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Montag, 6. Juni 2016

Filmempfehlung - Wie Parteienwahlen mittlerweile funktionieren

Sie ist das Übel der Parteiendemokratie - Propaganda. Sie ist nämlich das Wesen der Abstraktion, dei parteien bedeuten. Die Zuspitzung auf Ideen, auf Meinungen, auf Zweitwirklichkeit. Man ahnt es,  man weiß es irgendwie. In "Our Brand is Crisis - Die Wahlkämpferin" mit einer phantastischen Sandra Bullok (übrigens: auch fraulich berückend wie noch nie) erhält der Laie, der "normale Wähler" einen ersten Einblick und der etwas Eingeweihtere eine Ahnung, was in Wahlkämpfen mittlerweile wirklich passiert.

Man beginnt zu begreifen, warum sich die Parteien "Spindoktoren" aus den USA um viel Geld engagieren und einfliegen lassen. Die mittlerweile - was der Film zeigt stimmt rein sachlich tatsächlich - rund um die Welt "demokratisch eWahlen" steuern und beeinflussen. Denn die verstehen ihr Geschäft, das auf ein ungeheures Arsenal technologischer Mittel, internationaler Vernetzung und psychologicher Forschung zurückgreifen kann.

Dabei ist der Film über eine Präsidentschaftskandidatur in Bolivien nur ein sehr reduzierter Einblick. Das Medium Film läßt eben nicht mehr als zwei, höchstens drei Plotkitzler - Kontrapunkte zum eigentlichen Handlungsstrang, der hier lautet: Wie schaufelt man einen hoffnungslos zurück liegenden Kanditaten zum Sieger in Wahlen - zu, mehr ist nicht transportierbar, das ist im Theater nicht wesentlich anders, obwohl sich dort noch deutlich mehr transportieren läßt. Es sind in der Realität aber nicht die zwei, drei großen Drehs, die man anwendet, im Gegenteil, es sind dutzende, hunderte. Den Rest vergißt der Zuseher einfach, er selektiert unbewußt, und alles Zusätzliche wird deshalb dramaturgisch nicht wirksam. Denn Dramaturgie, Katharsis funktioniert nur über Erinnerung und in ihr Identifikation.

Die modernste Entwicklung (die viele noch immer nciht begriffen haben, das muß man auch dder FPÖ vorwerfen, deren Wahlkampf im Vergleich zu dem der Roten wie Handarbeit im Vergleich mit CAS-Maschinentechnik wirkte) ist dabei die Taktik der tausend Nadelstiche - im Umfeld. Man geht das Ziel nicht mehr direkt an, das ist Schnee von vorgestern. Man attackiert einen Gegner nicht mehr direkt, das ist lediglich ein punktuell notwendiges Übel, das man halt auch betreibt weil es natürlich sein muß, als äußerste, dünnste Membrane einer Weichenstellung hier oder dort. Und man muß es sogar hochstilisieren, um den Wähler glauben zu machen, er handle strikt rational.

Man trocknet die Böden der Gegenargumente und der Gegner aus. Ganz langsam, Stück für Stück, Wählersegment um Wählersegment. Wer davon ein bißchen verstehe, konnte das im letzten Wahlkampf in Österreich um die Bundespräsidentschaft mitverfolgen. Ein direkte Gegnerschaft, ein Aufblasen Hofers zum Gottseibeiuns, hätte der Kampagne van der Bellens nur geschadet. Also steckte man sein Umfeld ab. Hier hat man in Österreich schon in den letzten Wochen vor dme Wahlgang zur Stichwahl bemerken können, daß der FPÖ die Ideen ausgingen. Irgendetwas hat sie erlahmen lassen. Das war bei van der Bellen anders. Und er hat die Wahl in der allerletzten Woche gewonnen, dessen ist der VdZ sicher. Als Hofers Spindoktoren endgültig Ermüdungserscheinungen zeigten. Lüge? Ach, was zählt da Lüge, wenn der Zweck "richtig" ist - die Welt zu retten? Man inszeniert einfach eine Krise des "alles oder nichts" herbei! Die FPÖ konnte darauf nicht mehr antworten.

Und wie im Film hat auch in Österreich schon einen Tag nach der Wahl der rotgrüne Kandidat jede Zurückhaltung und Vorsicht, mit der er unter kräftiger Abstimmugn mit den Medien zuvor schwer punkten konnte - van der Bellen gelang es ausgezeichnet, seine ursprünglich radikalen dunkelroten Positionen vergessen zu machen, ja fast meinte man schon, er widerriefe sie - aufgegeben, und ist zu seinem Ausgangspunkt zurückgekehrt: Dem Kampf um die Aufrechterhaltung des Establishments,  das nämlich fundamental links ist, den Kampf um die Niederringung der Kräfte der Veränderung. Die Wähler wußten gar nicht, was ihnen geschieht, wie im Film. Denn es ging nur ums Ergebnis. Da waren die Blauen zu grün hinter den Ohren, die Grünroten hingegen sind ihrer Natur nach behaviouristisch.

Der Film ist gut. Er ist beileibe nicht erschöpfend, er zeigt beileibe nicht alles, was da sonst noch möglich ist und passiert. Er zeigt beileibe nicht, wie fortgeschritten die Propaganda mittlerweile ist. So fortgeschritten, daß dem Leser das Gehirn stocken würde, würde er alles kennen, was die Gehirnforschung und eine extrem wache, pragmatisch-behaviroistuische Psychologie (aus den USA) mittlerweile an Manipulationsfeinbesteck ausgearbeitet hat. Die viel, enorm viel schon um das Wesen von Urteilen weiß, die nämlich auf Stimmuingen aufruhen, die aus ganz anderen Bezirken stammen. Sie glauben, Sie lesen ein Kochrezept über Spargelrisotto in den zarten Iden des Mai? Na daß sie sich nicht täuschen tun ...

Darf das sein? Muß das sein? Soll das sein? Der Film macht es sich einfach, und das ist sein einziger Schwachpunkt, wenn auch nicht ganz in der Holzhammermethode etwa eines Spielberg, die in Sentimentaliät triefend enden. Diese Logik ist im Film gegen Schluß zu vielschichtig angerissen, ob gewollt oder nicht. Der Schluß blieb zu kurz, um ihn emotional und damit dramaturgisch vertiefen und befriedigend ausdiskutiert beenden zu können. Sodaß man in einer Volksrebellion dieser gezeigten Art auch objektiv Positives erblicken könnte. So bleibt er nur Popcorn mit Cola für Linke, die sowieso immer wußten, daß alles so ist. Das signalisiert ja auch die Besetzung mit Sandra Bullock - denn DIE kann am Ende ganz sicher nicht so skrupellos sein, wie sie eigentlich sein müßte, man weiß es schon am Anfang. Was dem Film viel nimmt, man merkt es erst später. Wie er überhaupt in der Handlung viel schuldig bleibt. Zu sehr geht es den Filmemachern um das "Sagen": Seht, wie korrupt alles ist! Aus der Handlung, aus den Charakteren selbst geht die gewollte Aussage nicht wirklich hervor. Aber es ist ja schon lange etablierte künstlerische Katastrophe, daß die Zuschauer gar nicht mehr "beim Film" sind, sondern zweitwirklich Aussagen über das Gesehene drüberstülpen und zufrieden sind, wenn es irgendwie bestätigt wird. Künstlerisch wertvoll ist der Film also nicht.

So nebenbei: Es ist augenfällig, daß Hollywood schon sehr lange die Mechanismen einer Demokratie dadurch in Frage stellt, als es zur Behebung der realen, faktischen Schäden durch Böse völlig undemokratische Moralhelden zeichnet, die gegen alle Gesetze durchziehen. So verhält sich die USA ja schon lange auch außenpolitisch.

Tatsache bleibt dennoch, daß der Film in vielem Gezeigten (zumindest rational) sehr glaubwürdig ist und ahnen läßt, wie heute Wahlen auch bei uns stattfinden. Und er liefert damit einen nicht unwesentlichen Beitrag zu einer lange schon notwendigen Reflexion über die parteienbasierte Demokratie, auf die wir angeblich so stolz sind, ohne meistens überhaupt noch zu wissen, wovon die Rede ist. Daß der Film angeblich auf wahren Begebenheiten rund um die Wahlen in Bolivien im Jahre 2002 beruht überrascht nicht. Pars pro toto!

Trotz allem also: Eine Empfehlung fürs Kino!

P. S. Eine gut verfaßte eingehendere Filmkritik, die neben politischen Hintergründen auch in Geschehen rund um Produktionsüberlegungen Einblick geben, findet der geneigte Leser auf Salon.com.









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