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Montag, 25. Mai 2015

Meisterlich

Zum Vergleich hier die Aufführung der 9. Symphonie Beethovens mit den Wiener Philharmonikern und dem Wiener Singverein unter Christian Thielemann, im großen Saal des Wiener Musikvereins, diesem im 19. Jhd. bewußt als Resonanzkörper gebauten Hauses am Ring.

Vollkommenheit, in der sich jeder Teil ins Ganze zu einem neuen Ganzen fügt, und das vielleicht zu selten bei Beethoven Gesehene - seine Anbindung an Musik als Tanz, weil als Weltbewegung, sein Liedhaftes!* - so durchdringend erfahren läßt. Denn das gibt seiner Musik ihre heroische, tiefgeistige Heiterkeit als tragenden Grund, die man aber hören können muß.** (Die wahrzunehmen auch der VdZ lange Jahre brauchte.) Thielemann reißt dabei das Orchester zu einer Höchstleistung, das sonst gerne einmal etwas "ein-wienert", weil es um seine objektive Qualität ohnehin weiß. Die es hier aber wieder einmal zeigt, die sogar in der Digitalisierung noch erahnbar ist.

Hören Sie hier aber den Tanz der Menschheit? Spüren sie, wie die rhythmische Strenge zur Freiheit der Freude als wahre Heiterkeit wird? Sehen Sie im Schlußsatz die in der himmlischen Erlöstheit wirbelnden, im Tanz schreitenden Paare, Männer in ihren schwarzen Jacken mit goldenen Knöpfen, Frauen in ihren roten Röcken, die das Drehen zu Glocken formt, Völker, die sich vor dem großen Finale noch einmal in höchster Spannung im Gebet sammeln, um dann endgültig, vereint mit dem Chor der Engel, die man mitzuspüren meint, freigeworden von aller Erdenschwere loszustürmen ins Licht, in das sie die Schöpfung mitreißen.

Beethoven mußte es in Stufen aufbauen, in diesem fast 50minüten letzten Satz immer wieder zurückgreifen, um Luft zu holen, um eins ums andere nachzuziehen, was der Zuhörer je zurücklassen mußte, bis er ganz in seiner Spitze des Universalen versammelt ist, denn unerfaßbar wäre sonst die finale Wucht, die menschliche Schale wäre zu klein. Das Wesen des Dramas!






*Als Hörempfehlung erlaubt sich der VdZ die Beethoven-Klaviersonaten in der (schon etwas älteren) Interpretation von Friedrich Gulda zu nennen. Denn meist werden gerade diese Werke überfrachtet mit einer Sentimentalität, die dem Werk gar nicht gerecht, aber von vielen im Rahmen eines unerträglich romantisierten Geniebegriffs als "schön" mißverstanden wird. Das hat auch der VdZ erst bei Gulda begriffen. Denn der zeigt einen ganz anderen Beethoven, einen Tanz- und Liedermacher, an den man viel mehr glauben kann, wenn man das einmal herausgehört hat. Es verläßt einen nicht mehr. Plötzlich erhellt sich nämlich dieser Komponist, als würde er von diesem bedrückenden Gefühlsmuff befreit, und seine Musik wird damit erst wirkliches Gefühl und Geist.

**Der VdZ sieht Thielemann in einer Reihe mit Böhm, Furtwängler, vor allem aber Karajan bei Beethoven-Werken, auch wenn er an Beethoven wieder ganz Anderes sehen läßt. Man höre aber des letzteren (späte) Interpretation von Beethovens 7. Symphonie, v. a. im 2. Satz (ab min. 11,47) - die Symphonie als ein einziger volkstümlicher Tanz.  

Was die Völker (und ihre Musik) unterscheidet, was sie, was den Einzelnen, der immer Teil eines Volkes ist, kennzeichnet, ist im Tanz erkennbar und damit mitteilbar, anderen nachfühlbar geworden. Denn Menschsein heißt zuerst: Rhythmus, Bewegungsgestalt zu sein und daran wie darin zur Menschengestalt werden. Die Welt IST Rythmus.








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