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Montag, 2. Oktober 2017

Wenn Universitäten der Wahrheit absagen (2)

Teil 2) Das muß natürlich so sein. Heute.
Denn die Wahrheit ist dem Heute feind.




Was an der Universität von Sidney nun programmatisch wird (und sie ist in diesem Ansatz beileibe nicht alleine, auch Universitäten in den USA, England und Deutschland sind bereits Schritte in dieselbe Richtung gegangen, unabhängig davon, daß dieses Denken einer "Nicht-Wahrheit" bereits so weitgehend in die Köpfe der heutigen Menschen eingezogen ist, es war also nur eine Frage der Zeit, bis es sich in diese Institutionshöhen aufschwang) hat eine zwingende Folge: Die Wahrheit selbst wird zum Feind erklärt. Es genügt nicht, eine neue - relativistische, nur dem Zeitgeschmack unterworfene, damit aller Logik und Inhalte entleerte "Wahrheit" zu konstituieren, wie immer man sich das vorstellen mag -  sondern die Wahrheit wird zum Feind. Und dazu muß man alle Überlieferung aus den Köpfen der Menschen ausmerzen. Dazu werden die Studenten analysiert, um alle Reste von Wahrheitsdenken in den Köpfer auszulöschen, denn Wahrheit wird zum "bullshit", dessen es sich zu entledigen gilt.

Professor Nick Enfield and his team are fighting the war against deception through the Post Truth Initiative. By bringing together political scientists, academics and researchers to examine legitimacy and fraud, they run public forums on the problems created by scientific fraud and explore why people are convinced by stories, but not by facts.
They're also building a "Bullshit Detector" -- a computer capable of analysing speeches, articles and even tweets to tell if someone is being deceptive.

So soll jeder Student (bzw. jeder Mensch) aus seinem Überlieferungsrahmen herausgelöst werden, der zum Unterdrückungsmechanismus erklärt wird. Das richtet sich direkt gegen die menschliche Konstitution, ein neues Menschenbild liegt dem zugrunde, in dem sich der Mensch die Wahrheit selber geben soll (und muß). Damit muß er sich einer Gehirnwäsche unterziehen, ähnlich wie es kommunistische Systeme (man denke speziell an die Chinesische Kulturrevolution, die dies unter Millionen Opfern vorzunehmen versuchte) um sich zu "deprogrammieren". Das also, was er von seinen Eltern, dem gesamten Fundus seiner Kultur übernommen hat, auslöschen. 

Aber das genügt nicht: Es muß verhindert werden, daß diese "Reste eines überholten Wahrheitsbegriffs" sich wieder melden, wieder in die Köpfe der Menschen eindringen kann. Dazu braucht es ein möglichst perfektes Netz an emotionaler Einbettung. Diese Deprogrammierung wird deshalb von zwei Seiten her angegangen: Zum einen wird alles Übernommene verleumdet und emotional auf die Seite des Bösen, Schlechten und Unwahren verschoben, und zum anderen wird die Annahme der neuen Wahrheitsdefinition (deren Merkmal die absolute Undefinierbarkeit ist) in ein dichtes Netz der Belohnung eingeflochten. Wer bereit ist, den Wahrheitsbegriff zu stornieren, der wird durch Anerkennung, "Liebe", Geltung und sozialem Aufstieg, vor allem aber mit dem Etikett "Gutheit" belohnt.

Intellektuell wird dies (als Wortgeflecht, das nicht mehr durch Logik, sondern einfach durch Behauptung geknüpft ist) durch eine Reihe von völlig leeren Begriffen verankert, mit Zielen, die es angeblich zu erreichen gilt und die in eine Wolke eingehüllt, aus der sie sich dem Menschen zuneigen, vor allem eines verheißen: Man wird (endlich) Mensch, die Welt wird endlich besser, weil man alles zu verstehen beginnt. In den "The Sydney Undergraduate Experience" finden sich diese Versprechungen:
 - gain a deep understanding of your chosen disciplines of study and learn from those who are leaders in their fields
- set yourself up to go anywhere in the world by gaining the skills and understanding to work effectively across cultural boundaries
- study across or work with other disciplines to build your skills and tackle some of the most complex challenges of our time
- bridge the gap between theory and application by working on real-world industry, community, research and entrepreneurship projects.

In diesen paar Zeilen ist das Programm des neuen guten Menschen definiert, sie bilden auch das Fundament der political correctness. Die auf jede Wahrheit und Logik verzichtet, sondern ihr die Gutheit vorschiebt, die zukünftig bestimmen soll, was und wie "zu denken" ist. Diese neuen "Werte" sind selbst jeder Logik enthoben, sie beziehen ihre Richtigkeit (ALS neue Logik) einem rein zeitbedingten Wertegefühl, das sich selbst beweist: Was gut ist muß auch richtig sein, und richtig ist, was gut ist. Alles andere Denken und Logik wird eliminiert, Werte haben  mit Logik nichts mehr zu tun. Was zu tun ist ergibt sich nicht mehr aus der Wahrheit und der Wahrheit über eine Sache, sondern aus einem nebulosen Werteempfinden.

Damit gibt der Mensch auch die Freiheit auf. Sie wird unwichtig, bestenfalls zum Rahmen der Willkür umdefiniert, vor allem aber zu einem Tun, das jeder Vernunftschranke entledigt ist. Wer aber ohne Wahrheit zu denken, zu leben versucht, wird keineswegs von einer absoluten Wahrheit befreit. Denn auch diese neuen Behauptungen sind ja absolut. Es wechselt also nur die Quelle der Offenbarung. Die im besonderen die Eltern und die überkommene Kultur war. Weil aber ohne Verankerung in einer absoluten Wahrheit kein Mensch auch nur einen Tag zu leben und zu denken vermag, es also letzte Gewißheiten braucht, wird damit die Menschheit der Willkür neuer Offenbarungsquellen ausgeliefert.

Diese sind dann nicht mehr wahr im vollen Sinn, wären also von jedem Menschen auch selbst nachvollziehbar - und das sind sie kraft der Logik, kraft der Widerspruchsfreiheit, die jedem Menschen vollen Zugang zur Wahrheit gibt (so wenig sie ausschöpfbar ist, es ist also immer nur eine Annäherung) -  sondern genau so relativ, wie es subjektive Gefühle sind. Und diese sind spielend leicht manipulierbar. Ja mehr als das. Wer sein "Denken", das zu einem bloßen "Rechthaben" wird, in seinen Befindlichkeiten verankert, wird sehr rasch von seinen Leidenschaften beherrscht. Er wird zum Sklaven seiner selbst, wird zum Spielball der Anregungen, die ihm begegnen. Er fällt auf sich zurück, stellt sich gewissermaßen aus dem die Welt eigentlich treibenden Netz der Wahrheit, Logik, Widerspruchsfreiheit heraus, und reduziert sich mehr und mehr auf sich und seine Gefühlswelt. 

Solche Menschen sind ideal beherrschbar. Denn sie kümmern sich immer weniger um die wahren Sachverhalte der Welt - und diese sind es, über die sich Sein offenbart, "gibt", wie Heidegger es einmal formuliert, das Seiende ist also immer ein Gegebenes des Seins, im Sachverhalt - sondern nur noch um subjektive, zufällig und flüchtig aufsteigende Gefühle. Damit erreicht man, was man auch heute beobachten kann: Die Menschen kümmern sich immer weniger um die wirklichen Grundzüge der Politik, des Lebens, der Welt, sondern um Dinge, die in der medialen Landschaft aufgekocht werden. Plötzlich erklärt dann eine Partei, daß die "Ehe für alle" das wichtigste politische Ziel sei, daß es um sexuelle Befreiung gehe (was nichts anderes heißt als der sexuellen Lust des Augenblicks jede Schranke der Vernunft zu entziehen), daß es um alle möglichen Klimaziele gehe, die für sich in keiner Logik, keiner Vernunft mehr verankert sind, sondern lediglich an das emotional verankerten Ziel der "Weltrettung" (und was könnte wichtiger sein?) angelehnt werden. Was auch immer und immer emotional daherkommt, wird zum neuen Paradigma. Die allesamt die Wirkung haben, daß die Menschen vom Ort ihres Lebensvollzugs, der ihn umgibt wie den Fisch das Wasser, abgezogen werden. Sich mit Dingen beschäftigen, die für ihr Leben keinerlei Relevanz mehr haben.

Dieses Feld eigentlicher Lebensrelevanz wird somit aus der Hand gegeben. Um nach gewisser Zeit eine frappierende Entdeckung zu machen:  Daß das eigene Leben nicht mehr gelingt, nichts von dem was man noch als Ziel einmal erkannt haben könnte, erreichbar wird. Vielmehr liegen alle Gründe und Mechanismen des Erreichbaren, des zu Erreichenden außerhalb - bei anderen, bei großen Weltvorgängen, vor allem aber: im Denken "anderer", die durch ihr antiquiertes, falsches Denken als Denken entlang einer Wahrheit den Fortschritt be- und verhindern. Das eigene Scheitern, das Vorbeigehen an der Lebensgeglücktheit, wird zum Opferfall, zum Delikt anderer. Und je mehr das Scheitern sich offenbart, desto vehementer wird die Schuld auf bestimmte Menschen und Anschauungen gerichtet. Dies hat natürlicherweise keine Grenzen. Deshalb führt diese Haltung völlig selbstverständlich in einen Totalitarismus, in dem keine Vernunft mehr zählt, sondern nur noch Emotion, die vom Schmerz des eigenen Scheiterns am eigenen Leben immer weiter befeuert wird als der Mensch bemerkt, zwangsläufig bemerkt, daß er in diesem Verzicht auf Wahrheit eine subjektive Schuld begeht - denn in seinem tiefsten Grund läßt sich kein Mensch letztendlich düpieren. 

Er weiß sich (ohne daß er es "weiß") und die gesamte Welt in die Wahrheit selbst eingebunden, ja von ihr getragen und sogar konstituiert. Wer nicht der Wahrheit gemäß handelt und denkt, wird in allem, was er tut, immer an den Sachverhalten scheitern. Um das zu verbergen, versucht er nun - und genau DAS geschieht heute, genau DAS sind die Hintergründe - die Wahrheit ihrer Relevanz zu berauben. Er erklärt, daß es sie nicht gibt. Was in ihm als "Gewissen" (gewiß ...) aufsteigt, ist nur noch Relikt alter Systeme der Suppression, der Unterdrückung, der Herrschaft. 

Daß er damit das Wesentliche aufgibt, das den Menschen überhaupt trägt, die Herrschaft über sich selbst, in der er erst frei sein kann (weil er seiner Vernunft gemäß, damit erst auch der Logik gemäß zu handeln vermag), wird ihm noch zusätzlich dadurch genommen, als ihm (ohne jede Verankerung in Logik, denn diese Erklärung der Aufklärung, von Rousseau prototypisch für heute, zum Menschenbild erklärt) der Mensch als automatisch zum Guten werdend erklärt wird. Wenn das nicht geschieht, muß es also Schuldige geben. Andere, die an ihm verbrochen haben. Und das ist - die Kultur. Denn der Mensch ist zutiefst und wesensgemäß Kulturwesen. Also wird die gesamte Menschheit gut, wenn man alle überkommene Kultur über Bord wirft. Und vor allem: die Wahrheit.

Es stehen sich also zwei Menschenbilder gegenüber, die unvereinbar sind. Das eine orientiert sich an der Wahrheit, die es geben MUSZ, selbst wenn man an ihr immer nur bruchstückhaft teilhaben kann, indem man den eigenen Intellekt am Sachverhalt ausrichtet, diesem gleichzuformen versucht - ein sittlicher Akt, der sich jeder Prüfung durch Verstand und Logik unterwirft, weil erst diese ihn zur Geglücktheit führen kann. Einer Geglücktheit, die aber aufgrund der Irrtums- und Fehleranfälligkeit des Menschen immer nur zum Teil möglich ist.

Der Grund dafür liegt in dem, was jeder Logik letztlich zugrundeliegt: in der Religion, dem eigentlichen Tragegrund der Welt, dem Nährboden jeder Logik im übrigen. (Was das Wesen des Katholischen ist. Die heutige Bereitschaft zur Unlogik hat also seine Wurzeln in einem Versagen oder Verdämmern der Kirche, ist Produkt eines Kirchenkampfes.)

Das andere bezieht seine Werte und Ausrichtungen am Leid der Welt, an der persönlichen Leiderfahrung. Es ist eine Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt, vorausetzt was sie zu beweisen behauptet, und darin einer Utopie nachjagt: Der Utopie einer heilen Welt, eines Paradieses, das seinen Maßstab in sich trägt: in subjektivem Glück und vor allem Wohlgefühl. Weil es darin aber zwangsläufig Leid hervorruft, und zwar zumindest das Leid der Verfehlung der Welt als Verfehlung ihrer Sachverhalte, die sich dem utopisch Gesollten nicht und nicht beugt, muß es immer noch radikaler alles ausrotten, was diesem Vollkommenheitszustand offensichtlich weil erlebbar entgegensteht. Und das ist zuallererst die Wahrheit, das ist zuallererst - die katholische Religion.

Was sich in Sidney zeigt ist also nichts Neues, alles das ist längst aus der Geschichte bekannt. Es ist aber ein Menetekel des neuen Totalitarismus, der sich ohne daß wir es recht gewahr werden erhebt. Und zwar weltweit. Es ist die Absage an die reale Verfaßtheit des Menschen, der sich selbst und die Wahrheit als tragendes Grundnetz und Quelle der Welt verdankt (Heidegger), Wahrheit also empfängt, und zwar vom ersten Moment seines Daseins an, im speziellen ab dem Moment, wo er beim Namen genannt wird, dem konstituiven Moment seines Menschseins als Vernunftwesen, das ein Dasein in Identität bedeutet. Und es ist das Menetekel eines totalen, weltumspannenden Kampfes gegen jenen Gott, der die Wahrheit selbst ist - Jesus Christus, dem Namen aller Namen.

Denn nur in einem Absoluten verankert läßt sich überhaupt erst das vollziehen, was wir als Denken bezeichnen. Ohne absolute Wahrheit ist keine Kommunikation möglich, wird Kommunikation zum zufälligen Produkt einer "Übereinkunst", die letztlich nur durch Zwang möglich ist und den Menschen damit seiner Freiheit beraubt, ihm den Selbststand nimmt, und ihn jeder beliebigen Macht, die dem Gesetz des Stärkeren folgend herrscht, unterwirft.

Wer meint, das durch rein subjektive Wahrheiten ersetzen zu können, als Konstrukt (wie mit Wittgenstein behauptet wird), wirft den Menschen ins Nichts der verzweifelten Ungewißheiten, und macht jedes Denken unmöglich. Denken wird so zum reinen, ungeordneten und ounordenbaren Wortsalat. Wer aber auf das Denken verzichtet, verzichtet auf das Menschsein, und will es durch einen Traumzustand ersetzen.






(Der 2. Teil wurde rekonstruiert bzw. neu am 2. 10. 2017 verfaßt, nachdem die alte Version entweder einem Bedienungsfehler zufolge "verschwand", oder ... nein, das wollen wir gar nicht fertigdenken.)
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