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Freitag, 11. März 2016

Weitere Türen

Auf etliche im Internet erreichbare und ihm bislang nicht bekannte Seiten wurde der VdZ in Reaktion von Lesern auf seine Eliten-Kritiken hingewiesen. Sie behandeln die ungeheuren Fragwürdigkeiten, die sich rund um das weben, das als Wissenschaft durch unsere Köpfe und vor allem Medien spukt. Und das durch seine unheilvolle Rolle in den Köpfen der Politik zum allgemeinen Schaden ausspielt.

Gerade in der Politik, die ihre Entscheidungen auf Studien und Themenaufbereitungen aufbauen (eigentlich müßte man viel mehr sagen: sich darauf berufen, weil sie ihnen in allen ihren Feigheiten, ihrer schöpferischen Impotenz oder ihren verqueren Absichten in die Hand spielen), die gröbste Fehler aufweisen. Die auf fragwürdigste Weise überhaupt erst entstehen. In einem Universitäts- und Forschungsklima, das die elementaren Grundsätze der Wissenschaftlichkeit gegen Interessenssteuerung eingetauscht hat. Heute bestimmen Kriterien wie "erwünschte und unerwünschte" Forschung. Themen, die bereits vor Jahren auch in Medien die gewisses Renommee beanspruchen thematisiert wurden, auch mittlereweile durch Notrufe aus den USA, die aber immer wieder elegant in Morpheus Arme gleiten. Ihrer Dringlichkeit wird nirgendwo wirklich entsprochen.

Prüft man sogenannte wissenschaftliche Arbeiten, auf denen manchmal sogar ganze Lehrgebirge aufbauen, auf ihre wissenschaftliche Seriosität, ist das Ergebnis in der Regel erschütternd. Nur ein kleiner, in manchen Sachgebieten sogar verschwindend kleiner Teil der publizierten Arbeiten entsprechen wissenschaftlichen Kriterien wirklich. Während sich ihre mediale Aufbereitung geradezu systematisch umgekehrt proportional verhält.

Nun glaubt der VdZ zwar nicht, daß das alles grundsätzlich so unbedingt neu ist. Die Menschen haben sich nicht verändert. Neu ist nur das Ausmaß, das mit der Rolle zusammenhängt, die man der akademischen Klasse heute zuschreibt, was sich schon in quantitativen Ansprüchen ("Akademikerquote" als direktes politisch angeblich erzielbares Ziel) zeigt, in Verbindung mit der Durchdringung des Alltags mit Information und Medien. Universitäre Bildungswege haben eine neue soziale Rolle eingenommen. Sie werden zu bloßen Instrumenten sozialer Identitätskonstruktion. Entsprechend sind Universitätslaufbahnen geprägt von Tugenden, die mit Wahrheitssuche und Wissenschaft nichts mehr zu tun haben, sondern sich aus ganz anderen Quellen - "Selbstverkauf" - nähren.

Eine klare Folge der Auflösung von gesellschaftlichen Ordnungsstrukturen (der natürlich im selben Atemzug der Aufbau neuer, gewillkürter folgt, weil heute ja angeblich "alle alles werden können"), einer Herauslösung von Identität aus der Traditionsgefügtheit sozialer natürlicher Zusammenhänge (mit einer umgewendeten Anthropologie), die den Wettlauf aller gegen alle in Gang setzt, um überhaupt "ein Ich sein" zu können. In Wahrheit: die Auflösung des Staates.* Neu ist also die Überlagerung des alltäglichen Lebens der Menschen mit dieser psychosozialen Quallität, die aus der Notwehr heraus sogar noch begreiflich wird. Denn das sind wir geworden: Eine Notwehrgesellschaft.

Nur muß eines dazubedacht werden, denn der Eindruck aus dem oben Gesagten könnte falsch sein. Es geht auch hier - wie überall heute - NICHT um eine Rücklagerung der gesellschaftlichen institutionen auf FUNKTION, damit auch nicht um "Leistungsqualität" als Kriterium der Hierarchien und Autorität selbst. Der Konflikt liegt gnaz woanders. Und er liegt tatsächlich auf der Ebene der Weltanschauung. Denn nicht der Umstand, daß "erwünscht oder nicht erwünscht" zum Kriterium für Berufungen auf Hochschulen oder Forchungsaufträge ist zu beklagen. Das geht gar nie anders, und das muß auch so sein.

Es geht tatsächlich um weltanschauliche Auseinandersetzungen, und es geht damit auch im universitären Betrieb um Weltanschauungen, die tatsächlich mit Wissenschaftlichkeit unverträglich sind. Während - und das wird heute ja bestritten, weil der Wissenschaftlichkeitsbegriff schwerstens (nominalistisch-rationalistisch) deformiert ist -  es tatsächlich eine Grundhaltung zur Welt (na, wollen wir sie  meinetwegen Weltanschauung nennen) gibt, die einzig (!) einen objektiven weil distanzierten, in der Selbsttranszendenz entwillkürten Zugang zur Welt und Wirklichkeit ermöglicht.

Was heute in der Notwehr steht ist deshalb nicht ein pseudo-objektivierter (und darin weltentleerter) Wissenschaftsbegriff, sondern es ist die auf der Sittlichkeit der Wirklichkeitsoffenheit (die nur bei entsprechender sittlicher Grundhaltung der Selbst-Transzendenz auf eine vorgegebene Struktur hin möglich ist) beruhende Vernunft. Legitimität einer Universitätsberufung kann sich deshalb nicht auf "internationales Renommee" oder was auch immer beziehen (wobei hier amerikanische Universitäten gerne sträflich falsch eingeschätzt werden, der VdZ bezieht sich hier auf einige Untersuchungen, die ihm vorliegen), das funktionalistisch Autorität und damit ein gewissermaßen "sachliches Recht auf Berufung" verleihen könnte.

Die Geschichte der Wissenschaften ist zum einen ja eine einzige Aneinanderreihung von kollektiven, gar zur Psychose und Denkblockade gewordenen Irrtümern. Während die Wahrheit, die sich manchmal dann doch durchsetzte, eine Frage persönlicher Integrität und Kampfesbereitschaft oft einzelner Personen war und ist. Zum anderen ist aber solches Denken (daß das Oben sich aus dem Unten quasi ergäbe) bereits selbst ideologisch. Es ist materialistisch.

Und Materialismus hat eine Denkvoraussetzung (nur verleugnet er diese, und zwar in einem Zirkelschluß.) Voraussetzungsloses Denken gibt es nicht. Aber es gibt Denkvoraussetzungen, die zur Wahrheit und Wirklichkeitsoffenheit disponieren, während andere das nicht oder weniger tun und deshalb auch der Wissenschaftlichkeit im Wege stehen. Demselben Materialismus entstammt auch die fast absurd verdrehte Bewertung von "Talent" (als potens) als Ausgangspunkt einer sohin von jedem individualistisch zu schaffenden Grundidentität (wir reden nicht vom Individualisierungsprozeß INNERHALB einer Grundidentität als eigentlichem Punkt der Individualität) - es ist umgekehrt.

Agere sequitur esse! Der heute übliche Weg verhindert nachgerade eine schöpferische Individualisierung der Menschen. Und weil er das gewünschte Ergebnis gerade nicht erbringt, wird er auf der Grundlage einer verfehlten Anthropologie** umso fanatischer verfolgt. Es verhält sich damit wie bei Tantalus - mit jedem Niederbeugen nach dem lindernden Schluck Wasser weicht dieses noch weiter zurück.

Das Beklagenswerte an den Universitäten ist deshalb nicht, daß sie nach moralischen Gesichtspunkten oder nach Interessensgesichtspunkten "sortieren". Das Beklagenswerte sind die mittlerweile üblich gewordenen, gewisser Ideologie und Ideologisierung entstammenden Kriterien dieser "Moral". Die Qualität der Interessen also. Was sowohl linke wie rechte Ideologien beträfe (wobei sich alles ideologisieren läßt, insofern ist alles von einem selben Grund der Wirklichkeitsaussperrung gezeichnet), faktisch aber ein Problem der Verlinksung des Denkens generell ist. Vieles, was die Wissenschaft über weite Strecken regelrecht irrelevant gemacht hat, ist der fehlenden Bereitschaft zu verdanken, dem Streit um diese Grundlagen auszuweichen.***




*Daß aber auch die funkionalistische Demokratie an ihr Ende angelangt zu sein scheint - diesen Eindruck könnte man tatsächlich gewinnen, blickt man alleine auf die auf dieser Internet-Seite einmal gewagte Zusammenschau über Zustände unter Parlamentariern. Der Aufruf, daß Menschen nach ihren "Fähigkeiten" einzuschätzen sind, daß sich daraus ihre Rolle im sozialen Gefüge ergäbe (anstatt umgekehrt), wendet sich selbstverständlich gegen ihre Proponenten genauso, und er tut es mit aller Härte. Die Geister, die man rief, wenden sich gegen ihre Beschwörer. 

**In der Folge, daß im Bildungs- und Erziehungswesen das logischerweise nicht Erreichte in seiner phänomenologischen Vereinzelung verdinglicht und zum direkten Ziel methodischer Ergebnissimulation gemacht wird. Übrigens etwas, das gerade die heute üblichen "ganzheitlichen Methoden" bis zur Groteske zelebrieren, die aber lediglich um dieses Vereinzelte einen Fächer weiterer Vereinzelungen anheften.

***Etwas, das in einem jedem Fachstudium vorausgehenden studium generale stattfinden müßte. Nur dort kann deshalb eine Reform der Wissenschaften, wie sie an so vielen Orten gefordert wird, ansetzen. Solange das (begleitet von einer weitgehenden Ent-Akademisierung der Bildung) nicht passiert, werden Universitäten und Forschungsstätten endgültig ungebremst zu puren Geldverbrennungsanstalten (mit dramatischen, weil das Sozialgefüge aus dem Gleichgewicht bringenden Folgen) werden. Aber alleine nach einem studium generale zu schreien ist auch noch zu wenig. Denn auch dieses kann weitgehend nutzlos werden, wenn seine Qualität nicht stimmt. Womit sich der Kreis schließt: Wir stoßen an allen Ecken und Enden an die ... Religion weil an die Frage der Wahrheit.




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