfindet - ein Gewissen, das er nicht und nicht zur Ruhe bringen kann, solange er in der Welt lebt. Die vollgestellt ist mit Dingen, die Anteil am Sein haben, sonst wären sie nicht. Die Mut braucht, Dinge zu schaffen, was Gewalt heißt, auch wenn man irren, fehlen kann, ja sogar davon ausgehen muß, daß man es tun wird, weil der Mensch eben nicht von Anfang an gut ist, nur böse gemacht, (fehl)erzogen wird.

Erziehung gibt es nur persönlich. Nur als Einzelfall. Und sie ist immer von der Person abhängig, immer. Und deshalb eine Frage der Heiligkeit. Ohne Heiligkeit - keine "perfekte" Erziehung. (Wobei diese Perfektion ganz sicher völlig anders aussieht, als sie universitätsverblödete Rousseau-Schwätzer träumen.) Es ist also eine immer schwere, immer neu anzugehende Aufgabe, die nie ohne Fehler auskommt. Erwachsenwerden heißt eben: Fehler ausgleichen zu lernen. Trotzdem an der Gestalt festhalten, am Idealbild, an der Rolle. Heißt sogar und gerade, sich von den eigenen Fehlern nicht korrumpieren zu lassen.

Und das ist es genau, was heutige Pädagogik und Psychologie betreibt: Seinsdiffundierung. Daß die Kirche das auch noch als Zielvorstellung annimmt, so tut, als hätte sie zur allgemeinen Klage über die Vergangenheit auch - als Betroffene! die Kirche als Täter! - etwas beizutragen, ist die wahre Katastrophe. Solche Studien sind Werkzeuge in den Händen der Schwachen, der Charakterleichen, die endlich ihre Zeit gekommen sehen, ohne die Mühe der Tugend auf sich nehmen zu müssen, die die "frühere" Elite hatte, auch nach oben zu kommen. Indem man das Gute verleumdet. Indem man die Deutungshoheit über Kriterien der Gutheit an sich reißt, ermächtigt (hier haben wir sie: die Gewalt!) durch die Koalition mit den Armeen des zufälligen Zeitgeists. Unter dem Deckmantel einer neuen Pastoral (= Gewalt) der zuchtlosen Triefmäuler und Vielredner. Die nur noch dann Ziele erreichen, wenn sie es schaffen, Ziellosigkeit durchzusetzen, die man dann Liebe nennt.

Wenn Kremsmünster diesen Weg gehen will, kann man das Stift tatsächlich zusperren.



*Und das verkünden Priester im Beichtstuhl mit vollem Ernst, ja unter der Behauptung der Liebe - in der sie den Pönitenten, der sich ob seiner Fehler nicht gut fühlt und weiß, zum skrupulösen Idioten, zum Psychopathen erklären, der sein Gewissen aushebeln sollte, statt nach Buße oder Sühne zu begehren.

**Einer der Treppenwitze der gegenwärtigen (europäischen) Mainstream-Psychologie und Pädagogik ist ja, daß sie meinen, NEUES zu propagieren, und dabei unreflektiert (und vor allem: unwissend) philosophischen Moden aus dem 18. Jhd. nachspringen. Gerade bei Rousseau läßt sich das hervorragend zeigen: Denn der Franzose ist auf stupende Weise der Prototyp des heutigen aufgeklärten, alles besser wissenden Menschen, der aber nur nachbetet, was damals gesagt wurde. Der heutige Mainstream (sowohl in These wie Antithese, also "Kritik") ist - wörtlich! - Rousseau 1:1.




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