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Dienstag, 25. Oktober 2016

Aber die größere Gefahr ist der Relativismus (2)

Teil 2)




Fällt die strenge Form der Symbolik, dann stirbt die Welt


Fällt die Symbolik, wird sie ausgelöscht, fällt die Welt, wie Cristina Campo einmal schreibt, in den Tod. Die Welt wird tot. Das Ende der Zeit (und damit das Ende der Geschichte) ist in dem Moment gekommen, in dem alle Symbolik ausgelöscht ist. Denn in dem Moment ist die Welt nicht mehr das fleischliche bzw. fleischgewordene Reich des Geistes - das Reich Gottes besteht (oder: bestünde) nicht mehr (würde die Zeit nicht abgekürzt, darauf dürfen wir hoffen).

Aus diesem Grund muß die ganz konkrete, architektonisch errichtete Kirche ein vollkommenes Abbild (oder: soll es sein ...) diese Reiches Gottes, der Kirche in jeder Dimension, eingegliedert in den Ewigen Chor der bereits vor dme Angesicht Gottes steht, und immer dort steht, weil das Symbolische in seiner Ewigkeitsdimension keiner weltlichen Zeit mehr unterworfen ist. Speziell in den Kirchenbauen bis zur Moderne ist dieses Begreifen zu einer Blüte gediehen, die etwa in den gotischen kathedralen zu einem lückenlosen Ensemble purer Symbolik wurde, wo alles einen Ewigkeitswert hat und als Gesamtkomposition ein Fenster zum Ewigen Geist ist. Womit wir beim Wesen der Kunst sind.

Keineswegs also ist es zum einen egal, ob das Leben in Symbolik und Symbolhaftigkeit stattfindet, denn es ist sogar seine Voraussetzung. Und keineswegs ist es auch egal, in WELCHER Symbolgestalt die geistigen Inhalte in die Welt hinein verfleischlicht werden. Denn das konkrete Symbol ist über das menschliche Erkennen jener Ort auf jener Ebene, die der menschlichen Verfaßtheit als sinnliches und sinnenhaftes, aber auch in den Geist ragendes Wesen (der Mensch also in Dialogik mit dem Geist, analog zur göttlichen Dreifaltigkeit - "Nach seinem Abbild schuf er ihn.") über die Dramatik dieses Zueinandergeschehens entspricht. Einen anderen Weg gibt es nicht, bzw. ist kein anderer Weg "verantwortbar" (wenngleich "für Gott alles möglich" ist), weil dem Menschen gewiesen. 

Auf einen anderen Weg zu spekulieren - und erst recht, die Symbolik als nebensächliches Brimborium zu sehen, dessen Form unwichtig ist - ist also Hochmut und Vermessenheit, ist in Wahrheit sogar ein Schlag in das Gesicht Gottes, dessen Weisheit als Abbild in der konkreten Schöpfung als unwesentlich dargestellt wird. Meist mit dem Scheinargument, daß es ja nur auf seinen reinen Geist ankäme. Das heißt, daß sich z. B. über das ganz konkrete Abbild des gekreuzigten Jesus Christus - das Kreuz ist ein Symbol - im Menschen jene Erkenntnis zuerst über die Sinne abbildet, die er dann (als Eigenleistung, gewissermaßen) in seinen menschlichen Geist hineinholen muß, wo sie auf jeder Ebene des menschlichen Daseins ihre Entsprechung bilden kann, bis sie im Geist die höchste Form annimmt - als reine Form.

Es wurde schon angesprochen, aber soll noch einmal ausgeführt werden - das, was das Symbol vom menschlichen Zeichen unterscheidet. Denn innerhalb der menschlichen Weltlichkeit bzw. aus ihrer faktischen Zuständlichkeit alleine heraus ist eine Symbolik kaum oder sogar gar nicht möglich. Nur in der Selbsttranszendierung AUF FORM HIN vermag der Mensch eine Gestaltdynamik abzubilden, die tatsächlich das Ewige in die Welt hereinholt. Nur so bleibt das Bleibende, das Eweige von Anbeginn, auch in der Welt - im stets neuen Rückgriff. Rein menschliche Geste mögen einen gewissen vorübergehenden Wert (auch in der Klugheit) haben, sie können aber niemals die Größe und Bedeutung der Symbolik erreichen.

Noch mehr aber, hat die Kirche das alltägliche Leben der Menschen dieses abendändischen Kulturkreises durch eine nach und nach immer dichter werdende Gestaltung des gesamten Tages- wie Jahreskreises immer mehr in diese Welt der Symbole hineingeholt. Und die Menschen haben ihr Leben aus diesem Rahmen zu gestalten begonnen, nach und nach, und nach und nach auch die Fülle des Lebens aus dieser Welt der Symbole - der Kirche, dem Reich Gottes also - in ihrem Leben realisiert. Das war bei weitem nicht immer, ja nicht einmal ansatzweise sogar "bewußt" so, sondern es war ein immer innigeres, immanentes Verhältnis zu diesem Reich der Poesie, in das von den allermeisten fast jeder Lebensvollzug hineingeholt wurde: Die Menschen haben ihre Lebensvollzüge zu ritualisieren begonnen. Man denke an immer noch bestehende formen die das Morgen- und Abendgebet, die regelmäßige Teilnahme an den kirchlichen Liturgien und Festen sowieso, das Tischgebet, das Kreuzzeichen beim Anschneiden eines frischen Laibes Brotes, der berühmte, an so vielen Orten gepflogene "In Gottes Namen ...", die Wegkreuze, die Kreuze in den Häusern und öffentlichen Gebäuden, die Rituale der Rechtssprechung, um nur einige der Auffälligsten zu nennen.

In diesem Rahmen nimmt das Symbol deshalb auch immer eine gewisse kulturspezifische Form an, aber nur in diesem Rahmen. Dann wird es zum "Kreuz der Johanniter" - weil es in dieser spezifischen Form noch weitere Konkretion in die Welthaftigkeit hinein angenommen hat - oder zum "Stern Davids", zur "Liturgie der Franziskaner" oder zur "Liturgie der Arberesh" auf Sizilien, jener im 15. Jhd. vor den Türken übers Meer geflohenen albanischen Bevölkerung, die bis heute ihre alten Liturgien und Symbole - bis hin zur alten Sprache der Liturgie - bewahrt hat. Aber mehr als das. Diese spezifische Hineinprägung des Symbols zur Welthaftigkeit ist sein eigentlicher Ort der Weltwerdung und der Fensterhaftigkeit. Denn Heil ist IMMER spezifisch, ist immer regional, ist immer sehr in eine bestimmte Situation hinein gesprochen.

Es muß deshalb davor gewarnt werden, die Symbole selbst wieder zu abstrahieren, in eine abstrakte Gestalt gegossen zu sehen. Das wird ihrer lebensspendenden und lebenstragenden Aufgabe nicht gerecht. So schwierig diese Frage oft auch zu beantworten ist, weil es genau darum geht: Ob diese Gestaltenindividuation noch den eigentlichen Symbolwert erfaßt oder ihn zur bloßen Kulturerscheinung stilisiert, zur bloß ästhetischen Frage oder gar einer Kultivierung einer Unkultur, einem Defekt in der Regionalkultur macht. Der Inkulturationsstreit der Symbole in der Kirche hat eine lange Tradition und ist bis heute natürlich eine immer gleich brennende Frage.

Umso mehr aber hat die Kirche immer Wert darauf gelegt, einmal in diesen Hinsichten geklärte Fragen und damit Kult- bzw. Symbolvarianten hochzuschätzen und zu bewahren. Wenn es stimmt, was katholisches.net schreibt, daß der Vatikan jüngst die erwähnten (letztlich: orthodoxen) Kulte - Erinnerungen an Zeiten, in denen Byzanz und Rom noch in ein und derselben Kirche geeint waren - vereinheitlichen, damit "abstrahieren" will, um so einen "gemeinsamen kleinsten Nenner" zu finden, dann kann man sich nur über diese lieblose Gewalt wundern. Noch dazu, wo dieser uralte albanische (immer als katholisch anerkannte!) Kult ein Ausgangspunkt für eine wirkliche Union des Katholischen Kreises mit der Orthodoxie des Ostens sein kann, weil in ihm beide noch vereint waren.

Aber es wäre - leider - typisch für das, was man heute als gefährliche Tendenz in der Kirche feststellen muß. Die die Wahrheit der Form relativiert, auf eine minimale allgemeine Form herunterbrechen will, auf die es letztlich gar nicht - weil sowieso nicht - ankommt. Nichts ist deshalb unkatholischer als eine Zentralisierung der Symbolik des Kultes bis ins Detail. Noch dazu wo man ganz konkret befürchten muß (wir führen das aber hier nicht weiter aus), in der die Symbolik des Heils durch eine banale Symbolik einer abstrakten, spiritualistischen Zwischenmenschlichkeit ersetzt werden soll, wo rein menschliches Fühlen und Wollen und vor allem (!) subjektives Befinden angestrebt werden soll, das die Symbolik ersetzen soll. Genau das, was in vielen Pfarreien unseer Länder heute bereits Alltag ist - und die Kirchen wie die Theater "leergespielt" hat (wie ein Regisseur zum VdZ einmal meinte.)

Wo im selben Maß, wo beim Friedensgruß alle durch die Kirche zu laufen begannen, um sich zu herzen und zu küssen und nach dem Befinden des letzten Babies zu fragen, wo im selben Maß, als die Liturgie regelrecht "leergeräumt" wurde, sodaß heute nur noch ein Entertainer am Altar steht, der dem Volk zugewendet eigentlich nichts tut als zu reden und vor allem zu erklären, was angeblich nun passiert (aber nicht mehr zu sehen ist, weil die Symbole weggelassen wurden, dabei soll ja genau das passieren: es soll gesehen werden, es soll ja ganz real passieren!), die Menschen den Gottesdiensten fernblieben. Denn Mitmenschlichkeit auf dieser Ebene - und mehr ist es ja nicht mehr, was der durchschnittliche Gottesdienstbesucher heute am Sonntag erlebt und sieht die eigentlichen liturgischen, symbolischen und realen Akte sind auf ein kaum noch sichtbares Minimum reduziert; am meisten bewegt sich da noch, wenn der Pfarrer zu den Menschen rennt und ihnen die Hand zum Friedensgruß schüttelt wie ein um Wahlstimmen werbender Bürgermeisterkandidat - liefert jeder Stammtisch ums Eck um Dimensionen besser.

Es kann aber in der Liturgie nur eine Wirklichkeit geben - die der Symbolik. Denn nur sie ist der Himmel, im Sakrament sogar ganz real. Und ihre Freuung ist die des Geistes. Geist aber ist eine Dimension, die ein Sterben gerade des Menschlich-Allzumenschlichen voraussetzt. Nur dann ist auch seine Freiheit zu erreichen - wenn der Mensch von rein zwischenmenschlichen Antrieben völlig frei ist. Nicht durch die Liturgie - auch noch gerade vor der Kommunion, der Begegnung mit dem reinen Geist in der Brotsgestalt, in der das Symbol zum realen Zeichen des Himmels wird - sogar noch dazu getrieben wird, also bereits die reale Erfüllung des Symbols ist, dessen Zerbrechlichkeit damit übersteigt.

Dahinter steht das, was Antonio Rosmini als einen der sich im 19. Jhd. endgültig abzeichnenden Allgemeindefekt des Abendlandes erkennt - die Verdinglichung des Geistigen. Als Für-sich-nehmen eines in einem formalen Vollzug immanent enthaltenen, aber nicht voraussetzungslos Konsumablen: Liebe, Geborgenheit, Vertrauen ... Dinge, die für sich nicht "machbar" sind, auch nicht explizit als Erlebensquant vermittelbar, sondern bestenfalls Folge, Frucht eines ganz anderen, wahren, realen Geschehens, bestenfalls Punkt, auf den sich Hoffnung bezieht. Der aber für sich praktisch kaum je erlebt werden kann. Der sich deshalb aber hervorragend für Täuschungsabsichten und die Lüge der Schizoidität (der "Behauptung", der kein Sein entspricht) ausnützen läßt.



Morgen Teil 3)





*070916*