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Donnerstag, 2. Juli 2015

Wenn die Ehe nicht mehr selbstverständlich ist (2)

Teil 2) Im Grunde ist damit alles erklärt - 
Und: Warum die Ehe die Ehe macht




Das wahre zivilisatorisch-kulturelle Problem entsteht also in dem Moment, wo die Ehe nicht mehr selbstverständlicher Lebenspunkt aller Menschen eines Kulturkreises ist. So, wie es in Österreich noch in der Kindheit des VdZ, den 1960ern war, wo niemand auf den Gedanken kam, NICHT eines Tages zu heiraten. (Es sei denn, er wollte in den Kleriker- oder Ordensstand eintreten, oder bewußt in irgendeiner anderen Form - man denke an den Stand der geheiligten Jungfrauen, auch das damals durchaus häufig; oder er war "für die Ehe unfähig", ein schwerer seelischer Mangel) Jedes Lebensnarrativ hatte prinzipiell die Ehe im Blick. So, wie es auch bei vielen außereuropäischen Kulturkreisen nach wie vor der Fall ist. Und immer ist es ein heiliger Akt - außerhalb der Religion läßt sich Ehe nur noch als pragmatische Abführung begreifen, ihr Wesen liegt aber in der Form, nicht in ihrem "Nutzen" begründet. (Ein Fehler, den im übrigen auch gerne "Verteidiger" der Ehe machen, die glauben, sie durch Pragmatismus - oder in spiritualisierender, das natürliche Gefüge, der eigentliche Ort der Wirklichung der Menschwerdung, als belanglos vergessende Weise - retten zu können.)**

Wenn die Menschen eines Kulturkreises aber nicht mehr heiraten, wenn die Ehe nicht mehr als selbstverständlich angesehen wird, weisen sämtliche (!) Menschen dieses Kulturkreises einen schweren, ja fundamentalen Mangel in ihrer Menschwerdung auf. Der nicht durch Ersatzhandlungen (die zur technischen Funktionalität werden) wettzumachen ist. Jeder tätige Vollzug weist demgemäß dieselbe Mangelcharakteristik auf. Eine solche Gesellschaft (egal in welcher Form) wird mit der Zeit immer substanzschwächer werden. Sie wird ihr schöpferisches Element verlieren, und damit ihre Lebenskraft. (Das demographische Problem ist da nur noch Folge; es kann auch direkt niemals gelöst werden, etwa durch "Gebäranreize", "Kitas", oder "Vereinbarkeit von Beruf und Familie"; es sei denn auf Kosten des eigentlich Humanen - die berühmte "Mutterkreuz-Diskussion: Soldaten für den Führer".) Denn es kommt unweigerlich zum Austrocknen der Liebe - Liebe ist aber das einzige Element, aus dem heraus Erkenntnis einerseits, gute Handlung anderseits erwachsen kann. Sie ist das höchste Ziel der Politik überhaupt, schreibt Rosmini sogar.

Handeln, auch in der Politik, wird nur noch reaktiv - und in der Zielvorgabe der Reaktion: rückwärtsgewandt - sein. (Denn nur aus diesem oben beschriebenen Je-einander kann schöpferisches entstehen.) Auch im Handeln der Bürger (und damit auch der Wirtschaft) wird nur noch Ablaufoptimierung (auch sie: rückwärtsgewandt) und Schein-Innovation herrschen. Gefühl wird durch Gefühls-Simulation verdrängt, denn die wahren Gefühle (die aus den Tiefen stammen, denn die stellen ontologische Zustände dar) werden zur Gefahr. 

Dafür wird eine heftige Bewegung zur Unterdrückung dieser Gefühle - etwa in Rausch- und Fluchtmitteln und -zuständen - stattfinden. Moralismen, als Simulation "guten Handelns" anhand technizistischer Weltsicht, werden dominierend und schließlich totalitär. Heranwachsende, denen bereits die Erfahrung der ontologischen Grundverhältnisse der Welt fehlt - die sich in Vater und Mutter darbieten - werden zu hilflos an der Welt herumoperierenden, versuchenden, aber haltlosen Ausgewachsenen, die aber ihre Kindheit nie substantiell überwinden können, und deshalb auch die Stufen des Menschen im Lebensalter erfüllen können. Ihre Erkenntnis, die nur am Leid genug "Interesse" an Modifikation (am Sein, also: in Richtung Wahrheit) findet, also wächst, wird immer der körperlichen Faktizität nachhinken. Und dies ist nur eine sehr schwache, unvollständige Beschreibung der Folgen.

Sodaß sich zusammenfassend sagen läßt: Verliert die Ehe im Lebensvollzug eines Menschen ihre Selbstverständlichkeit, mangelt es im Grundvollzug des In-der-Welt-seins an fundamentalen, jede einzelne Handlung kategorial defizient machenden Parametern. Die nur als ganzer Mensch möglich zu erkennen wie zu vollziehen sind, weil nur der sie "hat", weil sie als nur dem realen, "ernsten" Lebensvollzug immanent seiend nicht methodisch erwerbbar sind. (Weshalb jeder Mensch als Erwachsener einen "Stand" erworben wie ergriffen haben müßte, der begrifflich zu einem solchen "wurde" und einen Ort in einem Staat hat - sodaß er in jedem Fall auch in einer "Schmalspurehe" "heiraten" kann.) 

Das wirkt sich besonders deshalb aus, weil der Mensch als Sozialwesen auf Gemeinschaft hin orientiert ist, sich diese Gemeinschaft aber nicht mehr "natürlich" - nur noch mit totalitärem Zug - vollziehen läßt. Damit löst sich erst langsamer, dann aber in immer rascherem Tempo jede gesellschaftliche Form - Staat, Gemeinschaften, Genossenschaften jeder Art - auf, der Einzelne ist immer mehr nur noch auf sich geworfen, ohne so aber leben zu können.

Wie sehr diese Konstellation als Konstitutivum jedes Menschen (in der Zweigeschlechtlichkeit) ihn auch mit jedem Menschen neu bestimmt, zeigen die jährlichen Werteumfragen, die Jahr für Jahr dasselbe Ergebnis zeigen (woraufhin sich Genderbefleißigte noch mehr "Arbeit" vornehmen): daß junge Menschen zu über 90 % - eine Ehe (oder eine Vorform der Ehe, und eigentlich damit: Ehe) wollen. Das ist nie das Problem. Das Problem beginnt, wenn die begriffliche Welt so neurotisiert und zerstört ist, eben die Selbstverständlichkeit (und was aber läge näher?), daß sie den Weg nicht mehr finden. Ihrer eigenen Freiheit also, als Folge gedanklicher Kastration wie einer habituellen Prägung, die der vollen Wirklichkeit des Erlebten nicht entspricht (und hier ist von Sexualität die Rede), im Wege stehen.***

Aus alledem folgt, daß sich sagen ließe, daß die Grundmängel, die heute allesamt längst feststellbar und allgemein bekannt sind, ihre Deutung schon nur aus der Stellung der Ehe - und der Geschlechter innerhalb der Ehe, weil das für den Ehevollzug selbst wesentlich und nicht beiläufig ist, weil sich ein Ding erst in der Form vollzieht - zulassen.

Wenn also eines der Geschwister der Seherkinder von Fatima, Lucia, dem Kardinal Carlo Caffara aus Bologna im Jahre 2008 in einem (wie es heißt) langen Brief schrieb, daß sich der entscheidende Kampf um die Welt in der Frage der Ehe und Familie austrage, so kann das aus diesem auf andere Weise notwendig zu denkenden, ontologischen Gesamtzusammenhang nur bestätigt werden. Denn mit der Ehe, in oben beschriebenem Sinn konkretisiert - steht und fällt buchstäblich alles. Nur tut es das auf andere Art, als viele glauben.

Denn der Mensch ist seinem Wesen nach - ehelich. Diese Ehelichkeit aber ist ein Problem der Form, nicht einer bloßen "Moral".






**Es gibt zahlreiche Beispiele der Vergangenheit, die zeigt, daß gute kulturelle (und wirtschaftliche) Entwicklung von verantwortlichen, wissenden Politikern mit der politischen Maßnahme "Möglichkeit zur Verehelichung" (direkt-konkret im geschlechtlichen wie im o. a. übertragenen Sinn) eingeleitet wurde.

***Wie sehr dies bereits eingetreten ist bestätigen Aussagen von Kirchenrichtern aus ihren Erfahrungen mit Annullierungsverfahren, oder aus der Pastoral. Die seit Jahren behaupten, daß ein enormer Prozentsatz der jungen Menschen nicht mehr ehefähig sind. Nicht, weil sie nicht "wissen", was Ehe bedeutet. Das muß nicht im Bewußtsein auftauchen. Sondern weil ihr Habitus, ihre Prägung, die Unfähigkeit zum Empfang des Ich aus dem Du sozusagen, ihre Unfähigkeit vor allem, sich auf ein "Formfeld" hin (und das ist ja eigentlich Ehe) zu transzendieren, ein Ehe nicht mehr führbar (und damit auch eine faktische Eheschließung ungültig) macht. Wir haben es bereits heute offenbar mit einem enorm hohen Prozentsatz an jungen Menschen zu tun, die "von Menschen zur Ehe unfähig gemacht" wurden. Den Bestand einer faktisch "geschlossenen" Ehe als Moral- oder Glaubensgebot einzulasten hat deshalb oft regelrecht etwas Zynisches. Wenn auch nie vergessen werden darf - und aus hiesigen Ausführungen müßte das als conclusio auch hervorgehen - daß bei gültigem Einsetzungsvorgang DAS AMT DEN MINISTER - die Ehe also die Ehe - MACHT.





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