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Montag, 19. Dezember 2016

Sozialreform als Kampf gegen den Wucher (1)

Girolamo Savonarola (1452-1498)
Es wäre möglicherweise gar nicht zu einer Reformation gekommen, hätte Girolamo Savonarola den Kardinalshut angenommen, den ihm Papst Alexander VI. 1494 anbot. Denn es ist anzunehmen, daß der Dominkanermönch, der 1482 erstmals nach Florenz als Lektor an die dortige Novizenschule kam, und schon damals einen legendären Ruf als Bußprediger hatte, die einen starken Zug von Sozialreform trugen, als Kardinal mit Unterstützung der Franzosen und einiger Kardinäle, die die unglaublichen Machenschaften des Borgia-Papstes ablehnten, seinen Kampf gegen diesen Papst fortgesetzt und darin gesiegt hätte. Und recht sicher selbst Papst geworden wäre. Aber Savonarola lehnte ab, man muß dazu sagen: in falscher Demut.

Noch Lorenzo de Medici hatte ihn 1490 nach Florenz zurückgeholt, von wo er aufgrund seiner Radikalität zwischenzeitlich wieder entfernt worden war. Auch wenn seine Bußpredigten - wie in ganz Norditalien von den Dominikanern und Franziskanern - genau gegen das gerichtet waren, was Lorenzo aufgezogen hatte: ein korruptes Regime, in dem das Finanzwesen, die Geldgier der Medici und der Oligarchie des Stadtstaates alles regierte und den Staat ausplünderte, zum Werkzeug privater Interessen machte. 

Aber Lorenzo hatte wohl schon geahnt, daß sein unglaublich arroganter und größenwahnsinniger Sohn alles, was er gerade noch hatte halten können, binnen kurzem verspielen würde. Lorenzo fühlte wohl das düstere Ende, das seinem Hause blühte, und wollte es noch irgendwie abwenden. Denn tatsächlich hatte sein Sohn Piero keine zwei Jahre gebraucht, um auf absurde Weise die Herrschaft der Medici zu verspielen, mit der auch das Bankhaus 1494 endgültig zusammenbrach. Das nun die öffentlichen Mittel nicht mehr hatte, die es so lange noch am Leben gehalten hatten. Piero hatte sich in maßloser Verkennung der Realitäten mit den Franzosen angelegt, die in Italien mit ihrem König Karl VIII., der nicht unbedingt ein freund des Papstes war, stark engagiert waren. 

Die Florentiner waren ihm zutiefst dankbar, denn er hatte den Franzosenkönig dazu bewegt, die Stadt nicht zu plündern. Sofort begann Savonarola sein Reformwerk. Denn Florenz war in einem sittlich und sozial katastrophalen Zustand. Die Verarmung der Bevölkerung bei gleichzeitiger Bereicherung der Oligarchie (allen voran die Medicis), der immer totalere Niedergang aller produktiven Bereiche, hatte furchtbare Zustände bewirkt. Kaum ein Mädchen, das nicht schon in jungen Jahren promiskuer geworden war, und kaum ein männlicher Jugendlicher, der nicht seinen Körper an die Reichen verkaufte. Homosexualität war alltäglich geworden. Kaum ein Armer aber auch, der nicht bei den jüdischen Pfandleihhäusern schwer verschuldet war. 

Die (wir haben das bereits früher dargestellt) aber die schmutzigen Geschäfte der Oligarchie erledigten, mit der Zeit natürlich selbst zu Geld und Macht kamen. Was auch damit zu tun hatte, daß sie es klug verstanden, über ihre internationalen Beziehungen ihr Geld so geschickt zu verschieben und zu verbergen, daß auch die Pogrome nur wenig an ihrem wachsenden Reichtum ändern konnten. Sie verliehen zu Wucherzinsen Geld an jeden. Ein Jahreszins von 35, 40, 50 % und mehr war üblich. Und sie verliehen es leicht. Sie verliehen es diskret. Und sie waren damit erste Einnahmequelle für nach Rendite suchendes Geld - das von der Oligarchie stammte, den Reichen, den Begüterten.


Morgen Teil 2) Sozialreformen müssen alles Soziale umfassen, nicht nur Brot





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