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Donnerstag, 1. Oktober 2015

Strategie einer Generation (1)

Gerd Held auf dem Blog "Tichys Einblick" spricht davon, daß die Eliten der Gegenwart bemerkenswert realitätsfern agieren. Nicht zuletzt in der Flüchtlingsfrage. Denn wie eine der regelmäßigen Umfragen des Allensberger Instituts zeige, sei der "moralische Anspruch" der Eliten zwar hoch, und sie würden auch alles unterstützen, wo es darum geht, Zuwanderer bedingungslos aufzunehmen. Fragt man sie aber nach konkreten Maßnahmen, nach politischen Mitteln, fragt man sie nach Dingen, die ihr eigenes Lebensumfeld berühren, so zeige sich, so Held, daß das, was sie dann forderten, mit ihrem ursprünglichen Ansinnen nicht übereinkommt. Sie beginnen sich immer deutlicher zu widersprechen, um es kurz zu machen (man lese es nach, so man den Argumentationsweg näher kennen möchte.) Held spricht deshalb davon, daß die Eliten zwar gerne Vorschreibungen machen, aber sich darin von dem realen Geschehen in einem Staat schon verabschiedet haben, also völlig realitätsfern geworden sind. So sehr, gerade in dieser Frage, daß man das "Staatsverweigerung" nennen müsse.

Was aber Held in dem Beitrag sagt, ist noch weit mehr und anders zu verallgemeinern. Und es hat sehr wahrscheinlich mit einem bemerkenswerten Phänomen zu tun. Das abzuklären sich Gaston Bouthol mit einem Buch mühte, welchen einstigen Bestseller er schon vor 40 Jahren schrieb. In "Kindermord aus Staatsraison" geht Bouthol nicht so sehr der Frage nach, was Kriege auslöst, sondern was die Situation in einem Staat oder Volk an Bedingungen aufweist, der sich anschickt, aktiv einen Krieg zu führen.

Der Franzose analysiert dabei die demographischen Daten, und versucht sie in einen Ursachenzusammenhang mit Krieg und Kriegsstimmung zu bringen. Vieles an dem Buch ist Unsinn. Aber vieles ist schlicht und ergreifend interessant. Bouthon kommt darin zu dem Schluß, daß es immer nicht im Gleichgewicht befindliche, also "überzählige", nicht Antwort und ausreichend Betätigungsfeld findende Bevölkerungsgruppen sind, die in einem Staat jene Schieflage bewirken, die ihn schließlich in einem erst langsam aufbauenden Wirkfeld und dann recht plötzlich erfolgenden Umschlag zu einem Krieg treiben.

Und das liegt in der Überhandnahme der nachwachsenden Generation junger Männer. Diese in diesen aufkommende, je neue Lust auf Abenteuer und Bewährung zu bändigen bleibt keine andere Chance, als Krieg zu führen. Dazu gibt es zwei bzw. zweieinhalb Möglichkeiten: Das eine ist, die Geburtenzahlen bereits vor oder unmittelbar nach der Geburt zu regeln. So, wie es viele Völker (u. a. die Römer) lange pflegten, die ein Neugeborenes durchaus ablehnen, ja zum Tode verurteilen konnten. Sofern Völker nicht überhaupt zu Empfängnisverhütung oder Abtreibung greifen. 

Ähnliche Mechanismen, so Bouthon, zeigten sich ja auch in der Natur. Auch dort gibt es zwei Methoden, zu dichte Bevölkerung zu vermeiden: Empfängnis zu verhüten, und sei es, daß die Empfängnis- oder Paarungsbereitschaft bei dichterer Besiedelung des Lebensraumes überhaupt abnimmt - wie bei Ratten in einem Käfig beobachtbar - oder daß Methoden der Eliminierung bereits Geborener (durch Mord) auftreten. Oder gar Massenselbstmord stattfindet, wie bei den Lemmingen,. oder den Wanderungszügen von Büffeln und Antilopen in Afrika oder den USA, so Bouthon.  (Bouthon, nicht der VdZ.)

Tatsache ist - wobei sich in der Natur diese Tatsache wirklich beobachten läßt: Lebensräume halten sich bemerkenswert stabil in Art und Zahl ihrer Bewohner, R. Woltereck hat dazu großartige Untersuchungen angestellt; insofern ist es als Faktum zumindest interessant, was Bouthon da schreibt - daß ein bestimmter Lebensraum nur mit einer bestimmten Anzahl von Bewohnern verträgt. Und zwar nicht nur in der Anzahl, sondern auch in der Aktualitätsharmonie, sprich: die Alters- und Geschlechtsgruppen müssen sich in gewisser funktionaler Ausgeglichenheit befinden. Überwiegt eine Gruppe - junge Männer, Frauen, Alte, was auch immer - so reagiert die Gruppe in einer allmählichen Stimmungsverschlechterung dieser Gruppe gegenüber. Und reagiert durch Maßnahmen, sie zu reduzieren, weil sie sonst als Ganzes aus dem Gleichgewicht kommt. Das sei ein unausbleibliches Naturgeschehen.

Bouthon geht so weit, daß er deshalb die Hauptmotivation für Staatenlenker, von Napoleon bis zu Bismarck und Hitler, in einer politisch in Abständen notwendigen (sic!) Reduktion dieser Bevölkerungsgruppen erblicken zu können meint. Vereinfacht: Die Arbeitslosen einer Generation sind exakt jene Soldatenmassen, die im Krieg dann als Gefallene "abgeschöpft" werden. Ist dieser Überhang an jungen Männern abgebaut, kommt auch ein Krieg wieder zum Stillstand. Die Fehler der Herrscher der Vergangenheit waren vielfach aber, daß sie diesen Zeitpunkt übersehen haben. Dadurch hat sich die Stimmung im Volk wieder gegen sie gewendet, weil sie den Krieg nicht früh genug beendet haben.

Ist ein Krieg beendet, steigt die Lebensstimmung eines Volkes rapide wieder an. Aber nicht, wie  man meistens meint oder als Meinung vorschiebt, weil der Schrecken vorbei ist, das ist gar nicht das Hauptmotiv, was sich ja in der Stimmung zeigt (denn die Folgen des Krieges sind ja nun erst recht da.) Sondern weil der Druck von VOR dem Krieg abgebaut ist. Aus diesem Überschuß an Lebensfreude ergibt sich nun auch eine neuerliche Steigerung der Fertilität - der Kreislauf beginnt von vorn. Man könnte deshalb zu dem Schluß kommen, daß eigentlich der Krieg der Normalzustand ist, eine absolute Notwendigkeit also.


 



Morgen Teil 2) Ein völlig neuer Schlüssel zum Zeitverständnis - als Revolution




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