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Sonntag, 26. August 2007

Der Zwang zum Wachstum

Nur einer der vielen Artikel im Netz, die versuchen, die wirtschaftlichen Zusammenhänge in ihrer Gefährlichkeit zu zeigen. Hier die Prognosen eines Hedgefonds-Gründers, der diese Automatik zumindest durchschauen müßte.

Worum geht es überhaupt? Beginnend vor allem in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden wirtschaftliche Rezessionen oder gar Depressionen (aus den Erfahrungen der 20er Jahre heraus) mit staatlichen Interventionen bekämpft. Wenn weniger Nachfrage herrscht, springt also der Staat ein, indem er Geld in den Umlauf pumpt. Und sei es wie in Österreich durch Sozialausgaben, die den privaten Konsum - die Nachfrage - anheizen, vor allem aber auch durch billige Kredite. Mit der Hoffnung, daß durch höhere Steuereinnahmen (und/oder Gewinne verstaatlichter Unternehmen) irgendwann einmal diese Schulden abgetragen werden können. Oder zumindest stabil bleiben, das Wirtschaftswachstum also die Kreditzinsen zumindest abfängt.

Wesentlichstes Merkmal solch' staatlicher Finanzpolitik ist also Stabilität und Vertrauen. Dieses Fundament darf unter keinen Umständen gefährdet werden. Denn der Glaube, daß morgen alles besser wird, ist unabdingbar.

Einer der Eckpfeiler solcher Politik ist deshalb die Bewertung zukünftiger Erträge. Jede Investition muß gegenwärtige Ertragsschwäche (relativ zu den Schulden) abfangen, indem sie durch Investitionen zukunftsbezogene Werte schafft, die glaubhaft einmal erarbeitet werden.

Jeder Kredit ist letztlich in solch einer Hoffnung abgesichert. Und hier spielen natürlich Immobilien eine bedeutende Rolle. Deren Wert wiederum in Zusammenhang mit der Gesamteinschätzung der Wirtschaftsleistung gesehen werden muß. Ein illustratives Beispiel dazu war die Immobilienkrise in Japan vor etwa 15 Jahren. Grundstücke waren sehr hoch bewertet, weil auf Grundlage eines großen Optimismus in die Wirtschaftsentwicklung die Nachfrage hoch schien. Entsprechend konnte das Kreditvolumen für Investoren ausgeweitet werden. Also: Jemand kauft ein Grundstück in Tokio um 100, vielleicht sogar noch mit Eigenkapital - er besitzt also ca. 100. Andere tun es ihm gleich, die Preise steigen, bald ist das Grundstück 200 wert, bald sogar 500, bald 5.000 - unser Investor besitzt also ca. 5000. Ebenso tun es die anderen. Sie nehmen auf ihr "Vermögen" Kredite auf, und investieren damit weiter. Die Wirtschaft prosperiert.

Damit ist das Unternehmen unseres Investors auch 5.000 (statt 100) wert, seine Aktienkurse steigen entsprechend, unser Mann ist also "reich" geworden und mietet sich auch eine Lounge im Hilton als Dauerwohnstätte, seine Frau kauft wie eine Wilde Fetzen bei Dolce & Gabbana, dessen Unternehmenswert ebenfalls steigt. Weil die Nachfrage so gut ist, investiert D & G sogar in ein neues Werk in Hongkong, kauft Grundstücke etc. etc.

Das funktioniert, solange alle daran glauben, daß das Grundstück unseres Mannes 5.000 wert sei! Also: Sich um 5.000 auch veräußern lasse, unser Mann das Geld, das er als Kredit für die Aktien seines Unternehmens (durch Emission) erhielt, also auch besitzt.

Unser Mann aber ist nun schlau und beginnt, seine Grundstücke in Tokio zu verkaufen. Er bietet es um diese 5.000 an und macht ein gewaltiges Vermögen. Andere sehen das, tun es ihm gleich ... plötzlich aber fällt der Preis und schließlich gibt es niemanden mehr, der diese Grundstücke kauft ... sie fallen auf 100, ja darunter, das Vertrauen ist dahin. Mit einem Schlag ist ein gewaltiges Kreditvolumen unbesichert, ja abzuschreiben, kann nicht mehr zurückgezahlt werden, eigentlich ist auch die Bank pleite, die Menschen stürmen die Bank, wollen ihre Einlagen zurück, die Bank muß den Staat um Intervention bitten, der der Bank wiederum einen Kredit gibt, indem sie einsteigt, also diese Beträge als "Anteile" am Besitz der Bank tituliert, damit diese Bank - und mit ihr andere - nicht endgültig tot sind. Denn damit würde der Wirtschaft enorm viel Geld entzogen, weil Geld vernichtet ist.

Auch D & G muß das erkennen, seine Produkte lassen sich nicht mehr verscherbeln, usw. usf. Daraufhin gibt Italien an Japan einen Kredit, damit die Kredite an die Bank ("Vermögen") vergeben werden können.

Unsere gesamte Wirtschaftssituation ist mittlerweile so fragil (einerseits), daß wir längst nicht mehr die Wahl haben, ob wir aus dem Zwang zum Wachstum aussteigen wollen und es lieber gemütlich haben. Durch die weltweite Verflechtung, die Wachstumsmotoren braucht und immer noch findet, wie zuletzt Indien und China, ist dieser Zwang weltweit unabdingbar. Weil unser gesamtes System des alltäglichen Lebens und Wirtschaftens nur funktioniert, wenn so hohe Stabilität garantiert ist, daß alle darauf vertrauen können, daß die Verschuldungs- und Wachstumsmechanismen nicht zusammenbrechen.

Mit einer weltweiten Hypothek, die einer der für das Wirtschaftswachstum (die auch gesteigerte Beschäftigungszahlen benötigte, um diesen durch die Schulden notwendigen Mehrwert zu erarbeiten) zu zahlenden Preise war: Die demographische Entwicklung, die weltweit eine Verschiebung der Generationen mit sich bringt, von den Jungen hin zu den Alten, womit die Pensionssysteme (und damit auch Nachfrage) nicht haltbar sind. Weltweit sinkt die Bevölkerung, sieht man von wenigen Ausnahmen (fast ausschließlich in moslemisch geprägten Ländern) ab.

Das Thema ist hoch komplex, ich habe hier nur versucht, es so einfach wie möglich nachvollziehbar zu machen. Das aber unter Bezug auf eigene langjährige Erfahrungen als Unternehmer und Controller, wo ich diesen "Zwang zum Wachstum" - einhergehend mit einer verkaufspreismäßig scharfen Konkurrenzsituation, die den Zwang zur Kostensenkung mit sich bringt, um jene Gewinnmargen zu erzielen, die wiederum die Kreditzinsen abdecken sollen, was höhere Effizienz fordert, woraus sich wiederum neuer Zwang zur Expansion (niedrige Einkaufspreise zum Beispiel sind auch eine Frage der Menge sowie der Marktmacht) ergibt - sehr peinigend erlebt habe.





*260807*