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Samstag, 19. September 2015

Kolberg - Aussage über die Gegenwart (2)

Teil 2) Nun Volk steh auf. Heute.





Die in Kolberg vorzufindenden Haltungen der Proponenten, die das deutsche Volk zum letzten Aufgebot aufputschen sollte, trotz der bereits zerstörten Städte und Millionen Tode, sind nichts als Nachboten der französischen Revolution. Sind die Wegweiser für die heutige Zeit der pseudologischen und autonomistischen Politisierung der gesamten Bevölkerung, der nur noch Massenrausch, Zugehörigkeit zählt. Politik ist nicht mehr Sache der Regierungen, der Amtsträger, der Gesandten, Krieg ist keine Sache des Staates alleine mehr, nein: es ist Sache jedes Einzelnen. Es wird heute gerne vergessen, daß selbst die allgemeine Wehrpflicht aus diesem Geist kommt. Napoleons Erfolge waren auf diese Form der Politik ausgerichtet, durch Massenaushebungen hatte er erstmals kriegsstrategische Möglichkeiten**, die bislang außerhalb jeder Ethik standen. Auf die das Volk aber bereits durch die Grundbewegung der Revolution 1789ff, einer fundamentalen Umkehr der Haltung, vorbereitet war. Die Regierung, die Amtsträger sind veraltet und verstaubt. 

Die Bürger aber, die einfachen Bürger, sind modern, aufgeschlossen, und vor allem technikaffin. Und es sind die unteren Chargen, die Unteroffiziere und Leutnants, die also, die durch die Auftragstaktik (statt der Befehlstaktik) direkt in der kämpfenden Truppe der deutschen Kampfstrategie die entscheidende Rolle spielten. So auch in diesem Film: Die persönliche, individuelle Ehre, in der gesamten Menschheitsgeschichte das tragende Element des Kriegers, wird durch technische Effektivität einerseits, durch überindividuelle (pseudologische) Begriffe anderseits (Volk, Vaterland, Sieg der Revolution, Sieg der Idee, etc.) ersetzt. Zwei Grundsichten, die immer wieder gegeneinander standen - etwa als Konflikt zwischen Persern und Griechen, zwischen zentralistischem Massenstaat und der im Staat Gestalt gewordenen Einheit von freien, individuellen Bürgern.

Es sind in Kolberg deshalb genau so diese einfachen "tüchtigen", auch die armen Bürger, die Bürger mit Zivilcourage, die Leistungselite, nicht die "alte" Elite, die das Heft in die Hand nimmt und "groß" denkt. Die Besitzenden sind die egoistischen Charakterschweine, die Fürsten und Könige Eidbrecher und untreu - es lebe der Bürger als König. Man lasse sich von Einzelaussagen (etwa die Treue zum ... historischen (sic!) König) im Film nicht irritieren, die seine eigentliche Linie verwischen wollen. Da haben dann natürlich - in der Not - auch die Frauen ihre entscheidende Rolle. Wenn alle Stricke der Männer reißen, werden gerne auch Vollmachten erteilt. Geduldet. Da wird sogar die Königin zur (eine ganz eigenartige, beeindruckende Szene) zur Gottesmutter Maria

Genau das, was heute überall passiert: Die Gestalt, die Form wird ersetzt durch partielle Effektivität und Funktion, Gestalt durch Technik, inmitten einer banausischen Lebenswelt. Das ist die neue Ehre, um die es geht, heute wie .... damals. Selbst die Linie zum Terrorismus als Kampfmethode sich revolutionär verstehender Kräfte ist deutlich zu sehen. Der Nationalsozialismus hat sich immer als revolutionäre Bewegung "von unten" verstanden. Bitte: Wie viele Parteien gibt es heute, die dasselbe tun? Angesichts der Aufrufe zur Einheit in Kolberg "trotz allem" - wer würde sich da nicht an so manche Plakate im aktuellen Wien-Wahlkampf erinnert fühlen, die auch so seltsam von "Einheit" (unter dem Schild der SPÖ) sprechen? Die Archaismen sind dieselben.

Und so wiegt auch das verführerischeste - aber verlogenste - Moment des Films am schwersten: Das die Rebellion rechtfertigt, "bis" ein "guter Kommandant" vom König, der Obrigkeit, gesandt wird. Dann gehorchen auch die Bürger wieder. Sagen das nicht auch viele heute? Meinen nicht viele, es sei heute so? (Oh ja, auch der VdZ stellt sich selber immer wieder diese Frage.)

Und natürlich - das ganze Land, alles kann geopfert werden, um das Ganze zu retten. Wer ist da nicht an den "Krieg gegen das Klima" erinnert? Selbst der Künstler (der Geiger) darf dann fallen, weil er sich nicht dem großen Ganzen eingliedert. Wie die Gestalten, die am Plakat stehen. Es geht doch um Höheres, oder?

Was kommt als Nächstes? Hitler sah sich gerne als zweiten Friedrich den Großen - es wird nicht mehr lange dauern, bis sich heutige Politiker auf Kreisky oder Prinz Eugen berufen. Wehrt Euch, die Gefahren des Bösen marschieren ein, und wenn das ganze Land in Schutt und Asche fällt.

Deshalb sollte man diesen Film gesehen haben, und ganz nüchtern betrachten, wo seine eigentlichen Momente liegen - und wie sie zu bewerten sind. Als Aussage über einen selbst, als Aussage über die Gegenwart. Deshalb fürchten ihn die linken Linken, und deshalb lieben ihn die linken Rechten.




Morgen Teil 3) Nachbemerkliche Exkurse - Endlich: Der Film Kolberg





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