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Montag, 9. Mai 2016

Versuche - Ex Diario (2)

Deshalb ist die Zeugung eines Menschen ex nihilo - aus dem Nichts, nur aus Gottes Geist - kein deistisches, also von der historischen Situation losgelöstes und von Gott willkürlich gesetztes Geschehen denkbar, sondern braucht den Tod des Menschen in der geschlechtlichen Hingabe, ist also auch in gewissem Sinn historisch relativ bzw. dynamisch. Was sich in der weltlichen Dynamik der (durchaus: in der letztlich sogar jeden Willen überwältigenden, also menschlichen Geist auf die Hingabe ausrichtenden Leidenschaft) zum Orgasmus - den man ja auch den "kleinen Tod" nennt - steigernden Hingabe tatsächlich ereignet. Diesen "Baum des Lebens" hat Gott geschützt, in ihm zeigt sich also tatsächlich eine paradieseshafte Ganzheit, die der Mensch nicht (mehr) zerstören konnte. Das gelang nur in der Erkenntnis, die aus dem Schauen (dem intuitiven Rapport zum zu erkennenden Objekt) in die zweidimensionale Rationalität umbrach.


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Dieses eheliche Geschehen schlechthin, zwischen Mann und Frau, war in der totalen Hingabe Mariens und Josefs deshalb auch ohne direkten Geschlechtsakt möglich (ja fordert logisch sogar daß es ihn nicht gab, weil ein daraus gezeugtes Kind dann tatsächlich "nur" Mensch und Prophet gewesen wäre), weil in beiden der Tod (man hat ja lange überlegt, ob nicht auch Josef ohne Erbsünde gewesen sein muß; muß er aber nicht) vollkommen und auf je ihrer Ebene geschah, die in Maria den einzig möglichen Ort der Menschwerdung Christi bot. Ein Sonderfall freilich, der nur auf den Gottmenschen Jesus Christus anwendbar ist, und der Erbsündelosigkeit der Mater als "neue Eva" (aus der alles Menschsein empfangend-mütterlicherseits geboren wird) voraussetzt. In Josefs Hingabe aber zeigt sich die vollkommenste Form der Vaterschaft auf Erden überhaupt. (Wie sie übrigens dem Gedanken der Adoption immer noch zugrundeliegt.) Und die ist geistiger Natur. Weshalb man Jesus auch "Sohn Davids" nennen konnte. Immerhin war Josef diesem Haus, diesem uralten Königsgeschlecht zugehörig. 

Gott also selbst hier die Historizität gebraucht bzw. ist ihr gefolgt, denn sie ist kein zufälliges Aufgepräge auf die Welt, sondern eben in der Historizität liegt der prinzipielle Weg Gottes mit Welt und Menschheit. Dieser historische Aspekt beleuchtet auch die Art, wie die Juden selbst Jesus gegenüberstanden, auf eine oft etwas vernachlässigte Weise. Denn im Verständnis aller Völker seit Urzeiten - in Naturvölkern, aber auch in gegenwärtigen Völkern und Stämmen - ist der König der Kristallisationspunkt des ganzen Volkes, das ihm persönlich zugeordnet und zugeschrieben ist. Was historisch sogar direkt im Königsopfer belegbar ist - wo man also den König opferte, um Gott gnädig zu stimmen. Umgekehrt war der König der Ort, in dem sich (als Amt) Gott und Mensch vermählten. Gerade auf der arabischen Halbinsel ist historisch belegt und bis heute nachweisbar, daß die Abstammungslinien des Herrschers deshalb von entscheidender Bedeutung hinsichtlich seiner Legitimität sind. 


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Denn ein König läßt sich nur aus Gott, dem Sein selbst, dem alles entstammt und von dem alles abhängt, legitimieren. Diese "poetisch erfahrbare Wirklichkeit" ist und war allen Völkern der Erde gemeinsam, und sie ist es sogar noch heute: Wo sich nämlich Politik auf "höhere Moralgesetze", auf universalistische "Werte" beruft. Wie es etwa die Amerikaner tun und woraus sie ihr Sendungsbewußtsein beziehen, und zwar definitiv als "Volk Gottes", als "Gods own country", in welchen Begriffen sie im Grunde sakramentale Wirklichkeit - Kirche, Neues Jerusalem zu sein! - behaupten. Legitimation für ... eigene Willkür, die Willfährigkeit von allen anderen fordert.

Aber das ist prinzipiell so gar nichts Neues. Darauf baut sogar das gesamte Abendland auf, darauf baut als Abschattung in Ähnlichkeiten jeder Staat und jedes Volk auf. Selbst in der Demokratie, wo freilich der Sinnzusammenhang kaum noch rekonstruierbar weil zerschlagen, chthonisch aber nach wie vor wirksam weil Lebensprinzip ist.

Am germanischen Begriff des Königstums läßt sich historisch belegen, daß ein König der falsch entschied, der zu schwach wurde - dem Nomos, also der Wertlandschaft der Menschen widersprechend, die Kraft braucht um am Leben zu bleiben - als gegen Gott stehend gesehen und deshalb über ein Widerstandsrecht absetzbar war. Ein wichtiges Gegenüber für jeden Regierenden. Denn er ist eben nicht nur Gott verantwortlich, er muß Volk und Gott in sich vereinen und in einer Wirkrichtung synthetisieren.




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