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Donnerstag, 16. Juni 2016

Die fundamentalste Medienkritik

Die wohl fundamentalste Medienkritik überhaupt findet sich aber in der Kirche, und das buchstäblich IN ihr. Denn die Kirche ist ja keine "Lehre", keine "Verhaltensmethodik", kein "Wissen" irgendeines "Weges zum Geist". Sondern ihr Wirklichkeit ist in vollstem Sinn gegenständlich und darin immer geschichtlich-zeitbezogen und real. Sie steht nämlich auf dem Fundament der persönlichen Überlieferung als Weitergabe, auf dem Traditionsprinzip. Das, was Glaube und Geist Jesu überhaupt ist, ist nämlich das, was noch vor (bzw. hinter) jeder schriftlichen Aufzeichnung steht, das, worauf sich auch das Neue Testament sowie die Schriften der Kirchenväter beziehen, die man als zweite und dritte Säule bezeichnet.

Auch wenn Schriften, Bücher eine große Rolle spielen, um das im reinen Geist Jesu übermittelte ins Erkennen, in die Sprache zu führen, und deshalb auch unverzichtbar sind, so ist der gewissermaßen lebende Kern des Katholischen, des Allumfassenden nur persönlich überhaupt weitergebbar. Er steht hinter allen Zeichen und Symbolen, er steht hinter allen menschlichen Gesten, Weisheiten und Verhaltensmerkmalen, deren nominalen Wert er unendlich übertrifft. Die deshalb eben nicht wie magische Zeichen "funktionieren" (denn das tut Magie), dennoch Träger und Gefäße des unermeßlich Weiten des Geistes Gottes ist, deshalb ebenfalls unverzichtbar sind. Ebenso, wie sämtliche Vollmachten und Handlungsbefähigungen in der Kirche nur durch persönliche Weitergabe installiert werden können.

Das ist der Grund, warum die Kirche ihre Tradition niemals entsorgen darf. Sie kann das Überlieferte bestenfalls ausfalten, weiter entwickeln, niemals aber ihm widersprechen.

Deshalb kann eine Weitergabe der Fülle des Katholischen über Medien sogenannter "Kommunikation" völlig ausgeschlossen werden, die höchstentwickelte Ratio kann sich nur inhaltlich erweitern in die Poesie. Aber textuell-nominell ist diese Fülle gar nicht erfaßbar und ihre Weitergabe also unmöglich. Sie ist jedoch nicht einmal nur in der Kunst und Poesie möglich, deren Wesen ja gleichermaßen auf die Darstellung - als Hereintragen in die Welt - des Unsichtbaren als das Wesentliche und eigentlich Wirkliche abzielt, auch wenn die Kunst (speziell natürlich die sakrale Kunst, deren Inhalt also spezifische Glaubensinhalte bzw. Elemente der Geistestrage sind) viel beitragen kann, und das ja auch getan hat oder gar tut.

Das schränkt aber jede Einschätzung eines textuell niedergelegten Sprechens vom Glauben in dem, was Gedrucktes oder via Bildschirm Vermittelte möglich machen bzw. was sie sind, enorm ein. Genauso tut es das beim Abbild vom Urbild - die Photographie, die Bildillusion einer digitalen Vermittlung. Dieses kann (wie schon Roland Barthes so hellsichtig erkannte) nur auf ein Wirkliches verweisen, dieses muß also schon bekannt sein, sonst kann es in der Photographie gar nicht erkannt werden.

Denn eine Weitergabe eines Wirklichen kann nicht einfach über "Gesagtes" erfolgen, sondern sie ist jeweils in einem konkreten, realen und präsenten Träger zuerst gegenwärtig, wird damit in diesem gewissermaßen greifbar und vermittelbar, und in einem persönlichen Akt der Zustimmung vom Rezipienten übernommen.*

Gleichermaßen ist in dieser persönlichen Weitergabe auch die Stellung des Vermittelten in der Welt präsent. Denn daß ein kostbarer Kelch mit Rubinen und Smaragden auf einem Altar kein Fanta-Brausewasser enthält vermittelt erst und wesentlich (weil eben: versucht wesensgemäß - nichts Menschliches könnte dabei je Gott vollkommen gerecht werden, eine heilige Scheu Scheu eines Zurückstehens bleibt im letzten also immer noch) die Bedeutung dieses Dahinter für die Welt. Und es vermittelt die Haltung die dem Menschen dazu ziemt, um so an seinem Inhalt, am Getragenen wirklich teilzuhaben. Was ja über jede rein physikalisch-rationale Ablauftechnik bei weitem hinausgeht.

Sich zu einem Ganzen aber rundet, das durchaus als "Heilsökonomie" zu bezeichnen ist, weil darin klar formalen Charakter hat. Also von den Formen nicht lösbar, quasi "spiritualisierbar" ist (Geist braucht Materie als Trage und Zugangstor für das Geschöpfliche, den Menschen, der sich gewissermaßen "selbst" in die Wahrheit hinein formen, ihr aufnahmebereit (!) durch Angleichung machen muß, ohne daß sie ihm je willkürlich verfügbar wäre, etwa ... durch wahrhaftiges Denken als Wahrsprechen.** Und doch bleibt auch die Kirche nur sie selbst, weil sie sich als Hüterin eines Geistes weiß, der zwar in ihr west und sogar angreifbar wird, den sie aber in ihren Formen und Symbolen und allen Worten und Werken der Poesis niemals erschöpfend fassen kann.

Immer steht diese prinzipielle Ungenügendheit des rein-menschlich-rein-Irdischen vor Augen. Dem Menschen ist in seinen Möglichkeiten immer nur ein Teilerfassen, ein Verweisen auf ein Größeres, auf ein Dahinter möglich.*** Sein Bereich ist gewissermaßen der untere Teil einer Stange, der sogar je höher und höher zu dem seinen werden kann. Aber immer weiß er, daß diese Verbindung zum reinen, absoluten Geist nur in seinen untersten Bereichen begreifbar, ergreifbar wird, immer bleibt diese Offenheit zu einem Ganzen, das sich aber allem seinem Begreifen entzieht.

Um doch zu wissen, daß es nur über diese unteren Bereiche geht, daß er sich diese nicht schenken kann, sondern daß sie der Weg zum Oben sind, Teil der ganzen Stange sind, die vom Himmel - dem absoluten Reich eines absoluten Gottes - bis auf die Erde reicht. Dieses unten widerspricht also nicht dem Oben, das Oben enthält sich in diesem Unten aber nur auf indirektere, mehr in Materiales verpackter Gestalt. Würden auf der Jakobsleiter die untersten Sprossen nicht zu einem Oben "in den Wolken" führen, sondern woanders hin, würde man sie niemals nach oben hin durchsteigen können. Deshalb kann man tatsächlich davon sprechen, daß die konkrete Erde der Weg zum Himmel ist.

Es ist eine anthropologische Tatsache, kein irgendwie "theologischer Inhalt". Es ist die Grundlage dessen, was überhaupt jede menschliche Präsenz, jedes menschliche Individuum zum Stellvertreter (!) eines Geistes macht, der immer und in ununterbrochener Reihenfolge zurückgeht bis zum Anfang aller Zeiten. Als der Mensch noch im Garten Eden war, in dem Gott selbst wandelte.

Aber daß in dieser katholischen Sichtweise auch sämtliche Medienkritik präsent ist, seit es eine solche gibt - schon mehrmals wurde darauf hingewiesen, daß die Gründerväter dieser Kritik Katholiken waren (McLuhan, Innis als dessen Lehrer) - ist ein Aspekt, von dem mancher denn doch überrascht sein könnte. Noch mehr, als das Wesen des Katholischen sich zur "Fachwissenschaft Medienkritik"verhält wie der vollkommene Inhalt eines Ganzen zu einer Auseinandersetzung mit herausgebrochenen Teilen.



*Etwas, das ja jedem menschlichen Begegnen, ja jeder Begegnung des Menschen mit der dinglichen Welt völlig gleichartig verläuft. In JEDER Begegnung vermittelt sich also ein in den Dingen, in ihrem Wesen selbst präsentes (unsichtbares) Wirkliches. Ob nun jemand den Geist Gottes vermittelt weil in sich wie ein Tabernakel trägt, oder ob es ein anderer Geist ist (den er aus demselben Grund nur über personale Begegnung übernommen hat.)

**Damit wären wir beim Gebet angelangt. Denn das Denken der Wahrheit ist ein Beten.

***Mit einer sehr sehr schmalen Grenze zum sogenannten "Rubrizismus", der einer Art "hinreichendem Einsperren" gleicht, und der Magie und Technik nahe steht.




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