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Mittwoch, 11. Oktober 2017

Keine historische Wahrheit ohne absolute Wahrheit

Es wäre gegen den Einwand des Wiener Weihbischofs Turnovsky gar nicht viel einzuwenden, ja er wäre an sich zu begrüßen, er ist richtig: Nicht der angstvolle Rückgriff bringt der Kirche neue Kraft, sondern die Offenheit für die Gnade, die immer ein Schritt in die Insecuritas ist. Immer! Ja, das stimmt. Und es stimmt auch zu sagen, daß wenn konservative Rezepte unter der Angst der Nostalgie angewendet werden, sie scheitern müssen, weil falsch sind. ja, das stimmt. Die Gnade Gottes, die Kirche, hat immer ein historisches und insofern in gewisser Weise ein "relatives" Gesicht, das stimmt.

ABER Turnovsky übersieht, wie so viele, daß dieser Schritt niemals das Maß der Vermessenheit annehmen darf, wonach er ein Wunder Gottes voraussetzt, um "vernünftig" zu werden. Es kann NIEMALS einen Schritt zur Öffnung zur Gnade hin bedeuten, wenn VORHER alle Rationalität, wenn aktuell jede Vernunft über Bord geworfen wird, um dann zu hoffen, daß Gott es schon richten wird. Turnovsky übersieht, daß jede Zeit, damit jede Geschichte verantwortungsvoll nur auf den Schultern der Vorfahren stehen kann, weil muß, und aus diesen heraus erst - in den Gewißheiten, auf diese Gewißheiten bezogen, das heißt: auf unveränderliche Wahrheit bezogen - weiterschreiten kann. Verantwortbar ist nur, was auch in der Vernunft abbildbar ist. 

Einfach niederzureißen und zu hoffen, daß schon etwas Neues entstehen werde, das auch wahr ist, das dem Willen Gottes entspricht, ist schlicht und ergreifend Vermessenheit. Das Spekulieren mit der Gnade, dem Wunder Gottes. Und das ist eine Todsünde, Herr Bischof. Wer glaubt, es könne sich "aus dem Nichts" (ex nihilo) eine "neue, historisch adäquate Wahrheit" bilden, der irrt gewaltig. Ohne Wahrheit - und die kann sich ihrer inneren Struktur nach niemals ändern! - kann es keine "neue Wahrheit" als historisches Kleid der Wahrheit selbst geben.

In so einer Zeit, die alles in Frage stellt, weil sie "hofft" (nein, spekuliert!), daß Gott schon eingreifen wird, sodaß man sich menschliches Handeln, menschliche Verantwortung ersparen könnte, also: das Kreuz!, kann sogar der Rückgriff auf "nostalgische Rezepte" ... richtig sein. Richtiger, aus Vorsicht und Respekt vor der absoluten, unveränderlichen Wahrheit, als blind irgendetwas zu machen, von dem man nicht abschätzen kann, wo es hinführt.

Und das muß man längst von der Kirche annehmen. Irrsinn, Unbildung, Verrücktheit, Niedrigkeit, Bösartigkeit, Lasterhaftigkeit ... das freizulassen, um dann noch auf Gottes Gnade zu hoffen, das kann niemals der Weg sein, den Gott von uns verlangt oder wünscht. Über den er seine Gnade einströmen läßt. Und was sich heute in der Kirche abspielt ist oft in einem Ausmaß unvernünftig und sogar dumm, ja böse, daß man sich nur angewidert abwenden müßte. Mit Fommistigkeiten ist dem nicht beizukommen, wir haben vor Gott Verantwortung, und dazu läßt er uns an seinem Verstand, an der Wahrheit teilhaben. Auch und gerade als Bischof, als Gläubiger, als Denkender, als Menschen die die Wahrheit suchen, denn sie müssen den Menschen diese Wahrheit weitergeben. Nicht selbst deren Ungewißheit - die nur SIE beseitigen können! - teilen. 

Mit Unsinn läßt sich kein Sinn erreichen! Sich hinzusetzen, Herr Bischof, und zuzusehen, wie Unsinn sich in der Kirche - gerade in der Diözese Wien!!! - breitmacht, ist schlicht eine Schweinerei, nicht das Hoffen auf die Wunderwirklichkeit Gottes, er werde schon was aus diesem Unsinn machen. Verantwortungslosigkeit ist noch das Mildeste, was man aber derzeit den Bischöfen - und gerade in Wien - vorwerfen muß, sieht man von Dummheit ab.

Also lieber das Bewährte, das Bekannte festzuhalten, weil man das Neue nicht kennt, das man "riskieren" soll, wie sogar Sie es sagen, ist eine brutale, menschenverachtende Zumutung. Es hat oft seine Berechtigung, zumindest muß man es verstehen, und sei es als geringeres Übel. Oder sind Sie, werter Weihbischof, auch bei modernistischen Umtrieben aktiv und wortgewaltig aufgetreten? Oder glauben sie gar, daß sich mit Pflichtverletzungen sonder Zahl, aber dafür Einberufungen von Rosenkranzkränzchen, das alles schon wieder richten wird? 

SIE sind berufen, es zu richten! Jedenfalls mehr als der VdZ, mehr als die Millionen von Gläubigen, die der Diözese Wien zubehören. Auf was, vor allem aber: Auf WEN hoffen sie, Exzellenz? Auf ein Wunder? Ist das das Konzept der Kirche, der Wahrheit? Tun wir lieber nichts, warten wir lieber auf ein Wunder Gottes?* SIE, Exz. Turnovsky, sind das UNS von Gott geschickte Material des Wunders, und wir warten, daß es sich zeigt.

Gott ist kein Spekulant. Gott ist die Vorsehung, das Wissen, die Wahrheit selbst. Er würfelt tatsächlich nicht. Und unsere menschliche Vernunft ist, so sie überhaupt Vernunft ist, ein Abbild seiner Vernunft, sonst ist sie gar keine Vernunft. Also müssen wir uns an sie halten. Aber der Mensch ist zur Vernunft angehalten, ja verpflichtet, so kurz sie auch reichen möge.




*Das erinnert an den alten jüdischen Witz: Rabbi Izzak Schmuel fleht jede Woche zu Gott, er möge ihn einen Lottosechser gewinnen lassen. Was er damit alles machen könne, malt er ihm aus. Bis eines Tages Gott tatsächlich antwortet: "Kauf Dir endlich ein Los!"



*021017*