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Dienstag, 11. August 2015

Theologie der Getrenntheit (1)

Ein erster Versuch


Den wirklichen Ausweg aus der eigentlich sich am Stand drehenden Diskussion um die Problematik des Getrenntseins von (Ehe-)Paaren - die eine gesamtgesellschaftliche Problematik allererster Dramatik ist - kann nur eine Theologie der Getrenntheit bieten, die von der innertrinitarischen "matrix" der Stellvertretung ausgeht. In der das Wesen des einen das Wesen des anderen insofern mitsetzt, als es sich gegenseitig den Geist zuhaucht. Sodaß zwei in Einem geeint, aber erst durch diese Verschiedenheit geeint wird.

Das trifft auch auf Mann-Frau, als Ganze zum Menschen werden und gemacht (weil sich je dem anderen im Gesetztsein als Anrede durch ein Du verdankend) nur in der Ehe, zu. Und es überhöht das Reden von einem "so leben als wäre man verheiratet", will dieses nicht zu einer Kasperliade werden.

Es gibt im Schauspiel den alten Spruch: "Ich bin der König - Ihr müßt mich spielen." Die Präsenz, das Sein des Königs muß von allen mitgelebt werden. Er steht ihnen gegenüber, in seiner Beziehungsgestalt, und sie müsse ihn leben, selbst wenn er nicht körperlich präsent ist.

Und in diesem Sinn müssen geschiedene Eheleute, die nie mehr zusammen leben werden (können), den je fehlenden Teil stellvertretend übernehmen. (Wie es ja im übrigen zusammenlebende Ehepaare ohnehin tun.) Dabei geht es um den Knackpunkt, daß es keine Trennung ohne Schuld gibt. Schuld ber heißt, schreibt H. U. v. Balthasar einmal sehr schön, nicht die aktive böse Tat, sondern das vorenthalten der Stellvertretung, in der ein Ding den Bezug auf seine Idee verweigert, aus der alleine es sich entfalten würde. Und sich als Ding erwiese, das immer ein FÜR DEN ANDEREN ist, weil jedes Ding (Seiende) ein FÜR JEMANDEN ist. 

Analog eben der Trinität, in der die Dreipersönlichkeit sich in diesem totalen Füreinander (das sie wiederum eint, und das ist es, was sie eint) zum Einen (Gott) macht. Oder, in der Ehe: In der dieses Für den anderen, das der eine (oder beide) verweigert, vom anderen "mitgespielt" wird: Indem er auf eine Weise lebt, in der dieses Für-den-anderen des anderen (der sündigt, dieses also verweigert) in die eigene existentielle Spannung übernommen wird. Und das heißt genau nicht: ERSETZEN. Es heißt: Stellvertretung. Die den Platz des anderen freihält, worin der Stellvertretende also den Vertretenen zu sich selbst befreit, an seiner statt handelt, noch einmal: ohne ihn zu ersetzen. (Denn wer ersetzt, nichtet.)

Wo das Seiende sich vom Sein abwendet, auf kurz oder lang damit ins Nichts fällt (und die Hölle ist die völlige Abwesenheit von Bezügen, die permanente Abwendung von diesem Sein, die verewigte, festgefrorene Haltung der Verweigerung der Stellvertretung, der Maske sozusagen), ist sein Faktisches defiziös. Seine reale, faktische Gestalt vermittelt in ihrem Sein nicht das und nicht in jener Fülle, wie sie sollte. (Denn Name, Begriff ist Auftrag.) Deshalb ist sie durchaus manchmal dann zu meiden, als Gebot der Klugheit, ja gar manchmal der Pflicht.

Davon zu träumen, daß Geschiedene also in jedem Fall wieder zueinander finden sollen, ist Traum, Illusion, kein prinzipieller Weg, als Ziel verstanden. Das Leben ist meist komplex, und es entwickelt sich (auch in der Zeit der Trennung) weiter. Auch ist der Schmerz, der aber ein innerweltlicher ist, daß der andere fehlt (das gilt auch für allfällige Kinder), nicht zu beheben oder wegzuleugnen. Selbst wenn ein Abgetrennter (als der, der ging, sagen wir) versucht, lieb und nett und freundlich zu sein, so wird er nie mehr als ein unerfülltes Versprechen bleiben.

Aber es ist die Verschuldensfrage, die Frage der Sünde, die entscheidende Frage.² Ohne sie ist das Problem prinzipiell nie heilbar, sondern immer eine offene Wunde der Verweigerung, unter Umständen von beiden Ehepartnern. Denn der Nicht-Schuldige ist es dann, der stellvertretend das Versagen des anderen mittragen muß, und er ist es auch, der das kann. Ob es der ist, der bleibt, oder der ist, der geht. (Nicht jeder, der geschieden ist, ist somit Sünder. Auch ist der dumme Satz, der oft zu hören ist, daß "zwei dazugehören", dumm weil er falsch ist. Denn es ist höchstwahrscheinlich nur einer aus dem Paar.*) So werden sogar sehr reale Folgen, auch allfällige Auswirkungen auf Kinder, weitgehend abgemildert, ja ihrer Tiefendimension beraubt, "harmlos", weil sie nur noch auf einer innerweltlich-menschlichen Ebene bleiben.

Und hier ist der Begriff der Sühne einzuführen. Denn in diesem Ertragen des Schmerzes, der aus der Stellvertretung des anderen (der sich aber verweigert) fließt**, hebe ich diesen anderen wieder in jene Stelle, von der er sich abgewandt hat.

In solcher Haltung der Stellvertretung, die sich in diese Haltung der Sühne (fast von selbst) ergießt, wirkt damit sogar bei Geschiedenen die Gnade des Ehesakraments weiter (und zwar auf fundamentale Weise für beide!), das sich auf jene Ganzheit bezieht, die der Nicht-Stellvertretende ablehnt und verdunkelt. (Das gilt übrigens auch für die temoräre Ablehnung, wie sie in der Sünde der Fall ist, ohne daß es sich in Scheidung äußern müßte, betrifft im Grunde also jeden.) Aber es ist dieses Ganzheitsbild, diese umfassende Idee, die der Stellvertretende unterfaßt, und damit (z. B. den Kindern) selbst bei Trennung noch nahebringt. Denn der Mensch lebt vom Wirklichen, das ein Unsichtbares ist - der Mensch sieht immer Ideen.




Morgen Teil 2) Anmerkungen zur Praxis - Anmerkungen 



²Es ist auffällig, daß gerade zum Thema Ehe auch von "aufrechten Katholiken" direkte überlieferte Aussagen des Heilands Jesus Christus regelrecht ignoriert werden. Als weigerte man sich, sie verstehen zu wollen. Denn erst unter der hier versucht auszufaltenden Perspektive, so der VdZ, ist etwa der Satz verstehbar, daß niemand eine Ehe scheiden könne AUSZER im Fall des Ehebruchs. (u. a. Mt.19ff; wie sich die Übersetzung auf "Unzucht" als rein körperlich-sexueller Akt zugespitzt hat, wäre eine Untersuchung wert.) 

Zugleich sagt Jesus, daß eine Frau schon nur lüstern anzusehen die Ehe bräche. Etc. etc. Das (alleine) auf die Sinnenfreude mancher etwas leichtfertiger Menschen hinzuschnitzen, die halt allzu leicht der üppigen Nachbarin oder dem charmanten Burschen auf den Leim gehen, ist puritanisch-protestantischer Moralismus, und oft sogar nur eine Lüge des Neids oder gar der in Haß umgebogenen Gier, weil man sich diese Lebensfreude versagen muß, geschuldet - nicht der Sorge ums Seelenheil des anderen, dem das in der Gewohnheit zur dauernden seelisch-geistigen Abkehr werden könnte. Das ist zu beichten, und dann zu vergessen.

All das bezieht sich vielmehr auf die Hingeordnetheit zum Ordo Gottes, der ein Zueinander von Ideen ist, die die Menschen, die darein eintreten wie unter ein Dach, binden und prägen oder gar hervorgehen lassen ("Das Amt macht den Minister"). Ehe ist keine Anstalt der Moralisten. Sie ist eine der Ontologen. Der bloße physische Akt des "Seitensprungs" spielt gerade in diesem Punkt oft eine erstaunlich kleine und temporäre Rolle. Während die wirklichen Ehebrüche heute ganz anders laufen, ja ... allgemeiner Usus in unseren Ländern geworden sind. Auch nämlich unter "Religiösen". Als Ignoranz der Idee des Menschen gegenüber. Nicht wer einen Moment lang (oder länger) schwach wird ist der große Sünder, sondern der, der die Idee des Menschen, und damit die der Ehe, ablehnt. Denn dessen Ehe ist so lange gar nicht heilbar, selbst wenn er lebte wie ein Mönch. Er lebt in der Sünde wider den Heiligen Geist. Das ist nicht zu beichten. Das kann nicht vergeben werden, weil der Mensch es selbst umkehren muß. Man kann nicht beichten, die Freiheit zu mißachten. Beichte ist selbst ein Akt der Freiheit, so wie die Sünde.

Auch das Problem der Jugend, die schon so früh und immer früher durch die Betten hüpft, ist nicht primär, daß sie durch die Betten hüpft. Sondern daß sie die Idee der Ehe ablehnt und meist nicht einmal mehr kennt. Erst von ihr aus ist der Leib als die Kostbarkeit begreifbar, die er ist: Stellvertreter, Ort der durchleuchtenden Idee Gottes. Aber das hat sie gar nicht mehr erfahren - in den Eltern (und hier: vor allem in der Mutter)! Denn die Kinder geben ganz genau jene Ideen wieder, die sie über uns, in unserer physischen Präsenz und Lebensart, kennengelernt haben. Es ist ihre eigene Basis.

P. S. Schon wieder die Mütter? Woran sind denn nicht sie schuld?  Tja, bei Kindern - fast an allem ... Aber warum darüber aufregen? Wird nicht heute lautstark überall verlangt, die Macht und Leistung der Frauen in den Vordergrund zu schieben? HIER IST EINE DAVON. Sie haben auch das Gelingen der Kindererziehung in der Hand, ja sie haben alles in der Hand, weil sie die Antwort der Welt in der Hand haben. "FIAT - Mir geschehe, wie Du es gesagt hast."




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