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Montag, 28. August 2017

Das Falsche durch Falsches ersetzt (1)

In eine Sonderausgabe, die die erste einer Reihe sein soll, setzt sich Compact mit der "Deutschen Geschichte" auseinander. Dieses an sich immer gut zu heißende Unterfangen wurde diesmal von Jan von Flocken redigiert, der auch im Interview unten zu hören ist. Doch sind einige schwerwiegende Einwände anzubringen, deren einige hier ausgeführt werden sollen. In dieser Gestalt nämlich ist dieser Versuch von Compact, das sich mit dem Leitspruch "Mut zur Wahrheit" ziert, nichts als ein Versuch, verschiedensten anderen Unwahrheiten und Mißverständnissen über die deutsche Geschichte einen nicht weniger falschen Gegenentwurf entgegenzusetzen.

Dessen Absicht aus dem hier schon häufig vorgebrachten Gründen (die sich gegen den erst mit dem "2. Reich" ab 1871 bestehenden universalistischen Entwurf einer Gründung eines "Deutschland") recht offensichtlich wird: Es muß eine Lücke gefüllt werden. Denn eine deutsche Identität und in vielerlei Hinsicht eine deutsche Geschichte läßt sich erst und nur auf der Grundlage der deutschen Völker (Plural!) finden. Will man sie eben nicht - ERfinden.

Deshalb ist es historisch einfach falsch, wenn von Flocken davonspricht, daß es eine durchgängige Kontinuität eines deutschen Reiches überhaupt gab. (Flocken setzt sie mit Heinrich I. 919 an, aber darüber soll nicht gestritten werden.)  Nur - Heinrich I. war nie deutscher Kaiser, sondern es gab immer nur einen deutschen KÖNIG, als ersten der deutschen Fürsten sozusagen, die jeweils ihren Völkern vorstanden. Die Reichsidee selbst ist tief metaphysisch-religiös begründet, so tief, daß sie kaum explizit wurde (denn das Natürlichste, das Nächste sieht man nicht; es erschleißt sich nur dem Geist), und steht deshalb in Kontinuität mit dem römischen Kaisertum. Und da kann es nur einen Kaiser geben, der in der Stellung dem Papst gleichkommt, mit dem er ein Zweigespann der Weltordnungsmacht bildet.

Die Idee eines deutschen Kaiserreichs gab es nicht. Warum auch. Es bestand nie Bedarf danach. Nicht vor dem 19. Jahrhundert. Ein König, als "Primus inter Pares", reichte, um Streitigkeiten zwischen Fürsten zu regeln, und darauf wollten die deutschen Fürsten auch immer die Königsmacht beschränkt wissen. Er war die Folge der Aufteilung des Reiches Karls des Großen unter seine drei Söhne. (Hierauf baute auch die Vitalität der metaphysischen Dimension der Gotterwählung der Franken bzw. Salier als berufenes Herrschergeschlecht auf, und niemand hatte eine Chance auf Königswahl, auf Akzeptanz unter den anderen deutschen Fürsten und Königen, der sich nicht irgendwo davon herleiten konnte.)

Nur so weit reichte also die Legitimation eines Königs, der eine eigene Wahl zu bestehen hatte - Kaiserkrönung und Königskrönung waren zwei verschiedene Akte. Als Staatsoberhaupt wurde nur ein Landeskönig aufgefaßt. Die Macht eines deutschen Königs (der ja bereits König sein mußte; niemand wurde "als" deutscher König gekrönt) beschränkte sich auf persönliche Reputation und buchstäblich die paar Quadratmeter, die seinen Richterstuhl umgaben. Wollte er mehr, gar eine eigene Innenpolitik, stieß er sofort auf den Widerspruch der deutschen Fürsten und ihrer Völker. Die Kaiserwürde selbst war theoretisch ein völlig eigenes Paar Schuh und hatte nichts mit einem "deutschen Staat" zu tun.

Deshalb war ein zentraler deutscher Staatsgedanke zwar ein Lieblingsgedanke deutscher Könige und Kaiser, denn sie dachten viel darüber nach wie ihre reale Macht als Kaiser stabiler und größer werden konnte, aber Haßobjekt aller Fürsten und Könige, die dem Kaiser (kraft göttlicher Ordnung und Autorität, anders war ein Kaiser sowieso nicht zu ertragen, nicht legitim) unterstellt waren. Den Weg dazu ebnete erst die allmählich gewirkte Entmachtung der Fürsten, die in Deutschland erst spät geschah, ja durch Napoleon erst ganz real erfahren wurde. Noch dazu hatte Friedrich II. (der Staufer), um seine Italienpolitik zu retten den deutschen Fürsten und Königen enorme Privilegien zugestanden, um sich ihre Unterstützung gegen die vielen Stadtstaaten in Italien zu sichern (und insofern auch gegen den Papst).

Friedrich hatte zwar einen Zentralstaat in Italien eingerichtet (und sich dabei die Feindschaft des Papstes samt Aufwertung der Rolle der Franzosen als päpstliche Schutzmacht zugezogen), aber dieselbe Idee für Deutschland nie verfolgt, dort war es auch zu mühsam. Zu fest, zu eigen waren die Völker und ihre Identitäten. Friedrich II. (der Staufer) hat also Deutschland nie als Staat sondern als Ensemble zahlreicher Staaten aufgefaßt. Und sein Kaiserreich war kein "deutsches Reich", sondern das römische, universale, die Erde umspannende.

Morgen Teil 2) Illegitime Farce einer Staatsgründung






*090817*