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Mittwoch, 25. Mai 2016

Es war das letzte mal (1)

Man sagt, daß die gerade vergangenen Wahl zum Bundespräsidenten in Österreich das Ende der traditionellen Großparteienlager bedeuten würde. Aber das stimmt nicht. Denn es betrifft nur eine Partei, die diese Vorgänge schon seit Jahrzehnten (mit nur kurzer, ungefährer Unterbrechung 2000-2006) völlig verkennt - die ÖVP. Die SPÖ geht sogar gestärkt aus dieser Wahl, behauptet der VdZ. Denn sie hat sich durchgesetzt: Die Wahl des Rotgrünen van der Bellen ist für die Sozialdemokraten ein weltanschaulicher Sieg. Während er für die christlichsoziale Weltanschauung, die per se rechts (oder zumindest rechts-nahe) ist*, die die ÖVP begründet hatte, und für die sie für viele nach wie vor stand, eine Niederlage war. 

Nicht nur das: Die ÖVP hat völlig vergessen, welche identitätsbildende Kraft Wahlen besitzen. Im Zusprechen von Niederlage oder Sieg für diejenigen, die sich in der Wahl auf eine Seite gestellt haben, finden auch klare Solidarisierungseffekte statt. Während die einen als Kollektiv aufgewertet werden weil siegten, haben die anderen verloren. Und sie haben als Insgesamt verloren, selbst wenn der Verstand noch sagt, man habe nur aus taktischen Gründen gewählt. 

Es sind weit fundamentalere Prozesse, und das hat sich schon bei der letzten Wahl zum Bundespräsidenten gezeigt, als die ÖVP auf einen Gegenkandidaten zum roten Fischer verzichtet, diesem also das Feld kampflos überlassen hat. Schon damals hat der VdZ vorhergesagt, daß die ÖVP damit den Anfang vom Ende eingeläutet hat und nun unaufhaltsam und in progressiver Linie von Wahl zu Wahl verlieren wird. Sie hat damals schweren Identitätsverrat begangen. Genau so ist es auch schon bei der darauf folgenden Nationalratswahl gekommen. Aber nun wird sich dieser Effekt daramatisch verstärken, er wurde nun entschränkt. Die ÖVP steht auf Schienen der Selbstauflösung (vergleichbar dem FDP-Schicksal), und das wird nicht mehr zu verhindern sein.

Denn sie hat sämtliche bürgerlichen Standpunkte, sie hat die bürgerliche, christlich-soziale Weltansschauung verraten, und hat ihr eigentliches Klientel - das sie ohnehin in den Führungsgremien bereits lange nur noch düpiert hat - im Regen stehen lassen, ja durch offene Wahlempfehlung für den Kandidaten der unvereinbar gegnerischen Weltanschauung verraten. Diese früher eigentlichen ÖVP-Lager (denn der langsame Rot-Umbau der ÖVP-Gremialen geschah ja schon in einer absehbaren Spaltungsdimension "oben vs. unten") haben sich nur noch in der FPÖ als Träger wiedergefunden, und sich damit endgültig anzufreunden begonnen, daß sich die christlich-soziale Weltanschauung - als Welthaltung der Vernunft, als Gegenhaltung gegen soziale Utopie - wenn dann nur noch in der FPÖ zumindet teilweise politisch artikuliert. Was zwar schon lange der Fall war, aber der Christlich-Soziale ist aus Natur ein standorttreuer Mensch, der nicht so leicht sein Lager wechselt. Aber es ist bereits zum zweiten mal passiert, nach Fischer nun auch bei van der Bellen.

Das hat nun der ÖVP das Genick gebrochen. Es ist nicht schwer vorauszusagen, daß diese Partei in ungebrochener Linie eine Niederlage nach der nächsten einfahren wird, die bestenfalls noch im regionalen Maßstab, wo Persönlichkeit noch mehr zählt, da und dort etwas beschönigt werden kann - während die Sozialdemokraten gewisse Stärke bewahren werden. Aber ihre Weltanschauung findet sich artikuliert und politisch auch vertreten. Das ist bei der ÖVP nicht der Fall. Diese Partei hat nur noch zwei Möglichkeiten: Sie gründet sich in Form von Dissidenten neu, und startet neu durch, oder sie ... hofft auf ein Wunder, daß sich innerhalb ihrer (linksgefärbten) Strukturen, denen es aber auch völlig an Jugend fehlt, noch einmal Reformkräfte artikulieren, die um die Bedeutung von Weltanschauungen wissen. 

Die nämlich keineswegs in Sachfragen, in Ablaufkompetenzen auflösbar sind, von denen die ÖVP schon seit langem zu glauben scheint, sie würden politisch bedeutsamer sein als Weltanschauungen. (Sie sind aber die Folge der Grundanschauung.) Womit sie im wahrsten Sinn zur Beamtin des Staates wurde, dessen Ziel und Richtung aber andere bestimmen. Wer wählt da noch liniengebundene Ausführungsorgane, wer wählt Beamte als gesellschaftliche Führungskräfte? Mit dem schweren Startnachteil eines bereits eingetretenen Vertrauensverlusts seitens seiner (künftigen als bisherigen) Klientel. Ohne diese Weltanschauung, (die sie aus den derzeitgen Kräften aber kaum noch wird reformieren, wiederfinden können, das muß man dazu sagen; das ist die Crux eines Funktionärsapparats: er zieht die Standorte seiner Spitze degressiv nach unten) aber ist die ÖVP buchstäblich nichts. Denn was immer sie in Sachfragen vertritt, es gehört einem Lager zu, das NICHT SIE als Institution besetzt hält. Links wie rechts.


Morgen Teil 2) Es gibt aber noch einen Verlierer



*Schon daß man sich diesen Begriff widerstandslos aus der Hand nehmen, zum Disqualifikationsmerkmal hat machen lassen, war eine erste schwere Niederlage der Entheimatung, war wie eine zur Selbstidentifikation werdende Selbstbeschimpfung. Dies alles nur als nüchterne Analyse von Geschehnissen gesagt. Denn daß der VdZ generell gegen Parteien, ja für deren Verbot ist, dürfte zumindest dem regelmäßigen Leser dieser Einträge bekannt sein. Wenn Minister heute daovn sprechen, daß es "gut" sei, daß die Bevölkerung durch diesen Wahlkampf so "politisiert" sei, dann kann er nur den Kopf schütteln. Übrigens: der verlinkte Artikel unterstreicht, was hier beredet wird, denn auch ÖVP-Minister "freuen sich über den Sieg" des grünroten Kandidaten.





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