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Freitag, 11. Dezember 2015

Dipolomatie ist nicht Dogmatik (1)

Das gesprochene Wort ist nie von seiner Gesamtsituation zu lösen, in der es fällt und gesetzt wird. Wenn deshalb der + Johannes Paul II. eine Ansprache an junge marokkanische Muslime (mit Anwesenheit bzw. Adresse des Königs) hält, so ist das auch der Rahmen, in dem das, was er sagt zu verstehen ist. Denn zweifellos sind seine Aussagen geprägt von einem äußerst behutsamen Versuch, auf Gemeinsamkeiten hinzuweisen, die die Ablehnung des Christentums durch Muslime möglichst entschärfen soll. So muß man wohl auch generell dem Islam begegnen, in der Hoffnung, daß die Muslime eines Tages dieses mögliche Ineinandergreifen des spirituellen Kerns ihrer Religion mit dem Christentum sehen mögen. 

Denn natürlich ist der Islam, so wie jede andere Religion des Erdkreises, gewissermaßen eine Auffahrtsrampe zum Christentum. Aber als solche bleibt er weltimmanent, "natürlich", und ist noch längst nicht der Weg zum Heil, wie es mit der Inkarnation Christi direkt - und nur damit - zu tun hat. Etwas anderes kann die Kirche nicht sagen, und hat sie auch nie gesagt. NOSTRA AETATE (zu dem der VdZ erst in diesem Jahr eine Hochschultagung besuchte) läßt hier ebenfalls keinen Spielraum, das Dokument ist aus ähnlichem Geist der wohlwollenden Zuwendung verfaßt. Im übrigen in erster Linie als Adresse ans Judentum, als dogmatisch-absolutes Dokument wäre es völlig ungenügend. Die anderen Religionen werden darin sowieso nur mit wenigen Worten eingeschlossen, man hat (glaubt man Kirchenhistorikern) diese Aussagen auch erst sehr spät noch "dazugeflickt", um das Dokument dann doch allgemeiner zu gestalten. 

Mehr als eine höfliche Adresse ist es deshalb auch nicht, und darf auch nicht anders verstanden werden. (Der VdZ ist sich zudem sicher, daß das die Vertreter anderer Religion ganz genau so sehen; jedem Muslim ist mit Sicherheit der fundamentale Unterschied dieser beiden Religion weit mehr bewußt, als den Christen. Lustigerweise. Lustigerweise deshalb, weil es in diesen Tagen von christen nur so wimmelt, die den Islam ins Christliche hinein interpretieren, was den Intentionen der Muslime niemals entsprechen kann. Die auf ihre Einheit in Form des wiederrichteten Kalifats hoffen, das nötigenfalls durch Gewalt Interpretation und Selbstverständnis endlich wieder vereinheitlicht.) 

Und als solche Adresse ist NOSTRA AETATE leider so "offen" und bewußt undogmatisch"pastoral" gehalten, daß man später alles mögliche hinein- und herauslas, WEIL und wo man es ins Dogmatische, Absolute umlenkte. Als solches steht es jedoch genau so unter der Präambel, wie jedes andere Dokument des II. Vatikanums, unter dem höchst bedeutenden Hinweis, daß nichts darin Gesagtes außerhalb der katholischen Tradition zu verstehen sei. Keine frühere Aussage der Kirche, die als absolute Aussage andere Religion (und den Islam) betrifft, ist damit ungültig geworden. Das ginge auch gar nicht, denn die Sichtweise anderer Religion geht aus dem Insgesamt des dogmatischen Gebäudes des Katholizismus unzweifelhaft hervor. 

Wer absolute Aussagen über den Islam möchte, der sollte deshalb besser etwa mit den äußerst zutreffenden Schriften des Nikolaus von Kues beginnen, auf den übrigens em. P. Benedikt XVI. mit empfehlendem Nachdruck hinwies, der schon vor 700 Jahren eine bis heute gültige Kritik des Koran verfaßte, und damals schon darauf aufmerksam machte (ohne die heutigen linguistischen und historischen Erkenntnisse zu besitzen), daß das Wertvolle darin eindeutig christlicher Herkunft ist.

Würde man dieses Dokument Johannes Pauls II. (das also mehr ein Dokument ÜBER ihn ist also VON ihm) als dogmatische Aussage sehen wollen, käme man sogar in ziemliche Bedrängnis. Dem seinerzeitigen Papst sind solche Dinge auch nicht selten vorgeworfen worden, und nicht ohne Recht. Denn er hat nicht immer diese Ebenen unterschieden, nicht immer bedacht, an wen er in welcher Situation was nun sagt. So war manches geneigt, Verwirrung zu stiften, denkt man etwa an das legendäre Gebetstreffen in Assisi. Dieses Problem fliegt beim jetzigen Papst der Kirche schließlich regelrecht um die Ohren.

Und in diese Nähe würde damit die Ansprache des heiliggesprochenen Papstes geraten, würde  man sie als absolute Aussage der Kirche zum Islam sehen: dann wäre sie nämlich ganz nahe einer Häresie, ganz gefährlich, ja sogar direkt synkretistisch. Die Tatsache der unterschiedlichen Bewertung Jesu etwa, die im Dokument Erwähnung findet, als wäre sie eine rhetorische Marginalie, über die man durchaus auch hinwegsehen könnte, das würde sich schon noch einrenken, kann als diplomatisches Wort gerade noch mal durchgehen. Als Versuch, in Milde einmal mit dem Gemeinsamen zu beginnen, die Hürden nicht gleich zu groß werden zu lassen. 

Aber sie ist in Wahrheit natürlich ein ganz fundamentaler Unterschied, ein unübersteigbares Prinzip. Nicht aus fanatischem Festhalten, welcher Glaubenslehrer denn nun größer ist - klar der, der auch noch Sohn Gottes ist - sondern in der Inkarnation selbst liegt der wesentliche Unterschied dieser Religionen (sofern der Katholizismus überhaupt als eine solche bezeichnet werden kann; eigentlich kann er das nämlich gar nicht.) Der für den Islam deshalb auch so große Bedeutung hat, weil er - was eigentlich niemand bezweifelt, der sich damit seriös auseinandersetzt - wesentlich auf das arianische Christentum des syrisch-aramäischen Raumes zurückgeht. Der VdZ hat das an dieser Stelle uner Rückgriff auf zahlreiche linguistische und historische Arbeiten bereits eingehend aufzuzeigen versucht. Der Koran baut zu seinen wesentlichsten Teilen auf den "Querein", den arianischen Verkündigungsschriften in aramäischer Sprache auf, wie sie damals in diesem geographischen Raum verbreitet waren. Aber dazu ist hier bereits genug geschrieben worden. 

Desgleichen vermeidet diese diplomatische Ansprache, die versöhnlich wirken soll, jeden Hinweis auf den Umstand, daß es für die Existenz eines Propheten "Mohammed" keinen historischen Beleg gibt. Vielmehr war dies ein Ehrentitel, der sich in der Tradition dieser Völker lückenlos auf die Bezeichnung für Jesus "den Christus" beziehen läßt. Was den Koran als poetische Großtat noch deutlicher herausstreicht, ihn aber als dogmatisch-rationales, wörtlich bedeutendes Instrument unbrauchbar weil nur als Poesie aufgenommen wertvoll macht. (In diesem Punkt stimmt der VdZ sogar mit Navid Kermani überein, der im übrigen Islamwissenschaftler UND - oder sogar: weil - Poet ist. Kermanis politische Aussagen, eine völlig andere Ebene, sind entsprechend auch mit Zurückhaltung zu genießen. Leider vermeidet es der Poet nicht immer, sich in diese ihm nicht mehr heimischen Wässer zu begeben.)



Morgen Teil 2) Warum Richtiges zur Unwahrheit werden kann - 
Wie Gutes zum Bösen umschlägt -
Was man Muslimen sagt kann für Katholiken irreführend sein





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