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Donnerstag, 10. März 2016

Rechtsprechung ist immer schöpferisch (1)

Es ist aburd davon auszugehen, daß ein Richter "neutral-objektiv" an ein Rechtsverfahren herangehen kann, schreibt Arthur Kaufmann in seiner "Rechtsphilosophie". Vielmehr gilt daß im Fall, wo ein Richter glaubt, daß das Recht aus einer Sumtion objektiver Gesetze zu finden sei, an seine persönlichen Wertbeziehungen zum Gegenstand der Rechtssprechung gebunden bleibt, weil er diese Tatsache nicht reflektiert und in seine Urteilsfindung einbeziehen kann. 

Die immer ein schöpferischer, also rechtsschöpferischer Vorgang ist. die sogenannte Gewaltenteilung hat also gewisse Grenzen und ist im Recht gar nicht strikt möglich.  Denn der Richter braucht sogar Voreingenommenheiten, um überhaupt an einem konkreten Fall mit seinen Vereinzeltheiten prüfen zu können, ob und wie es welchem Rechtsbruch (der ja ein Beziehungsproblem ist) entspricht. Das ist ein schöpferisches Vorgehen, und Richtspruch wird deshalb nie ohne Macht und Rechtsetzung möglich sein. Es ist eine Dezision, also eine Setzung der Macht, nicht einfach Determination, Subsumtion oder nur Interpretation.

Die Frage kann nur sein, ob dieses Rechtschaffen rational abgesichert werden kann, um es von der Willkür zu scheiden. Rational im Sinne von rationalistisch, also nur argumentativ, kann es aber nie erschöpfend "logisch" sein. Ohne Vorverstehen - als Vorauswerfen eines Deutungsbildes, dem die Fakten zugleich entgegenkommen und entsprechen müssen, eines also am anderen geprüft werden muß, sodaß es sich im Idealfall in der Mitte "irgendwie" trifft - ist überhaupt kein Verstehen möglich.

Recht braucht also vorausgehendes Rechtsgefühl. Schon die Gesetze selbst werden ja in Hinblick auf ein Bild erlassen, das als Unrecht oder Recht gilt.* Rechtsprechung ist deshalb immer auch eine Kunst, nie Wissenschaft im Sinne der exakten Naturwissenschaften. Eine Kunst, die wie jede Kunst ihre Bildkräfte aus der Tradition eines Volkes bezieht, auf das sie bezogen ist. Weil Recht eben Beziehung zwischen Dingen/Personen ist. Wissenschaft und Hermentuik sind also jeweils Versuche, Licht in eigentlich aber irrationale Vorgänge zu bringe. Das Urteil geht deshalb der "Rechtsprechung"... immer schon voraus!

"Das Rechtsgefühl nimmt das Resultat vorweg, das Gesetz soll dann nachträglich die Gründe und die Grenzen dafür hergeben," schreibt dazu Gustav Radbruch. "Es verlangt einen behenden Geist, der vom Allgemeinen zum Besonderen, und vom Besonderen zum Allgemeinen springen kann." Es braucht, wie Einstein es einmal formulierte, "mehr die Phantasie als das Wissen." Vorverständnisse sind das immer Menschliche an der Rechtsprechung, und kein Computer, keine noch so hochentwickelte Technik kann sie leisten. Erst das Vorverständnis ermöglicht es aber, im Zirkelhaften eines jeden Rechtsfindungsverfahrens zurecht zu kommen.

Das bedeutet, daß das Recht immer zwei Gesichter hat: Den des Rechtsempfindens, das ein Gefühl in den Menschen ist, und den des Tatsächlichen der Einzelheiten. Es ist einem Tunnel vergleichbar, der von zwei Seiten zugleich gegraben wird, und man sich im Idealfall in der Mitte trifft. Schiller beschreibt es in einer Xenie so: "Ist denn die Wahrheit ein Zwiebel, von dem man die Häuft nur abschält? Was ihr hinein nicht gelegt, zieht ihr nimmer heraus."


Morgen Teil 2) Warum das Parlament nichts anderes macht als ein absolutistischer Herrscher





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