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Samstag, 7. Januar 2017

Als Spanien durch Gold arm wurde

Als Karl V. die Schlacht von Pavia 1525 gewonnen hatte, fiel ihm auch der französische König Franz I. als Gefangener in die Hände. Das Lösegeld, das er von den Franzosen verlangte, war für damalige Verhältnisse gigantisch: 1,2 Millionen Goldkronen. Die französischen Noblen mußten das ganze Land regelrecht durchkämme, um diese Summe zusammenzubringen. Die Spanier brauchen 4 Monate, um diese Menge an Münzen nur zu zählen!

Die Folgen waren katastrophal, und zwar nicht für die Franzosen, sondern für ... die Spanier! Bei denen die Goldlieferungen aus Südamerika noch nicht wirklich begonnen hatten. Zuerst einmal stiegen in ganz Spanien gewaltig die Preise. Schon drei Jahre später erhielt man für die gleiche Summe Goldes nur noch die Hälfte Ware. Die Folge war, daß man überall begann, Waren aus Frankreich zu importieren. Damit (und in Zusammenhang mit dem Abfluß von jungen Männer, die nach Südamerika gingen, um ihr Glück zu suchen; man schätzt, daß 15 % der spanischen Bevölkerung von vielleicht 8 bis 9 Millionen Menschen - und gerade die produktivsten Teile davon - auswanderten) versiegte in Spanien die Produktion, während der Importsog immer stärker wurde.  Vom spanischen Gold wurden die andren reich. Die Niederlande, Frankreich, und bald die Engländer.

Dazu kamen die ständigen Kriege, die die wachsenden und bald riesigen Goldimporte (speziell nach den Funden in Peru) verschlangen, sodaß sich das Land trotz der enormen Geldzuflüsse immer mehr ver- und bald  nur noch überschuldete und alle 5-15 Jahre in Konkurs ging. Die Schuldzinsen (Niederlande!) überstiegen bald alles, was der Goldstrom ins Land schiffte, waren ein Faß ohne Boden. Nichts von dem Gold wurde nachhaltig in Produktion investiert, anders als in den genannten europäischen Ländern. Das Gold hatte dazu verführt, an sich als Vermögen angesehen zu werden. Ein schwerer Fehler. Denn niemand wollte noch arbeiten, und keiner sah, daß alles Gold ständig aus dem Land floß, keiner begriff, daß jede Form von Geld - auch Gold - nur Wert durch Arbeit hat. Die ersten diesbezüglichen Theorien entstanden in ... Frankreich.

Der Zustrom von Waren aus Europa und aus Südamerika deckte bald den gesamten Inlandsbedarf. Weite Teile Spaniens verödeten sogar, Wüsten entstanden oder wuchsen, weil das Land nicht mehr bebaut wurde. 10 % der Bevölkerung gingen überhaupt gleich ins Kloster, deren geistiges Niveau ständig fiel, sodaß sich Figuren wie Theresia von Avila und Johannes vom Kreuz zu radikalen Reformen gezwungen sahen. Nur die Dichtung blühte, auch die niedrigsten Niveaus (gegen die sich ja Cervantes so spitzfindig wandte), weil der Bedarf nach Theater und (oberflächlicher) Vergnügung groß war.

Während des 16. Jhds. wurde die Wirtschaft Spaniens so nachhaltig ruiniert, daß dieser Scheingewinn von 1525 als Startschuß für eine Entwicklung gesehen werden muß, von der sich das Land jahrhundertelang, ja vielleicht bis heute nicht mehr erholte. Während die Wirtschaft Frankreichs vor allem durch die Exporte nach Spanien aufblühte und jene Basis schuf, auf der das Land in den kommenden 150 Jahren zur mächtigsten europäischen Großmacht aufsteigen konnte, dessen Kultur den Kontinent tief prägte.

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Aber man muß historisch gerecht sagen, daß ganz Europa von der Mitte des 15. Jhds. an von einer bis heute nicht ganz erklärbaren Preissteigerung gezeichnet war. Die Bevölkerung wuchs stark, damit das Warenangebot weil die Arbeitsleistung, meinen die einen. Aber alles erklärt die Inflation nicht wirklich. Denn Geld war im Gegensatz dazu ein knappes Gut! Das würde also eher auf Deflation hinweisen. Warum aber stiegen dennoch ab 1460 überall die Preise? Weil die Münzverfälschung (durch Senkung des Edelmetallgehalts) immer häufiger wurde? Heinrich VIII. in England 100 Jahre später konnte sich phasenweise überhaupt nur durch diese Form der Enteignung der Bevölkerung über Wasser halten.

Häufig machte man die entstandenen Großkonzerne - Handelshäuser wie die Fugger, die Hochstetter, oder die Welser - dafür verantwortlich. Denn die Tauschwirtschaft, die zuvor wenigstens den regionalen Wirtschaftsbereich getragen hatte, wurde durch den über den Handeln Europa überschwemmenden Waren aus aller Welt in eine Geldwirtschaft umgewandelt. Der Tod des Feudalwesens, der Tod des alten Landadels war unausbleiblich, die ihre "Einkommen" aus den Lehen seit je in Arbeitstagen und Warenlieferungen bestritten hatten. Alle diese Importwaren konnten aber nur durch Geld erworben werden. Der Geldumlauf stieg überall rasant.

Diese Nachfrage nach Geld (das es nach wie vor nur in Form von Edelmetall gab) machte den Gold- und Silberbergbau enorm profitabel. Aber er war gleichermaßen in den Händen dieser Handelshäuser. Nur die hatten das Investitionskapital. Und die Beziehungen zum Kaiser. Die ersten Arbeiterstreiks brachen 1524 aus, als die Minenarbeiter in der Slowakei und in Tirol (Hall), die ihre Stunde gekommen sahen, höhere Löhne verlangten. Dazu muß man wissen, daß der Bergbau alleine im Reich Karls V. hunderttausend Menschen alleine in Deutschland beschäftigte, deren Familien ernährte. Damit stiegen die Preise weiter, auch für die Waren die die Minenarbeiter kauften. Zugleich kam es lokal zu Aufständen der einfachen Bevölkerung, wie in Südtirol, die ein Vorgehen der Obrigkeiten gegen die Monopolisten verlangten, damit auch sie an diesem Reichtum teilhaben konnten. Und zwar OHNE - wieder: bei Banken, die genau diesen Häusern gehörten! - Kredite aufnehmen zu müssen. 

Nur mit teilweisem Erfolg. 1525 bekräftigte Karl V. im Edikt von Madrid die Politik der Monopole, zumindest gegenüber den Fuggern, diesem Weltkonzern, und einigen anderen deutschen Häusern. Denn die Türken standen in Ungarn, der Papst brauchte ebenfalls Geld um die Ungarn im Abwehrkampf zu stützen, und dieser Bedarf nach Krediten machte die Argmentation der Fugger, daß nur Monopole die hohen und risikobehafteten Investitionen in Minen möglich weil in Summe rentabel machten, ziemlich überzeugend. Aber Karl schätzte überhaupt den Wert der Fuggerschen Bergbauaktivitäten (Gold, Silber, Blei, Quecksilber, Eisen, Kupfer, Zinn, etc.) als Rückgrat der gesamten deutschen Wirtschaft - und seiner Politik! - ein, und damit auch für seine Steuereinnahmen im Land. Die Stimmungslage unter der deutschen Bevölkerung aber wurde immer angespannter.




*151116*