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Dienstag, 2. Mai 2017

Unterdrückte gegen Unterdrücker? (1)

Aus der auf die Landschaften Frankreichs umgelegten Wahlanalyse ergibt sich ein recht eindeutiges Bild, das man durchaus, wie die Welt es tut, als Spaltung des Landes interpretieren könnte. Jene Gebiete, die strukturschwach sind, jene Räume, die ehemalige Zentren der Produktivität Frankreichs waren und seit Jahrzehnten unter die Räder gekommen sind, stimmten mit überlegenem Prozentsatz für den FN und Marie Le Pen. Das sind der Osten/Nordosten sowie der gesamte Bereich Mittelmeerküste/Süden.Während der Westen und das Zentrum mit Paris deutlich mehrheitlich für Macron bzw.  nicht für Le Pen stimmten. Nach sozialen Schichten wird das Bild noch eindeutiger: Arbeitende Menschen haben mehrheitlich für den Front National gestimmt, selbst unter Beamten hat er hohe Anteile. Und selbst bei den Arbeitslosen, früher typisches Links-Klientel, hat Le Pen den Sozialisten den Rang abgelaufen. Dazu kommt - nicht zu unterschätzen - der Sieg in mehreren Departements im Zentralmassiv, in traditionellen Bauernlandschaften also.

Versuch, durch Umfassendheit das Vereinzelte an seinen Platz zu stellen und damit den Sinn zu erkennen

Legt man Tangenten an so könnte man das grobe Bild zeichnen, daß sich Verlierer gegen Gewinner gestellt haben und stellen. Ähnlich also wie in den USA. Aber noch deutlicher könnte man sagen, daß jene Teile des Landes, die ihren Erwerb auf pure Geldproduktion und Nähe zur Regierung gestellt haben, wozu auch die Großindustrie selbst gehört, zur großen Familie der Systemerhalter, des Estagblishments gehören, die keine substantiellen Änderungen wünschen, warum auch - für sie läuft alles nach Wunsch.

Betrachtet man die Entwicklungen in Europa seit dem 17./18. Jhd. läßt sich dies eindeutig feststellen. Mit der endgültigen Umstellung der Volkswirtschaften auf  "Maschinen des Geldmachens", die durch die Schaffung von Nationalbanken ihren entscheidenden Faktor erhielt. Denn fortan waren Regierungen in der Lage, durch bloße Buchungsvorgänge Schulden zu machen. Das fußt aber auch auf einem allgemeinen Verlust der Vertrauenswürdigkeit der Zahlung mit Münzen aus Edelmetall. Bislang hatten sich Regierungen nämlich auf zwei Arten entschuldet, "Geld" gemacht: Da waren einmal natürlich die Steuern, aber die reichten schon lange nicht mehr. 

Und da war die sogenannte "Münschneiderei", das heißt, man kappte von den bestehenden Edelmetallmünzen Teile ab, ohne aber dabei den nominellen Wert zu verringern. Oder man senkte den Anteil an Gold und Silber in den Legierungen. Das aber führte regelmäßig zu Inflation und Vertrauensverlust in die Währungen, und schadete den Volkswirtschaften vor allem in den Außenbeziehungen, im Außenhandel. Das hat man durch die - übrigens vom Physiker Newton vorgeschlagene - Währungsreform Ende des 17. Jhds. unterbunden. Aber wie sollte England nun seine Kriege weiterführen, insbesonders sein Ringen mit dem prosperierenden Frankreich, das sich überallhin nach Macht und Einfluß ausstreckte, ja um die Weltherrschaft?

Erstmals in den Niederlanden (die mit dem "neuen" Buchgeld ihren Welthandel aufbliesen, daß es nur so krachte) und perfektioniert in London, und ausgehend von einem Angebot weniger reicher Adeliger, der englischen Regierung Geld zu leihen (gegen Erteilung von immer mehr Privilegien und Monopolen), damit diese ihre Kriege problemlos finanzieren konnte, auf welchen Möglichkeiten dann endgültig das Empire aufschoß, etablierte sich der Umstand, daß Regieren praktisch immer identisch war mit Schulden. 

Die Anfänge der Spaltung sind historisch nachvollziehbar

Und zwar mit Dauerschulden. Die Verschuldung Englands stieg innerhalb weniger Jahrzehnte ins Gigantische, und die Steuereinnahmen deckten kaum ein Viertel des daraus erwachsenden Zinsendienstes. Was die Privilegien der Geldgeber, aber auch die Steuerlasten weiter anwachsen ließ. Kurz gesagt: Das vor der protestantischen Reformation unter Heinrich VIII. prosperierende Land, in dem es jedem gut ging, wurde zu einem gespaltenen Land. Fortan standen sich eine überwältigende Mehrheit von Steuerzahlern und eine kleine Minderheit von Steuerfressern gegenüber, die den Staat und seine Gesetzesmacht auf ihrer Seite hatten. Und nach und nach auch die Realwirtschaft, die Großbetriebe einkassierten, weil sie die großen Ausgaben des Staates, den immer höheren Anteil von Staatsbedarf an der Güterproduktion durch ihre eigenen Fabriken deckten.

Das Rezept wirkte, in mehrfacher Hinsicht. Immer mehr wurde Volkswirtschaft, Politik und Krieg zu einer Angelegenheit zweier Mächte: Reicher Geldgeber, die sich zu Bankengründungen zusammenschlossen, und Regierungen, die diese Kreditgeber benötigten, und ihnen dafür den absoluten Schutz der Staatsmacht sowie natürlich großen Einfluß auf die Politik zusicherten.

Mehr und mehr standen sich also die Allianz von Staatsmacht & Großkapital auf der einen Seite, und das einzige, was aber realen Wert zu schaffen vermag - menschliche Arbeit - anderseits gegenüber. Die Idee des Gemeinwohls schwand zugunsten mechanistischer Wirtschaftstheorien, die im Markt einen gewissermaßen naturgesetzlichen Mechanismus sahen, der sich selbst regelte und von dem sich der Staat fernzuhalten hatte. In Wahrheit waren diese liberalen Wirtschaftstheorien lediglich Theorien, die dem vermögenden, mächtigen, regierungsnahen Teil des Landes jede Schranke aus dem Weg räumte, die den Sinn menschlichen Wirtschaftens in Gemeinwohl sehen wollte, zugunsten einer bloßen Geldproduktion, der magischen Vermehrung von Geld nur aus sich selbst heraus.

Daraus entstanden als Gegenbewegung die sozialistischen Ideen und Bewegungen, als Antithese zum Kapitalismus und entsprechend absolut überzogen. Denn die Idee des Gemeinwohls, der aus der katholischen Soziallehre im 19. Jhds. erstmals theoretische Fundamente erhielt, konnte sich nicht nachhaltig genug bzw. nur in manchen Ländern halbwegs wenigstens durchsetzen. Erst nach dem 2. Weltkrieg kam es in vielen Ländern, vor allem Deutschland, zu Entwicklungen der sogenannten "sozialen Marktwirtschaft", die diesen eigenen Weg versuchten. Und mit Erfolg versuchten. Darin ging es nur um eine staatliche Oberwacht, die im Sinne des Gemeinwohls dafür Sorge tragen sollte, daß der Egoismus der Stärkeren nicht zu absoluter Herrschaft kommen kann, und im Sinne der Subsidiarität, also die Freiheit achtend wie aber auch fordernd, Notsituationen aus Nächstenliebe zu überwinden beiträgt. Das Wirtschaftswunder unter Kanzler Ludwig Erhart, das ein ganzes Land mit Wohlstand segnete, war ein Beispiel dafür. 

Das sich aber unter sozialdemokratischen Kanzlern mit der Zeit wieder zu genau jenem Staatssozialismus, zu jenem "Sozialstaat" umbaute, wie wir ihn heute haben, der um seinen hohen Anteil an den Einkommen einer Volkswirtschaft zu finanzieren genau jene Allianz wiederherstellte, die schon beschrieben war. Und nun aber das Volk immer direkter kontrollieren und bis ins Alltäglichste hinein lenken konnte. Aus Freien wurden und werden also Abhängige, aus frei Wirtschaftenden, Arbeitenden wurden Konsumenten, bloße Faktoren in der Maschine der Geldproduktion.

Nur waren es diesmal eben nicht Könige und Fürsten, sondern sozialistische Funktionäre, die das enge, ja lebensnotwendige Bündnis mit dem Großkapital suchte. Beiden nützt, ja beiden ist lebensnotwendig, was da im 18. Jhd. als Möglichkeit Wirklichkeit wurde: Ab nun war mit einem einzigen Federstrich die Geldmenge vermehrbar. Es mußte nur gesichert sein, daß es möglichst niemand merkte. Sonst würde Inflation einsetzen, als Anpassung von Kaufkraft und Wert, die Geldmenge müßte also neuerlich erhöht werden, bliebe das staatliche Ausgaben- und Schuldenniveau gleich.


Morgen Teil 2) Weß Brot ich eß, deß Lied ich sing 






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