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Mittwoch, 30. November 2016

Zinsen schaden immer dem Gemeinwohl

Das Argumetn des Hl. Bernhard v. Siena gegen die Zinsnahme ist eigentlich einfach, und er folgt einer langen Linie, die seit Aristoteles auch schriftlich tradiert wurde: Geld ist steril. Es schafft keinen Wert. Das einzige, was Wert schafft, ist menschliche Arbeit und Leistung. Deshalb gebührt der Mehrwert, der mit Geld erarbeitet wird, auch dem Arbeitenden. Zinsen zu nehmen ist damit der Raub des Erarbeiteten, Zinsen sind Diebstahl. Der noch dazu fast immer die Notlage des anderen ausnützt. Auch liegt ein Unrecht darin, für ein unsicheres Gut wie Geld ein sicheres wie Arbeit und Wert einzufordern. Ebenso wird der Geldschuldner vom Geldleiher gezwungen, seine Wertschöpfung gewissermaßen enteignen zu lassen. Zinsnahme ist IN SICH schlecht (intrinsisch), also in jedem Fall und völlig unabhängig vom Grund, aus dem ein Darlehen vergeben wird.

Für Christen besteht ohnehin die (moralische) Pflicht, Geld, das man besitzt und nicht direkt benötigt, Brüdern in Christus zu leihen (oder gar zu schenken). Geldverleih bewirkt aber das genau Gegenteil dessen, was ein Organismus tut und braucht: Er funktioniert nur, wenn das Eigeninteresse GEGEN das Gemeinwohl ausgespielt wird. Damit schadet Geldverleih gegen Zinsen IMMER dem Gemeinwohl, das er schwächt, und zur Kapitalkonzentration in den Händen Einzelner führt. Geld aber ist das "Blut" des Gemeinwohls, es muß wie dieses ständig fließen. Geld zu horten entzieht dem sozialen Organismus also das lebensnotwendige Blut, senkt die Wirtschaftsleistung als Ganzes. 

Kommt es zur unproduktiven Konzentration, stockt das Geld wie das Blut in einem Körper, dem ein Arm oder ein Bein mit Blutstockung das Gleichgewicht raubt - er wird krank und richtet sein ganzes Interesse nur noch auf den Körperteil aus, der ihn zu bestimmen versucht und letztlich töten wird. Im Organismus eines Wirtschaftsgefüges heißt es, daß der Hauptteil des Organismus, das Wohl der Vielen, mit der Zeit abstirbt und das Volk in Armut und Sklaverei versinkt, weil er von einem peripheren Organ bestimmt und benützt wird. Mittel- und langfristig führt deshalb Zinsnahme immer zu einem Gesamtniedergang einer Wirtschaft.

Warum aber haben die Päpste des 15. Jhds. mehr und mehr begonnen, die Zinsnahme zu tolerieren?Denn auch kein Papst kann eine "in sich schlechte Tat" rechtfertigen. Sie taten es, indem sie es scheinheilig auf die Juden beschränkten und begründeten es mit einer Art "geringerem Übel", das einfach faktisch notwendig sei "wie das Brot des Bäckers". Der Grund lag freilich nur bei den Päpsten selber, die im Namen persönlicher Interessen und Lebensweise von den Krediten der Juden zunehmend abhängig wurden. Wenn Juden von Päpsten nicht direkt ihre Privilegien in diesen Hinsichten gestärkt wurden,  so haben sie doch die Gebote betont, daß Juden kein Haar gekrümmt werden dürfe.

Dennoch bleibt der theologische Disput um die Frage, ob ein Volk, eine Volkswirtschaft "Wucher" (Geldverleih mit Zinsen) nicht sogar BRAUCHT, als geringeres Übel gewissermaßen, interessant. Das überzeugendste Argument DAGEGEN ist, daß damit die Vorsehung Gottes für jeden Menschen in Frage gestellt wird, Wucher also blasphemisch ist.  Denn es kann niemals Gottes Wille sein, jemanden in einer Position zu sehen, in der er in sich Schlechtes gar als notwendig (für das übrige Gute, Bessere) zu tun hätte. Es gilt also das Bernhardschen Argument, daß Zinsnahme nicht nur gegen die christliche Nächstenliebe verstößt, sondern auch eine wirtschaftlich gedeihliche Entwicklung, das Gemeinwohl zerstört. Die Nachsicht, die man dem Zinsverleih entgegenbringt sieht Bernhard darin begründet, daß es daneben immer auch einen (zinslosen) Geldverleih aus bloßer Nächstenliebe, als Hilfe dem Nächsten gegenüber gab und gibt. Diese beiden Verleiharten haben aber nichts miteinander zu tun.

Damit nimmt Bernhard auch Stellung gegen die aufkommenden "Staatsanleihen (gegen Verzinsung)", die von manchen sogar als eine Art "Aussteuer-Ansparen" betrachtet wurden. Geldverleih gegen Zinsen ist in jedem Fall ein Angriff auf Gottes Güte und Vorsehung.

Dennoch setzte sich allgemein die gewohnheitsmäßige Ansicht durch, daß der Geldverleih als Geschäftszweig notwendig ist. Fast jede Stadt vergab Lizenzen (an Juden).

Übrigens kann man über die Tatsche, daß es seit je vor allem Juden waren, die in die Geldwirtschaft einsteigen - die den Sinn hat, arbeitsloses Einkommen zu generiere, also den Wert der Arbeit anderer für sich zu beanspruchen - durchaus dahingehend nachgedacht werden, es findet sich immer wieder in der Literatur, daß in den Juden ein bestimmter Ethos der Antike weiterlebte. Wo es im gesamten Mittelmeerraum (und darüber hinaus) allgemeine Haltung geworden war, daß Arbeit "schlecht", menschenunwürdig ist und nur den Sklaven zugemutet werden kann. Während der freie, edle Bürger sich damit zu befassen hat, "sein Kapital für sich arbeiten zu lassen". 

Weil in der nachrömischen Zeit die Juden das einzige alle diese Zeiten überspannende, geistig völlig gleichbleibende und stabile Element waren, hat sich in ihnen auch dieser Ethos (wenn auch in der Erbsünde und dem "Arbeitsfluch" der Genesis begründet, während der Geldverleih an Fremde von Moses selbst gestattet wurde) erhalten. Er ist in der Renaissance, die sich ja als Rückgriff auf die Antike verstand, im Abendland neu belebt worden. Und zwar natürlicherweise von jenen Gebieten ausgehend - der Lombardei (Venedig!) und der Toskana - die auch über die Wirren der Spätantike hinaus einen gewissen internationalen Handel (und das hieß: mit dem Orient, und das hieß: Geldwirtschaft) bewahrt hatten und frühzeitig im Mittelalter sogar international arbeitsteilig geworden waren.





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