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Donnerstag, 19. Mai 2016

Ausweglosigkeiten - Filmempfehlung (1)

"American Psycho"

Der Film wird meist als Parabel über die Konsumwelt gedeutet, und meist heißt es, er würde diese kritisieren. Da ist ein Mann, Mitte zwanzig, Teil einer offenbar erfolgreichen, geldschweren Geschäftswelt, der sich nach und nach für Gott zu halten scheint. Und mehr und mehr erkennt, daß er die Macht und die Mittel, ja den Auftrag hat, sich diese Welt so zu gestalten, daß er darin Sieger bleibt. So beginnt er zu morden, und ein Mord reiht sich an den anderen. schon scheint ihm ein Kriminalinspektor auf der Spur zu sein, da löst sich alles auf völlig überraschende Weise auf. Er wird als unschuldig bezeichnet, obwohl er das garnicht ist. Und mit einem mal erkennt er, daß er aber doch genau das möchte, genau das verlangte! Aber es gelingt ihm nicht mehr, schuldig zu werden und als solcher erkannt zu werden. Identität wenigstens als Mörder zu erreichen - selbst das ist ihm in dieser vollkommenen Konsum- und Geldwelt verwehrt.

Aha. Ein Film über die pöhse Konsumwelt? Nein. Denn das mißversteht ihn, auch das Buch. Vielmehr läßt sich daraus eine Gegenwartskritik gewinnen, die derartig umfassend zutreffend ist, daß sie einen umhauen könnte, würde man sie erkennen können. Selbst der Film lotet das Thema wesentlich tiefer aus als jene meinen, die zufrieden "Kritik an der Konsumwelt" nicken und sich im übrigen an einem recht spannenden Krimi mit überraschenden Wendungen freuen, denn den Film könnte man auch irgendwie so ansehen. 

Aber etwas anderes macht ihn so hoch aktuell. Etwas anderes macht eine wirkliche Auseinandersetzung mit ihm so lohnend. Versuchen wir es an den Haaren zu fassen und auf die Beine zu stellen.

Diese Tiefe der Darstellung - und es ist irrelevant, ob die Filmmacher, ja ob der Buchautor Bret Easton Ellis diese Tiefe artikulieren konnten; es ist nicht einmal relevant, ob sie sie beabsichtigten; die Leistung der Kunst ist wahrhaftige Darstellung, nicht primär philosophische Analyse, und die Darstellung ist eine Frage des Gehorsams den Figuren und Dingen gegenüber, die man schreibend oder filmerisch darstellt; die Dinge sind es, die tun, die handeln, das DAHINTER, das Wirkliche Wirkliche, ist unsichtbar enthalten, und es das was handelt, dem der Künstler auf eine Weise nur noch folgt; wenn die Dinge wahrhaftig gewollt, die Künstler also gehorsam sind - läßt seine Parabel nämlich keineswegs zur "Kritik der pöhsen Konsumgesellschaft" werden, die selbst zu dieser Konsumwelt dazugehört, so wenig gerne viele das hören werden wollen. Pseudotiefe einer Pseudowelt, zu der natürlich auch das Sündenbockverhalten gehört, die "Kritik", denn wir wissen ja eh alle, wie schlimm es um uns steht. Aber wenn wir es kritisieren, gehören wir doch ncith dazu? American Psycho sagt: Jawohl, wir alle gehören sehr wohl dazu!

Vielmehr gilt also: Hier findet sich die Darstellung der gesamten, buchstäblich: der gesamten heutigen globalisierten Welt, auch in der Politik, die in ihrer Gesamtheit und Hermetik einer Horrorveranstaltung gleicht, weil sie in komplexer Dynamik und Wechselwirkung in einer Zweitwirklichkeit gefangen ist, aus der es vorerst und aus ihr heraus kein Entkommen mehr gibt. American Psycho knüpft damit an eine Philosophie-, Theologie- und Kunstströmung an, die man als die wohl prägendsten, innovativsten des gesamten 20. Jhds. bezeichnen muß. Von der Idealismuskritik eines Y Gasset angefangen, über die Theologie eines Ferdinand Ebner, bis zur Literatur ienes Heimito von Doderer. Sie alle hatten dieselben Sorgen. American Psycho zeigt, daß sie berechtigt waren. Und deshalb ist American Psycho tatsächlich Horror. Aber anders, als man meint. Denn die Kritisierten - wir alle! - sind in Wirklichkeit und von der Wirklichkeit aus ... Figuren eines Horrorstücks.

Die Inhalte, um die es hier geht, an deren Darstellund sich zeigt, was sichtbar wird, sind nämlich austauschbar, das Schema der Grundaussage also viel weiter anwendbar. Sämtliche heutige politische oder gesellschaftspolitische Themen sind längst solche geschlossene Welten von Scheinwerten (political correctness), unwirklichen Dress- und Verhaltenscodes und Scheindisputen. Lassen wir uns nur nicht täuschen, weil es im Film um Armani oder weiß der Deibel welche Marken geht. Das ist unwichtig. Sie sind Platzhalter, Anködern von Publikum. Wer diesen Welten einmal angehört, ist von ihnen abhängig, wer ausbrechen möchte wird von ihnen wieder zurückgesogen. Sie bedingen sich gegenseitig. Aber zahllose andere Spieler könnten das genauso gut darstellen. Nur würden wir es dann vermutlich ablehnen. Im Klischee des Films fühlen wir uns denn doch wohler. Denn das kann man so schön von sich fernhalten. So sehr, daß uns verborgen bleibt, was und hier gesagt wird.

Armani und LeGrandIrgendwas sind da nur Fächelchen in einem ungeheuren Ladenkasten VOLLER Fächer. Um diesen Ladenkasten aber geht es. Nicht um Fach Armani oder Fach Klimawandel oder Fach Ökologie oder Fach Neocons oder oder oder. Diese Welt ist zum losgerissenen Ballon geworden, der nicht einmal mehr sieht, daß er hunderte Meter über dem Erdball schwebt, der seine Bahn zieht, die aber die wirkliche Bahn der wirklichen Wirklichkeit ist, an der wir gar nicht mehr teilnehmen, von der wir aber letztendlich abhängen, und zwar vollständig udn entscheidend. Denn es geht gar nur um diese Erde, unter uns, die wir aber gar nicht mehr sehen. Aber wer von den Passagieren des Ballons würde das glauben?



Morgen Teil 2) Eine Welt, aus der es kein Entrinnen mehr gibt, weil es außen keine Wirklichkeit mehr gibt, die stark genug ist, ihre Fenster und Türen einzudrücken





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