Dieses Blog durchsuchen

Samstag, 16. April 2016

Doch was zu Böhmermann

Das Wesen einer Kultur liegt in ihren Insitutionen. Sie geben auch den Interpretationsrahmen vor, in dem eines Einzelnen Handlung zu sehen ist. 

Zu diskutieren, ob Böhmermanns Satire über Erdogan überhaupt Satire war, Ironie war, ob es diesen Rahmen verlassen hat, liegt nicht ... an Böhmermann. Es liegt an den Sendungsverantwortlichen, den Veranstaltern. Ihr Rahmen - als vorgegebene kulturelle Deutungsrichtlinie, wie immer man die sehen mag, aber das ist das Wesen der Kultur: Bestimmung von Begriffen - ist das Entscheidende. Was dann der von dieser Institution beauftragte Mann (Böhmermann in diesem Fall) sagt oder tut, ist damit obsolet. Es unterliegt nicht mehr der Figuralität, die dieselbe Aussage im "normalen Leben" (das ein Leben von Figuren ist, wo also alles eine entscheidende und reale Beziehungskomponente hat) ganz anders bewertet sehen würde. 

Das Kriterium bei Böhmermann kann also nicht sein, ob seine Satire gut oder schlecht war, ob es eventuell gar keine war, oder ob er Grenzen überschritten hat. Er kann sie gar nicht überschritten haben. Er kann nur das Genre gut oder schlecht erfüllt haben. Dann muß man ihn DESHALB feuern, oder behalten. Das Kriterium des Interpretationshorizonts seiner Aussagen und Tätigkeiten im Rahmen der ihm zugewiesenen Sendung ist mit seiner Auswahl dazu seitens des Senders bereits entschieden.  Und das, DAS muß für eine Kultur entscheidend sein!

Und wenn sich ein ausländischer Regierungschef noch so auf den Schlips getreten fühlt. Dann fehlt ihm eben das grundlegende Verständnis für Kultur. Und diesen Vorwurf darf man dem türkischen Staatsoberhaupt Erdogan in den Augen des VdZ durchaus machen. Es ist eine sachliche Feststellung. Das deutsche Gesetz, das es im gemeiniglich vergessenen § 103 nicht zufällig zur Überraschung vieler diesbezüglich gibt, ist ein Gefälligkeits und Annlaßgesetz, das in Wahrheit (man könnte zum 68er werden, gäbe es nur solche Gesetze) an die Wurzeln der deutschen Kulturgrundlagen faßt (und im Zusammenhang mit amerika-dienlicher Schahliebdienerei entstand und insofern ein Schandgesetz ist). Nur ist es bisher niemandem aufgefallen weil es seit dem Schah nicht mehr auftauchte. Und der Schah untertauchte.

Deutschland ist gerade dabei, sich als Kulturnation der letzten Unterhosen zu berauben, und sich der Unkultur eines nichteuropäischen Volkes zu beugen. Und niemandem scheint es noch aufzufallen, weil es aus anderen Gründen passiert, als derzeit diskutiert. DAS ist die wahre Tragödie, die man derzeit feststellen muß.

Niemandem? Man muß ausnahmsweise einmal Merkel in Schutz nehmen, die nun immerhin davon sprach, diesen Unsinnsparagraphen aus dem deutschen Strafrecht zu streichen. Wenngleich sie nicht das Recht meint, sondern nur politische Verantwortung abschiebt, die sie genau jetzt profilieren müßte. Aber was will man von einer Frau. Die Deutschen sind offenbar längst blind genug. Und Gott hält blind, wen er verderben will.

NACH dem Erdogan-Prozeß nämlich. Mit dem sich eine Unkultur namens "Türklei", gegen die Europa zurecht jahrhundertelang gekämpft hat, tatsächlich behaupten wird können, vermutlich, aber ihren Barbarismus erschreckend öffentlich bekennt.  DAS sollte den letzten die Augen öffnen, daß die Türkei niemals als europäische Nation gelten kann. 

Erdogans Klage entspricht zwar sehr wahrscheinlich hiesigen Paragraphenformalismen, aber indem er nicht zwischen formalem Recht (als Gesetzesmechanismus) und Recht selbst unterscheiden kann desavouiert er sich selbst. Und damit sein Land.

Denn sachlich, kulturrelevant kann nur sein, wer in Institutionen denken kann, wer also abstrahieren, sich distanzieren und den logos - das Beziehungsdächlien über allem Vereinzelten - erkennen und respektieren und als relevant anerkennen kann. Das kann dem orientalen Zentralismus (mit der immer schon vorhandenen- auf eine Weise sogar: sehr poetischen! - Verschmelzungstendenz von Herrscher und Gott gar nicht erreichbar sein. Und wo Türken selbst das fordern, entwurzeln sie sich postwendend.

Den faktischen Muslimen wird deshalb immer schon und heute nicht weniger alles zu einem einzigen Brei des "Faktisch-Ernsthaften". Das ist die Erfahrung des VdZ. Die wenigen Ausnahmen (wie Kermani, beispielsweise), die dabei selbst den faktischen Islam kritisieren, den sie real nämlich gar nicht vorfinden, sind doch völlig irrelevant - und zwar im Islam selbst.Aus dem Islam selbst aber ergeben sich keine Richtlinien, die eine mehr "europäisch-aufklärerische" Lesart des Islam unausweichlich machen. Selbst der aufgeklärteste Islam kippt deshalb sofort in den Islamismus, wenn sich sozial-psychische, soziologische Spannungen ergeben. Sein Extremismus ist innerhalb derselben Logik begründet.

Das ist vergleichbar mit europäischem Liberalgeschwafel, das von Toleranz spricht, ABER nur bis zu einer gewissen Grenze. Der es aber an jeder logischen Stringenz fehlt, die reine Anlaßgrenze ist.

Wenn aber eine Sendeanstalt sich NACHTRÄGLICH von ihren eigenen Formaten distanziert, haben wir als Abendländer sowieso Sankt Matthäi am Letzten. DANN ist abendländische Politik gefordert. Solche Schrumpfklöten auf die Baustelle zu schicken hieße das Diktum, statt sie mit Millionengehältern Kasperl spielen zu lassen, die für nichts verantwortlich sind. SIE SIND ES, die verantwortlich sind. Nicht die beauftragten Narren. Die kann man mögen oder nicht. Und die kann man krisitieren, daß sie ihre Aufgabe schlecht oder gut erfüllen. Dafür gibt es Kunst- und Kulturkritiker. Aber wer den Narren abgschafft, schafft seine Kultur ab, weil er sie ersticken macht.

Der Satiriker (und wenn er nur als solcher engagiert ist; was IST denn ein Satiriker? posthoc qualifiziert? Was für Nulpen diskutieren denn heute über die Kultur?) hat nur eines zu tun: Das Auge des Anderen aus den Höhlen zu schälen, damit es sichtbar wird und ihm selbst vor dem (verbliebenen) Auge objektiviert wird, sodaß er sich zu sich selber verhalten kann. Die daraus resultierenden realen, figuralen Konsequenzen sind Angelegenheit des Betrachters. Das Theater hat einen abgedunkelten Zuschauerraum, und das soll heißten: Irrelevant. Und es ist Angelegenheit des Veranstalters, der genau das verlangt, der genau davon lebt, der genau deshalb eine beleuchtete Bühne stellt, und einen abgedunkelten Zuschauersaal: Weil sein Genre Satire mit Leuten besetzt ist, die genau das tun: Die Augen des andern aus den Höhlen zu löffeln, damit er sie betrachten kann. Ob er nun zu anderen Schlüssen kommt als der auf der Bühne oder nicht.

Alles andere wird wirklich zu einer Gefahr für eine Kultur. Denn jede Kultur braucht ihre Narren, denen konzediert wird: Du sagst, was Du möchtest, und wir nehmen es nicht figural. Wie immer wir es finden mögen. Alles Sein braucht das Dunkel des Nichts, das es erst zum Bewußtsein hebt. Auch wenn das Licht oft fahl ist.

Gerade die Bühne, die abgeschlossene Anstalt, die deklarierte Anstalt, auch durch Image,  gehört zu den wesentlichsten, ja den eigentlichsten Räumen jeder Kultur, ja sie sind essentiell. Das, wo jemand freiwillig hingehen kann, ohne Zwang, ohne Gesinnungsdruck. So mag er sich auch verhalten, wie immer es ihm genehm ist, zu dem, was an Wahrheiten oder Lügen dargestellt wird. Den erhellenden Rahmen dazu hat die Kulturkritik zu stellen. Die ein unerläßlicher Interpretationsrahmen dafür ist, was die unendlich freie Kunst darbieten weil sich erlauben können muß. Deshalb - Schluß mit allen staatlichen Förderungen! Wer sich privat die Aussage der engagierten Künstler erlauben will - gut. Wo ein Künstler sagen will, was ihm beliebt, muß es aber gestattet sein. Endlos. Aber das heißt niemals auch Garantie auf Öffentlichkeit.*

Das zu entscheiden obliegt den Masken-Figuren im Spiel der Welt. Nicht den Künstlern.





*Bemerkenswerterweise hat der VdZ auch immer und ausnahmslos festgestellt, daß öffentliche Ablehnung immer die elementarsten Kräfte in Künstlern - posthoc oft als "Durchbruch" wahrgenommen - freigesetzt wurden. Schon das spricht gegen jedes öffentlich-abstrahierte Kunstfördersystem,. und schon gar gegen jede "soziale Absicherung" von Künstlern, wie von geisteskranken Künstlerverbänden oft gefordert. Kunstförderung kann per se - wenn überhaupt - nur persönlich stattfinden. Im selben Verantwortungsverbund. Wo der eine etwas macht, was der andere als Aussage instrumentalisiert.





***