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Samstag, 25. Juni 2016

Grenzen des Vergnügens

Es macht ganz sicher gewisse intellektuelle Freude, die rhetorische Gewandtheit eines Henryk Broder zu erleben. Die sich bei ihm mit einem liebenswürdigen Zug eines Lust an der Provokation verbindet, und damit durchaus seine schätzenswerten Aspekte im Diskurs der Gegenwart hat. Vielleicht gerade durch seine prinzipelle Harmlosigkeit, die gewisser Sprachformeln - und allgemeiner Zeitdiskurs hängt wesentlich am Verhältnis zu Sprachformeln, denn die Sprache ist der geistige Raum eines Volkes - die wie das süße Einspeicheln sonst reflexartig ausgestoßener Medikamente wirkt.

Aber dieses Vergnügen, das in diesem Video gewissermaßen in komprimierter Form zu finden ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß genau Broder auch ein grundlegendes Problem des praktischen Liberalismus zeigt. Der nämlich den wirklichen Problemen elegant ausweicht, um im Einzelfall dann doch pragmatische Grenzen zu ziehen, wo dies oder das denn doch gegen den Strich bürstet. Er hat keine in sich konsistente, widerspruchsfreie Struktur, deshalb wandelt sich ja das Bild des Liberalismus in erstaunlichem Tempo, man muß nur die letzten 200 Jahre ansehen. Seine eigene Begrenzung findet er nur aus zufälligem Faktischen. Er bleibt eben in seiner Natur eine fast gefährliche Zeitgeisterscheinung, die dann zurückrudert, wenn ihre eigenen Prämissen Zeiterscheinungen zeigen, die irgendwie denn doch subjektive Grenzen überschreiten. Aber so sind ja heute ohnehin alle.

Auf dieser recht oszillierenden Ebene sagt er auch immer wieder viel Richtiges. Das aber nur im recht begrenzten Bereich gewisser Phänomene richtig bleibt. Für die wirklich notwendigen Diskurse aber, die sich nicht Einzelprobleme herausnehmen dürfen, ohne deren tiefe Zusammenhänge zu reflektiere, reicht es bei weitem nicht. Das leider so häufig zu beobachtende Gequatsche von "Toleranz" als Mittel gegen alles und jeden reicht da bei weitem nicht.

Sondern es wirkt eben als Sedativum, schon gar weil vieles "ja eh" gesagt wird. Aber genau damit mündet Broder und der Liberalismus in Irrationalismus, der praktisch nicht mehr wegzuschiebende Probleme (die ja in Wirklichkeit genau dem Liberalismus entstammen) bestenfalls noch mit Gewaltforderung einzudämmen versucht. Die auch Broder ja erstaunlich häufig verlangt. Weil er die Dinge auf dieser Ebene, auf der er sich bewgt, eben nicht wirklich lösen kann.

Was man auch daran merkt, daß sich Broder im Ernstfall von Widersprüchlichkeiten recht rasch auf rein persönliche Affekte beruft, die ihm aufgrund seines hohen Sympathiefaktors gerne zugestanden werden. Und das soll halt bei ihm so sein. Nur wissen muß man es. Denn damit läßt sich in jedem Fall recht elegant lavieren. Denn man kann problemlos mal für dieses und gegen jenes sein, und morgen auch mal umgekehrt, weil man halt gelernt hat, weil sich etwas verändert hat, was auch immer. Mit solch ausgeprägter Eloquenz (die die Sophistik in ihrer späteren, schlechten Variante als reine Sprachgeschicklichkeit zur Eristik macht, wie Schopenhauer feststellte, als Kunst einfach immer "oben" zu bleiben) und damit recht eng verbundener gewisser Eitelkeitsverknüpfung mit Zeitströmungen bleibt man dann vor allem eines - in der Gunst dieser Zeitströmungen. Zu dem, was man den Ungarn schon in der onarchie amüsiert zuschrieb: Sie ließen einem bei einer Drehtür mit ihrem freundlichsten Lächeln den Vortritt, um trotzdem vor einem draußen zu sein.

Und das notirisch feige Publikum (und man kann ees ihm gar nicht vorwerfen; diese Feigheit wird sogar meist völlig zu Unrecht zum Vorwurf drapiert; sie ist nämlich in Wahrheit und meist einfach jene Vorsicht, die weiß und auf den anthropologischen Umstand verweist, daß Wort, Sprache immer "von oben" kommt)  heute ist ja ohnehin so dankbar. Es greift mit Gier nach jedem Satz oder Wort, das ihnen nicht dezitiert widerspricht. Daß es damit zum Opfer einer bloß nominellen Äquivokation wird, fällt ihm nicht auf. Gegen dies oder das? Das muß einer von uns sein. Für dies oder das? Endlich sagt es einer.

Aber das löst rein gar nichts, im Gegenteil, man schluckt mit einer solcherat oberflächlich bleibenden Libertät in Wirklichkeit viel gefährlichere und vor allem fundamentalere, langfristigere Gefährdungen für die Freiheit. Broder bleibt ein liebenswürdiger Clown in der öffentlichen Diskussion. Der aber woanders stattfindet. Immerhin macht er sich aber auch nicht die Mühe, diesen Anspruch zu erfüllen, was zweifellos für ihn spricht. Denken aber besteht nicht darin, einfach Sprachgirlanden fortzuführen und auszubauen, sondern im Vielfältigen das Bleibende, das Tragende, das so erst Wirkliche zu sehen. Und das erwischt Broder bestenfalls mal zufällig.










*120516*