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Dienstag, 16. Juni 2015

Einige Handlungsrichtlinien eines Staates (1)

Das Recht auf Eigentum als freie Verfügung über Welt bzw. Dinge und Lebewesen (Tiere, Pflanzen etc.) die unter dem Menschen stehen, ist von der Kirche immer verteidigt worden, ja es ist Teil ihrer Anthropologie.

Ist aber Eigentum quantifizierbar? Prinzipiell - nicht! Deshalb ist auch nicht aussagbar, daß Unterschiede im Eigentum gut oder schlecht wären, oder quantifizierte Unterschiede als gut oder schlecht beurteilbar. Denn diese Güte hängt von vielen anderen Faktoren ab, die nicht generalisierbar sind, weil es sich immer um konkrete Menschen und Umstände handelt, in denen sie auftreten. Eigentum bedeutet nicht mehr und nicht weniger als die Möglichkeit für einen Menschen, sein Leben zu vervollkommnen, indem es ihm Anwendungsmöglichkeiten bietet, in denen er sein Leben zur Vollgestalt bringt. Daran bemißt sich auch dann die Gerechtigkeit.

Das muß keineswegs heißen, daß jeder der wenig hat, nun mehr haben muß. Denn das Maß des Wohlstands eines Volkes, schreibt Rosmini einmal, bemißt sich nicht an Zahlen oder Bevölkerungsmengen, sondern am zustand ihrer Sittlichkeit. Nur als sittliche Menschen können sie gerechte Güter schaffen und gerechtes Eigentum erwerben, und der Staat hat wenn schon nicht immer die Aufgabe, das diekt zu fördern, so doch dafür zu sorgen, daß dieser Lebensvollzug durch andere nicht beeinträchtigt wird. Deshalb darf er sich niemals unter das Eigentum seiner Bürger stellen, sondern muß immer mächtig genug bleiben, um korrigierend einzugreifen. Und sei es durch Verfügungsbeschränkungen.

Weil eben Eigentum, und das Recht darauf, mit Sittlichkeit direkt zu tun haben, hat die Obrigkeit - Staat, oder öffentliche Regierung - auch nur darauf zu achten, daß Eigentum im Sinne des Gemeinwohls wirkt, nicht GEGEN dieses Gemeinwohl wirkt. Die viel eigentlichere Aufgabe des Staates ist, das Gemeinwesen so zu lenken und zu ordnen, daß sich die Sittlichkeit seiner Bürger - die damit ident ist mit deren Fähigkeit zum Lebensvollzug - hebt. Das heißt sehr wohl auch, daß er entsittlichende Einflüsse fernzuhalten oder gar zu unterdrücken hat.

In keinem Fall ist es aber richtig, die Menge an verfügbarem Eigentum zu verabsolutieren. Denn das erste Ziel des Staates ist Sittlichung -  nicht Wohlstand. Es kann also auch heißen, daß ein Staat geringeren Wohlstand akzeptiert, weil dessen bloße Vermehrung das höchste Staatsziel gefährden würde. Armut ist kein absolutes Übel, es kann in entsprechender Haltung getragen, die Sittlichkeit eines Staates sogar heben, und tut dies sogar meist.  (Marx war sehr verbittert als er feststellte, daß Armut KEIN Grund für die Menschen ist, sich zur proletarischen Revolution zu erheben, sondern das genaue Gegenteil bewirkte.) Zumindest solange sie nicht durch die Gefahr der Entmutigung existentiell geschwächt wird.

Denn ohne diese Haltung wird Armut zum Elend. Hier hat der Staat aber dann nur die Aufgabe, etwas direkt (immer aber: in Subsidiarität) zu fördern oder zu verhindern, wenn dieses Elend aufgrund seiner entsittlichenden Funktion Gemeinwohl verhindert. 

Das heißt aber wiederum nicht, daß der Staat "unsittliches Verhalten"³ in jedem Fall verhindern muß, denn die Freiheit seiner Bürger - und nur darauf kann das Gemeinwohl aufbauen - heißt auch, daß sie die Freiheit zum Scheitern besitzen können müssen, sonst wäre auch die sittliche Entscheidung gar keine Freiheit, und die "gute Handlung" u. U. gar nicht "gut". Der Maßstab für ein Gemeinwesen, einzugreifen - durch Strafen, durch Verbote etc. - liegt dort, wo individuelles Verhalten beginnt, sich auf andere auszuwirken.

Während also einerseits Eigentum nicht heißt, daß sich damit auch ein Lebensvollzug vervollkommnet, denn es kann sogar das Gegenteil eintreten: entsittlichte Menschen verwenden Eigentum falsch, zerstören also das Gemeinwohl, heißt es anderseits, daß im Sinne des Gemeinwohls jeder so viel Eigentum schaffen und besitzen (also frei darüber verfügen) können soll, als er zur Erfüllung seines Lebens benötigt. Immer noch heißt das aber nicht, daß sich für einen Staat die Pflicht ergibt, direkt Eigentum zu "verteilen". Gleichheit des Eigentums ist noch lange keine Gerechtigkeit, sogar meist das genaue Gegenteil, und schädigt das Gemeinwohl. Es heißt nur, daß er alles fördern muß, daß diese Gerechtigkeit bewirkt oder bewirken kann, und alles beschränken oder gar verbieten muß, das diese verhindert.²

Es kann also sehr wohl sein, daß sich riesige Vermögen bilden, während ein großer Teil der Bevölkerung nur wenig besitzt - und alles ist dennoch KEIN Zustand der Ungerechtigkeit! Es kann aber auch sein, daß diese Vermögen durch ungerechte Übervorteilung entstanden sind, durch ungerechte Ausbeutung, die einen Teil der Bevölkerung hindert, sein Leben zu entfalten. Oder gar einen Einfluß bilden, der den Staat in seiner Aufgabe, für das Gemeinwohl zu sorgen, erpreßbar macht. Dann braucht der Staat genug Macht, um diese Eigentumskonzentration zu bekämpfen und in die Sittlichkeit überzuführen. 

Ein Staat darf also auch - und sei es, daß er Gewalt anwenden muß - nicht zulassen, daß sich eine Gegenmacht bildet, die ihm gefährlich werden könnte.* Nicht, weil er absolut ist oder sein darf, denn er ist auf eine Weise nur die andere Seite der einzelnen Person,  sondern weil er eben jene Gesamtheit ist, in der sich erst seine Bürger (die Personen sind) ganz zu sich - als Individuen - entfalten können, als erste Identität, aus der dann der Einzelne seine Identität - im Aufruf des Du - aktuieren kann. Denn ein Staat ist immer ein unauflösbares Gefügeganze seiner Bürger. Der Staat darf  niemals zur Beute von einzelnen Interessensgruppen werden, die seine Macht usurpieren wollen, um ihre Interessen mit Gewalt durchzusetzen, und das betrifft auch eine Parteienstruktur einer Demokratie.**

Es heißt umgkehrt aber auch nicht, daß ein Staat nur Maßnahmen setzen darf, die "von allen gutgeheißen" werden. Das Maß dieser politischen  Maßnahmen muß vielmehr das höchste Ziel des Staates bilden - das anthropologisch definierte Gemeinwohl. Und dieses höchste Ziel kann nur die Religion definieren, die das unverzichtbare Gegenüber eines politischen Staates ist, das diesem in den abstrakten Prinzipien übergeordnet sein muß. Recht ist ohne Ethik, ja ohne Moral undenkbar, und wird unter einer lediglich formalisierten Betrachtung zwangsläufig zum Unrecht und zur institutionalisierten Ungerechtigkeit.

Zerfällt ein Staatsvolk deshalb in unterschiedliche Religionen, zerbricht ein politisches Ganzes, zumindest für einen gesamten Staat, und Parallelgesellschaften mit je eigenen Rechtssystemen werden unerläßlich, ohne der Frage nachzugehen, nach welchen ethischen Prinzipien eine Regierung überhaupt noch verantwortlich handeln kann - wenn etwa eines dieser Religionssysteme anthropologische Schlüsse zieht, die nach anderer Betrachtung als dem Gemeinwohl schädlich betrachtet werden müssen. (Darin liegt der ursprüngliche Sinn der "Anerkennung einer Religionsgemeinschaft", in der der Staat genau diese Überordnung beim Einzelnen nämlich anerkennt, oder nicht.) In jedem solchem Fall aber muß sich ein Staat politisch in eine Reichsidee transformieren, und seine politischen Möglichkeiten beschränken sich auf Agenden, die diese Vielfalt überhaupt zusammenhält (vor allem: Kriege, Zusammenhalt sämtlicher Teilgebilde, oder Außenpolitik).***


Morgen Teil 2) Die Anmerkungen & Gewohnte Exkurse







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