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Samstag, 16. September 2017

Was lineares Denken anrichtet (2)

Teil 2) Fortführung der Gedankensplitter




Genau so, wie die gigantische Menge von Windrädern in den Ebenen, die Wien von Osten her vorgelagert sind - das halbe nördliche Burgenland/westliche Niederösterreich ist mittlerweile flächendeckend mit Windrädern bestückt - einen Einfluß auf das Kleinklima der Stadt haben muß. Dazu kommen aberwitzig großdimensionierte Bebauungsvorhaben, die ganze Stadtviertel neu entstehen ließ, nicht nur im Osten und Norden, also am "anderen Donauufer", sondern auch im Süden, wo am Wienerberg, exakt an der topographischen Stadtgrenze (man sieht das ganz deutlich, wenn man sich der Stadt auf der Autobahn von Süden her nähert), in den letzten Jahren eine immer weiter ausgebaute Hochhaussiedlung entstanden ist. Die, wie die Einwohner dort beklagen, denn die Zwischenräume zwischen den Türmen agieren wie Winddüsen, teilweise entstehen lebensgefährliche Windgeschwindigkeiten, als düsenartiger Windfang wirkt. Man nimmt aber damit der Stadt die Luftschneise von Süden her. 

Ähnliche Erscheinungen werden vom Nordosten Wiens, vom Donauufer gemeldet, der sogenannten "Donauplatte", am Gebiet rund um die "UNO-City" (die heute, wiewohl nicht klein, wie Minimundus gegen die Umgebung wirkt), wo sich seit Jahren ein Wettbewerb der Architektur abspielt, wer endlich das größte und häßlichste Hochhaus Wiens baut, und hilflose Stadtplaner riesige Areale (wie das des früheren Flughafens Wien Aspern) mit Satellitenstädten vollpflastern und mit absurden soziologischen Konzepten der "Durchmischung" zukünftige Slums einrichten weil jede Einwurzelung, die sich immer um ethnische, religiös-kulturelle Punkte kristallisiert, verhindern. Deren Bewohner in starkem Spannungsverhältnis zur angestammten Bevölkerung stehen, die diese Gebiete bisher - aber in ganz anderer Charakteristik: aufgelockerter Siedlungsbau - bewohnten. 

Aber die Probleme summieren sich: Die Erhöhung der Fließgeschwindigkeit der Donau (durch die an sich kluge Hochwasserlösung einer zweiten Donaurinne, die im Extremfall die Durchflußkapazität der Donau verdoppelt) hat eine kaum zu stoppende Vertiefung der Flußrinne bewirkt. Dazu kommt, daß dieser ganze, seit Jahren stark wachsende Nord-Osten Wiens sich von Grundwasser speist (der diesseitige Teil Wiens lebt ja von bestem Hochgebirgswasser, das über drei Leitungen von den Alpen her zugeführt wird). Schon jetzt wird im angrenzenden Ackerbauland, dem Marchfeld, einer der "Kornkammern" Österreichs, ein ständiges Absinken des Grundwasserspiegels und ein immer trockeneres Klima vermerkt. 

Ähnlich wirken sich die in den letzten Jahrzehnten errichteten Fließkraftwerke etwas außerhalb Wiens aus, in Österreich und im angrenzenden Slowakei/Ungarn. Auch sie bringen eine Vertiefung der Donaurinne. Die südlich des Kraftwerks Gabcikowo/Nagymoros liegenden alten Sumpfgebiete, die aufgrund ihrer reichen Flora und Fauna (sogar mit Sumpfbüffelherden) eine Art Nationalheiligtum der Ungarn sind. Die seit Jahren mit den Slowaken streiten, weil der fallende Wasserspiegel ein Austrocknen dieser Sümpfe nach sich zieht, die zugeführten Wässer nicht mehr ausreichen, weil man "sparen" muß, um das Kraftwerk noch wirtschaftlich zu betreiben. 

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Der heutige Wissenschaftsbegriff ist als Rationalismus nur in der Lage, die Welt linear-rational aufzulösen. Diese Herangehensweise aber erfaßt nicht die Dinge in ihrer Wesenheit, ihrer Ganzheit, sondern ist wie das Einrichten von gradlinigen Sondierstollen in eine hochkomplexe, systemisch als Ganzes reagierende und inanander unendlich tief verschachtelte Welt. Es entsteht ein verkehrtes Weltbild, das die Welt als lineares Ursache-Wirkungsverhältnis sieht. Das aber für die Beschreibung der Welt nicht ausreicht. Weil wir aber in diesem Technizismus zu wirken gewöhnt wurden, lösen wir immer häufiger Gesamtstörungen aus, die zu ursprünglichen Absichten gegenläufigen Entwicklungen (in kleinem, unserem Wirken anschließenden Raum, der immer ein Raum der Beziehungen ist) führen. Wir richten also immer regelmäßiger mehr Schaden an, als wir Nutzen ziehen. Und setzen damit ein Perpetuum mobile in Gang, in dem wir ein Problem lösen, aber in linearer Aufgliederung fünf neue schaffen.  

Das große Ganze zu sehen ist aber einer rationalistisch-mathematisch aufgefaßten Naturwissenschaft schon methodenbedingt nicht möglich. Es ist eine Aufgabe der Metaphysik, ja der Poesie, die jene Gesamtbilder liefern kann, die die Angemessenheit vereinzelten Handelns bestimmen und aussagen kann. Der umgekehrte Weg - das Ganze aus linear-mathematischer Rationalität auflösen zu wollen - ist schon prinzipiell (Gödel) nicht möglich, denn auch dieser Rationalismus ruht auf einer transzendenten Wirklichkeit auf. Anderes zu glauben ist vielleicht rational-begrenzt ausdenkbar, denn das Denken kann sehr rasch zu einem fidelen Glasperlenspiel werden, das in sich logisch bleibt, aber auf technische Welt beschränkt mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun hat, aber nicht vernünftig. Nur der religiöse (ja sogar: nur der katholsche) Mensch kann auch wirklichkeitsgerecht denken.

Das wirkt sich besonders dort tragisch aus, wo wir große Systeme - wie "Weltklima" - mit unseren linearen Denkweisen aufzulösen versuchen. Es ist also das derzeit schlimmste Beispiel dafür, wie wir allmählich überhaupt mehr Schaden anrichten als wir Lösungen erarbeiten, weil wir unser technisches Wirken nicht mehr als das sehen, was es ist: Ein Kratzen an der Oberfläche der Welt, mit dem wir äußerst vorsichtig und sowohl räumlich wie zeitlich beschränkt umgehen sollten. Damit diese hochkomplexe Welt, deren Schicksal niemals in unserer Hand liegt, sondern das eingebettet in ein gigantisches System kosmischen Ausmaßes ist, das sich unserem Zugriff immer entzieht. Je größer aber der Maßstab ist, in dem wir auf unsere beschränkte lineare Weise eingreifen, umso größer sind die Schäden, die wir anrichten, weil wir sehr rasch mit komplexen Systemen zu tun haben, die unserem Denken nicht angemessen und deshalb schon prinzipiell niemals steuerbar sind. Ohne aber je das Ganze auch nur annähernd zu erreichen! Schon zu glauben, daß wir also ein "Weltklima" beeinflussen und gar steuern können ist grenzenloser Wahn der Selbstüberschätzung.






*190817*