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Freitag, 2. Oktober 2015

Strategie einer Generation (2)

 Teil 2) Ein völlig neuer Schlüssel zum Zeitverständnis - als Revolution




Nun gibt es den bekannten Fall, daß man Korrelation und Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge nicht verwechseln darf. Um in einem beliebten Beispiel zu bleiben: Mehr Störche bringen nicht mehr Kinder, auch wenn die Zahl beider zugleich steigt. (Wobei der VdZ dieses Beispiel gar nicht so glücklich findet, denn er könnte sich hier ganz andere Zusammenhänge vorstellen, tatsächliche Zusammenhänge, die hier symbolisiert werden, aber lassen wir das.) Sieht man die Welt mechanistisch, und dazu tendiert Bouthon zweifellos, wenn er übersieht, daß es im eigentlichen Sinn gar keine natürlichen "Gesetze" gibt, sondern zum einen nur Wahrscheinlichkeiten, weil zum anderen immer Individuen handeln die sich entscheiden, auch in der nicht-menschlichen Natur übrigens (dazu ein andermal noch mehr), so übersieht man außerdem praktisch immer, daß man in diesem Materialismus nur eine Erklärung hinter die nächste schiebt. Daß aber der eigentliche Moment, der des Begreifens, der des wirklichen Warum, nie gelöst wird.

Eigentlich hat der VdZ das Buch ja auch nur erwähnt, weil sein Autor einen im weiteren Textverlauf aber wieder eher vernachlässigten Tatbestand aufzeigt. Nämlich den Einfluß, den Bildung und Elite auf ein Volk haben. Den aber findet der VdZ in Zusammenhang mit der Gegenwart viel interessanter. Denn wir - in Europa - haben keinen Geburtenüberschuß, wir haben nicht zu viele Junge, wir haben eher zu wenige. Und doch ... auch wieder nicht, und dieses Zögern werden wir gleich erklären.

Bouthon weist nämlich - ähnlich wie Jacques Ellul (und nicht nur er) in seinen Untersuchungen zu den Revolutionen - darauf hin, daß es die unterbeschäftigen Eliten waren und sind, die Revolutionen vorbereiten. Sie, die kraft Geburtsrecht und hoher Bildung als Elite herangezogen werden, erleben dann eine Situation, in der die Stelle, die ihnen zugedacht wäre, schon besetzt ist. Es gibt zu viele von ihnen, ganz einfach.

Also überlegen sie Strategien, wie sie das Recht, das ihnen zusteht, einfordern können. Überlegen sie, wie sie jene Positionen und Ehren erlangen können, die ihnen durch die "Inflation von Ihresgleichen" vorenthalten bleiben muß. Denn kein Land braucht zu viele Häuptlinge. Wir aber haben eine ganze Generation zu Häuptlingen herangezogen. Das kann nicht ohne Folgen bleiben.

Der Umbruch der Moral, den wir heute auf wahrlich fundamentale Weise erleben, ist die Gegenwehr der Jungen! Er ist die Gegenwehr einer Generation in UNTERZAHL, die sich gegen die gar nicht mehr absehbar endliche sondern unendliche Dominanz einer erdrückenden Bevölkerungsmehrheit - der Vätergeneration, der Elterngeneration, der Alten* - keinen anderen Weg findet, als deren BERECHTIGUNG zu dominieren durch eine neue Moral zu unterwandern. Nur so kann sie diese drückende Herrschaft abschütteln, den riesigen Überbau, der sie erdrückt, der sie bedrückt, zum Einsturz bringen, indem sie seine Fundamente untergräbt.

Die heutige Generation erlebt sich tatsächlich in einem hohen Maß ungebraucht. Das drückt sich auch in einer aberwitzigen und absurden Pädagogik aus. Das drückt sich sogar in einer ungebremsten Zuwanderung aus, die überhaupt so manchem das Gefühl vermitteln könnte, daß er regelrecht unerwünscht in seinem Heimatland ist. Man braucht bestenfalls einige Eigenschaften. Aber nicht ihn, den Einzelnen, in dem, was er ist. MAN BRAUCHT KEINE IDENTITÄT. Man verwehrt sogar die einzige Weise, wie Identität überhaupt vermittelt wird - als gegeben, nicht als genommen, im Selbstüberschreitne, nicht im Selbstdefinieren. Aber auch das ist bereits Teil einer (im Ganzen sicher unbewußten, aber genau deshalb so massiv, ja beinahe unbeeinflußbar² auftretenden) Gesamtstrategie.

Kinder kommen heute in eine Welt, die regelrecht "vollgestellt", ja erdrückend dicht und festgefahren ist. Gerade jungen Männern fehlt damit jede Möglichkeit, sich eine Welt zu erobern, sich an der Welt die Hörner abzustoßen. Vieles, was als "Spaßgeneration" denunziert wird, ist also keineswegs dekadenter Lageweile entsprungen, die Nervenkitzel braucht. Es ist ein Versuch, eine notwendige und richtige Seite am Menschsein, einen Antrieb zur Selbstwerdung zu genügen. 

Also beginnt sich diese Aggression Sonderwege zu suchen, auch Perversionen, sucht Wege Grenzen zu finden und zu überschreiten, und das als durchaus gesunde Reaktion der Menschen selbst. Nachdem aber diese Welt der Gestelle, der handfesten Dinge, die uns bis ins Schlafzimmer umgeben, kaum mehr beweglich und veränderbar erscheint, flieht man ... ins Abstrakte. Wird die Erde zu klein, flieht man in den Himmel, so könnte man es ausdrücken. Und dieser Himmel ist - die Moral. Die höhere Moral. In ihr können sie sich zur Überlegenheit aufschwingen, hier gibt es eine ganze Landschaft, in der sie sich noch bewegen können, in der sie etwas bewerkstelligen können. In der ihnen kein Vater dreinredet, sondern in der sie die Meister sind.

Und DAS ist der eigentliche Grund (der VdZ denkt mehr und mehr in diese Richtung) warum diese neue Moral, der Klimawandel, die Ökologie, Veganertum (alles miteinander in Wahrheit  Neurosen oder gar schon Psychosen) heute nicht nur dominiert, gerade bei der Jugend, sondern warum sie mit immer größerem Fanatismus vertreten wird. Denn in diesem Fanatismus, in dem "es um etwas geht", tut sich die Tür zu dem auf, was ihnen kraft ihres Menschwerdens eben eigen ist: Das Abenteuer, sich die Welt zu erobern, und vor allem: sich eine Welt zu schaffen.

Expliziter Krieg wurde zur Generallähmung abneurotisiert. Krieg, mit Waffen und Soldaten, wird heute generell verteufelt und für schlecht erklärt. Also sucht man einen neuen Krieg. Und hat ihn schon gefunden. Als Weg, die Vätergeneration total zu beherrschen.

Nimmt man das aus Bouthons Buch, deutet man die Beobachtungen etwa von Gerd Held weiter, kann man durchaus also etwas finden, das Erhellungskraft hat und unsere Zeit auf neue Weise begreifbar macht. Und uns einer (bestens ausgebildeten, aber die Gesellschaftsharmonie zahlenmäßig schon völlig zerstörenden) Elite mit vehementem Führungsanspruch ansichtig macht, die sich anschickt, uns von den Fundamenten her aus den Angeln zu heben.





*Wir stehen heute im Zeichen der Herrschaft der geburtenstarken Jahrgänge der 1960er Jahre. Die Generationen bis Mitte der 1960er (dann kam der Pillenknick) sind rein zahlenmäßig, einhergehend mit einer deutlichen Erhöhung der Lebenserwartung, den nachfolgenden Generationen doppelt überlegen! Daß das das Angesicht eines Staates, die Stimmung eines Volkes - hin zur Fortführung des Vorhandenen, auf die diese Generation ja ihre Zukunftsplanung (alleine durch die erwartete Pension) aufgebaut hat, hin zur Unbeweglichkeit des Status quo also - ändert, ist wohl von niemandem zu bestreiten.

**Der "Jugendwahn", der heute mit Recht beklagt wird, geht also keineswegs von den Alten aus! Vielmehr ist er DAS Mittel der Jungen, den Alten zu zeigen, daß sie ihnen überlegen sind. So erlebt es der VdZ auch ganz real: Junge Menschen fühlen sich schon alleine deshalb überlegen, weil sie sich schlank gehungert halten, während der VdZ ein feistes Bäuchlein aufweist. Fühlen sich schon deshalb überlegen, weil sie aus den Schulen (und bald jeder zweite besucht weiterführende Schulen und Universitäten) mit einer ungeheuren Pose des überlegenen Wissens kommen, demgegenüber das Wissen der Alten wenn schon nicht quantitativ unterlegen ist, so doch in seinem fundamental ANDEREN Anspruch (Moral!) tatsächlich völlig anders ist. Was wir hier erleben ist ein wirklich erschreckendes Ausmaß von Ortslosigkeit, von Zerreißen von Form und Inhalt, von Funktionalisierung des Menschen - statt Gestaltbedeutung. 

Daß Erkenntnis tatsächlich mit Reife und Erfahrung, damit mit Alter, Rang, Stellung, Ort eben zu tun hat, daß das Alter damit auch seinen festen Platz im Gefüge eines Volkes und Staates hat und braucht, weil Zeit das entscheidende Erkenntnismittel ist, daß Erkenntnis mit der Weise des Zugangs (und damit mit der Wirkung der Zeit auf einen Menschen) dazu zu tun hat, daß Würde und Respekt mit der Stellung in der existentiellen Ordnung, der Ideenordnung also, nicht in der der Funktionalität zu tun hat, daß sich aus dieser Ordnung auch Beziehung definiert und nicht umgekehrt, ist mittlerweile völlig verloren. Damit aber hat eine Gesellschaft tatsächlich jeden Halt verloren. Sie muß in sich zusammenfallen. 

²Was den VdZ noch mehr erschreckt aber ist, daß er den Eindruck hat, daß dieser Generation der Jungen bereits eine Haltung innewohnt, die sie unbelehrbar macht. Es ist eine prinzipielle Erkenntnisunfähigkeit, die er zu beobachten meint. Und das kann auch gar nicht anders sein: Sich gegen die Väter zu behaupten kann nur der, der sein Gesicht hart macht, der sich also über sie stellt. Aber niemand erkennt, der das zu Erkennende als unter ihm stehend sieht. Er bleibt immer in seinen bereits vorhandenen Kreisen. Die Schulen in unseren Landen erziehen - als Instrumente der Revolution - also genau dazu: Zur Erkenntnisunfähigkeit. Sie erziehen nur noch zur Anwendungsverbesserung.





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