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Samstag, 9. Dezember 2017

Von Boden, Hochwasser und Österreich

In einer sehr unaufgeregten Arbeit hat 'addendum.org' das Problem des Platzverbrauchs in Österreich analysiert. Denn während in den Jahren 1985 bis 2017 die Bevölkerung um 16 Prozent zunahm, stieg im selben Zeitraum die verbaute (= versiegelte) Fläche um sage und schreibe 65 Prozent. Das bedeutet, daß der enorme Flächenverbrauch rein auf die Lebensweise zurückzuführen ist. 

Und auf dieses Fazit läßt sich auch der zu diesem Thema angefertigte Film eindicken. Er ist auf den Seiten von servus.tv abrufbar. Er kommt zwar weithin ohne das übliche Gerede von einer "Klimakatastrophe" aus, geht aber im großen Ganzen recht nüchtern den realen Faktoren nach. Aus denen sich auch ein völlig anderes Bild zur oft als Katastrophenboten angesehen Zunahme von schweren Überschwemmungen in unseren Ländern ergibt. 

Vorerst nämlich muß man anmerken, daß er das eigentliche Problem mit Raum, mit Lebensraum, mit Flächenverbrauch damit, nicht am Schopf zu fassen kriegt. Das nämlich weit mehr als pragmatischer Umgang mit Boden ist. Raum ist nämlich prinzipiell eine Frage von Beziehungen. Deshalb ist der Flächenverbrauch in Österreich niemals ohne die psychosozialen, ohne die kulturellen, ohne die gesellschaftlichen Veränderungen und Bestandsaufnahmen begreifbar. So wird er zum rein technischen Problem, und der Film behandelt ihn auch so. Auch in seinen (dezent bleibenden) Verbesserungsvorschlägen. Eine eigentliche, tiefgreifende, begreifen lassende Aufarbeitung des Themas bleibt addendum hier schuldig. Entsprechend reißt auch dieser Film nur einige oberflächlich erkennbare Problemfelder an. 

Und wird fast ekelhaft dünn, wenn er sich Spinnern widmet, die davon faseln, daß der Mensch nur so und so wenig Raum "brauche". Wer ist aber der Mensch? Was bedingt seinen Raumverbrauch? Läßt sich Menschsein wirklich auf ein paar "Lebensfunktionen" reduzieren, die statt einem prächtigen Haus auch mit einem dürftigen (aber technisch natürlich perfekt ausgestatteten) Wohnmobil von vielleicht mal 20 Quadratmetern auskommen ließen? Spinnen die Römer nun schon ganz? Leben ohne Gestalt? Leben ohne Raum? Leben KONSTITUIERT doch erst Raum! Kurz - an Schwachsinn kann es nicht fehlen, wenn man ein Problem nicht an den Wurzeln faßt. Aber lassen wir das.

Bleiben wir halt auf dieser Ebene, die der Film bietet. Um wenigstens als Ertrag zu konstatieren, mit dem Film zu konstatieren, daß die Überschwemmungen der letzten Jahre und Jahrzehnte mit Klimakatastrophe nichts zu tun haben. Und das nirgendwo. Sämtliche Überschwemmungen der letzten Jahre sind aus ganz anderen Ursachen erklärbar. Vielmehr hängen nämlich Flächenverbrauch durch Versiegelung, hängt generell die Art des Umgangs mit dem Boden auch mit dem Auftreten von Überschwemmungen von Siedlungsräumen zusammen. Auch natürlich mit der Veränderung von Kleinklimata, denn die Unterbindung des Austauschs von Boden und Luft hat entsprechende (austrocknende, auch erwärmende) Konsequenzen. 

Die Fehler werden dabei immer schon an den Oberläufen der Flüsse begangen. Wenn dort nämlich der Boden weniger Wasser ausnehmen kann, dieses auch bei Niederschlägen durch "Flußsanierungen" oder "Bachregulierungen" rasch abgeführt wird, wird das Problem des zusätzlichen Wassers nicht einfach nach unten verschoben, sondern dort noch erheblich verschärft. Auch die Vorwarnzeiten verkürzen sich dadurch erheblich, so daß man am Unterlauf von Flüssen oft zu wenig Zeit hat, sich vorzubereiten. Entsprechend hoch sind dort die Schäden. Zumal man über Jahrzehnte wenig darauf geachtet hat, solche Überschwemmungsgebiete durch Baulimitierungen zu berücksichtigen. Heute stehen dort Häuser, und oft dicht an dicht, wo seit je der Fluß über die Ufer trat, wenn er zu viel Wasser führte. Dennoch muß man den Filmemachern widersprechen, die diesbezüglich Kritik anbringen. Denn Bausachen sind in Österreich einerseits Länder-, anderseits aber maßgeblich Gemeindesache. Hier werde, so der Kommentar, zu oft "Freunderlwirtschaft", Gefälligkeitspolitik betrieben. 

Das mag sein, meint der VdZ, das ist sogar sicher so. Aber Versagen ist niemals ein (prinzipieller) Grund, diese Kompetenz - ja überhaupt eine Kompetenz - aus der Subsidiarität herauszunehmen und in die Verwaltung "oberer Ebenen" zu stellen. Es fehlt höchstens überall das Prinzip der Verantwortung. Das heißt, daß es an Mechanismen fehlt, Entscheidern auch die vollen Konsequenzen ihres Tuns zuzuordnen. Anders kann man nie von Verantwortung sprechen. Also müßte man sich anstatt Kompetenzen von unteren Ebenen wegzunehmen überlegen, wie man die Folgen aus falschem Handeln auch den Verursachern auf unterer Ebene zumißt. Das sei nicht leicht? Gewiß, aber was bitte ist in der Politik leicht? Leicht wird es nur, wenn es auch falsch ist und mehr Unheil anrichtet, als es beseitigt.

Die beiden letzten Jahrhunderthochwasser der Donau (2004 und 2013) in Österreich (vor allem in Niederösterreich, namentlich in der Wachau, in Deutschland in Niederbayern) sind genau auf solche Fehler und Versäumnisse zurückzuführen. Umso mehr, als es 2013 überhaupt keine ungewöhnlich erhöhten Niederschläge gab. Ihre Entstehung begann aber bereits in Baden-Württemberg. Denn überall wurde und wird dasselbe gemacht: Flüsse werden begradigt, ihre Fließgeschwindigkeit und Durchflußkapazität erhöht, zusätzlichem Wasser alle Verlaufräume genommen - das Ergebnis sind katastrophale Überschwemmungen an den Unterläufen der Flüsse. 

Der Film sei empfohlen. Er bietet einen recht brauchbaren Anriß zu diesem Thema. Das in weiterem Rahmen anzusprechen er freilich nicht leistet. Denn hier kämen wir sofort auf Zusammenhänge, die über reine Wasserproblematik weit hinausreichen. Die Autonomisierung des Menschen vielmehr muß als Hauptursache angesehen werden, auch und vor allem für den enormen Flächenverbrauch. Der auf sich geworfene, entwurzelte Mensch - und nach wie vor wird "Flexibilität" zynisch als "positive Eigenschaft" des heutigen Menschen gefordert - ohne soziale Bindungen und mit immer kleineren Haushaltsgrößen baut und wohnt nicht nur umgebungs-ignorant. Sondern er verbraucht enorme Ressourcen an zusätzlicher Infrastruktur. 

Wenn jemand nach den Ursachen für die Überschuldung von staatlichen oder regionalen politischen Institutionen fragt, müßte man dies als erste Ursache nennen. Denn wir können uns diese Lebensweise, die angeblich den Menschen so viel Wohlstand, Glück und Freiheit bringt, schlicht und ergreifend gar nicht leisten! Was als philosophisches, ideologisches Problem daherkommt, endet als unfinanzierbare Lebensweise. Ein Umstand, der aber durch unverschämte und bald alle Bereiche umfassende Umverteilung - als Form einer Begriffsverwischung - so verschleiert wird, daß auch die Ermittlung einer Kostenwahrheit kaum mehr möglich ist. Wohl gewollt, denn so ließen sich sehr konkrete Rückschlüsse ziehen, die auch ein Urteil über die Politik möglich machen würden.

Aber das ist freilich überhaupt ein sehr österreichisches Problem - die Verschleierung von Tatsachen. In manchem, will dem VdZ da scheinen, ist das in Deutschland besser, zumindest war es das einmal. Oder wird es dort nur sichtbarer? Jedenfalls wird in Deutschland das Problem verlassener Gebiete bereits lange diskutiert. Es hat nämlich eine weitere Folge im Rucksack, die sich in einem bereits stattfindenden Rückbau von Infrastruktur äußert, und es läßt sich kaum verbergen, wenn etwa in Leipzig ganze Stadtviertel abgerissen werden. 

Wenn man in Österreich aber von mittlerweile leerstehenden Liegenschaften im Ausmaß von 30.000 Hektar spricht, so muß man eigentlich von demselben Problem sprechen. Das sind immerhin 300 Quadratkilometer, was drei Viertel der Fläche von Wien, und bei einer Gesamt-Lebensraum-Fläche von 27.000 Quadratkilometern - der Rest ist unbewohnbares Gebirge, Wasserfläche und Wald - immerhin einem Prozent der gesamten bewohnbaren Fläche des Staatsgebietes entspricht.

Insgesamt hat Österreich einen signifikanten Rückgang der landwirtschaftlichen Fläche zu verzeichnen. Einerseits die Zunahme der Verbauung, anderseits die ebenfalls deutliche Zunahme von Wald (!) gehen alle auf Kosten der Ackergebiete. Diese aber sind wesentlich für die Aufnahmefähigkeit des Bodens für Wasser. Damit müssen sich auch Kleinklimaräume verändern. Nicht berücksichtigt ist, daß auch die Art der Bodenbearbeitung, noch mehr aber die angebaute Frucht dafür verantwortlich ist. Konkret wird im Film die Frage aufgeworfen, ob die herkömmliche (von umfangreicher Technik perfektionierte) Pflugtechnik nicht Folgen zeichnet, die bei dieser intensiven Feldnutzung insgesamt weit mehr Auswirkungen haben, als uns lieb sein kann. Auch die erst dadurch notwendige intensive Ausbringung von Düngemitteln (Stickstoff) mit den Folgen fürs Grundwasser sind hier zu nennen. Offenbar gibt es weit bodenschonendere Anbaumethoden, die noch dazu höheren Ertrag aufweisen. 

Nur verlangten sie einen Landwirt, der nicht mehr den Boden einfach als Gestell (also als reine Nutz-Funktion) begreift, das er blind und gierig auswringt wie einen alten Putzlappen. Und leider kann man die Bauern nur pauschal in Schutz nehmen. Im Einzelnen sind sie oft ohrenbehängte Krautwaschel mit kaum mehr Intelligenz wie die von ihnen geernteten Kartoffeln.

Im Film werden dazu Beispiele gezeigt, die frappant an die uralte Drei-Felder-Wirtschaft erinnern, die bis vor 200 Jahren noch überall hier üblich war. Geschieht das nicht, wird der Boden ausgelaugt und ohne Chemie kaum noch nutzbar. Von der Art des Saatgutes - Mais etwa laugt den Boden ums Mehrfache mehr aus als Weizen - noch gar nicht zu reden. Feldfrüchte, die noch dazu in erheblichem Ausmaß auch in Österreich der Produktion von Öl dienen, das auf ökologisch völlig sinnlose, ja kontraproduktive Weise in Motoren verbrannt wird.

Insgesamt freilich müßte eine Entscheidung auf höchster politischer Ebene fallen, ja sie wäre längst überfällig. Denn Österreich müßte sich entscheiden, ob es sich mit Lebensmitteln selbst versorgen will (weil das könnte es, kann es mittlerweile aber nicht mehr, der VdZ hat hier andere Informationen als die Macher des Films, die das noch behaupten), oder ob es das nicht will. Daraus müssen sich dann die raumplanerischen Prioritäten ergeben. Die Problematik zu verdrängen, wie das bisher (bis auf das Bundesland Salzburg, dort hat bereits ein Aufwachen stattgefunden) der Fall war, und - auch das typisch Österreich - zu warten bis etwas passiert, die einprasselnden Ereignisse jedes Entscheiden abnehmen, hilft hier sicher nicht.






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